Wildtiere im Zirkus: ja oder nein?

Susanne Will und Kerstin Fritzsche
Archivfoto: Andreas Harbach Foto: red

Zirkus Krone kommt nach Bayreuth. Und die Tierschützer gehen wieder auf die Barrikaden? Zu Recht? Sind Wildtiere im Zirkus noch zeitgemäß? Ja, die gehören einfach dazu, findet Kurier-Redakteurin Susanne Will. Nein, meint Kurier-Redakteurin Kerstin Fritzsche, ein Wildtier-Verbot müsste her.

 
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Pro: Hingehen. Anschauen. Urteilen.

Als Kind liebte ich Zirkusse. Wegen der Tiere. Jahrzehnte später schockierte mich das, was Journalisten und Tierschützer recherchiert hatten: Unter der Zeltkuppel herrschte oft Ödnis, Verwahrlosung, Qual.

Wenn heute ein Zirkus in die Stadt kommt, hat sich das in den meisten Fällen geändert. Kaum ein anderer Betrieb, der mit Tieren umgeht, wird so oft von Veterinären kontrolliert wie ein Zirkus. Die Tiere, die dort leben, sind in den allermeisten Fällen keine, die in der Savanne gefangen genommen wurden. Sie sind Nachzuchten – und damit sorgt auch der Zirkus wie Zoos für eine Arterhaltung.

Die Tiere, die jetzt in großen Manegen in Deutschland ihre Kunststücke vorführen, sind seit Welpenbeinen an den Menschen gewöhnt. An Menschen, die sich oft mit der gleichen Liebe um sie kümmern wie andernorts Herr Müller um seine Hauskatze.

Diese Tiere sind daran gewöhnt, ihr Revier nicht verteidigen zu müssen; daran, dass ihnen wie bei Circus Krone regelmäßig beste Nahrung vorgesetzt wird; dass sie dafür keine Kralle rühren müssen. Der Löwe an sich rennt nicht zum Zeitvertreib. Wenn er sich nicht bewegen muss, um ein Weibchen oder Nahrung zu finden oder einen Feind zu vertreiben, bleibt er gähnend liegen. Wie seine Artgenossen in den Zoos.

Dass ihm dabei nicht langweilig wird, dafür sorgen die Tierlehrer mit ihren Programmen, die sie einstudieren. Jedes gelehrige Tier lernt gerne. Solange das Lernen mit Liebe, Lob und Leckerli erfolgt. Die Zeit der Peitschen und Haken ist vorbei, zumindest in den großen Zoos, die unter extremer Beobachtung einer kritischen Öffentlichkeit stehen. Das ist ein Verdienst der Tierschützer. Deren andauernder Kritik ist auch der Circus Krone ausgesetzt. Als beispielsweise behauptet wurde, die Tiere litten unter Stress beim Transport, ließ Krone die Tiere untersuchen. Ergebnis: Das Stresshormon stieg nicht an. Jedoch: Fakten werden überhört. Und Experten auch, die versuchen aufzuklären: Wenn das Tier seit klein auf an die Transportbox gewohnt ist, sie freiwillig betritt, dann vermittelt die ihm auch einen Schutz und dient als Rückzugsort. Sie wird zur Normalität.

Die Gesellschaft für Konsumforschung hat es herausgefunden: 85 Prozent der Menschen besuchen Zirkusse wegen der Tiere. Und der Mensch schützt nur, was er kennt. Wer als Kind einmal fasziniert einen Tiger außerhalb des Bildschirms gesehen hat, der wird als Erwachsener beim Thema Wilderei in Afrika auf die Barrikaden gehen. Und auch bei Tierquälerei im Zirkus. Aber dazu sollte er sich umfassend informieren. Circus Krone bietet Führungen hinter den Kulissen an. Mein Rat: Hingehen. Anschauen. Und dann erst urteilen. (Susanne Will)

 

Contra: Die Dressur benötigt Korrektur

Elefanten in Ketten sind nicht süß, Tiger springen nicht freiwillig durch brennende Reifen. Im Zirkus sind Tiere darauf dressiert, Dinge zu tun, die sie natürlicherweise nie tun würden. Und wir Menschen sind darauf dressiert, dafür zu klatschen.

Dressur meint in der ursprünglichen Definition das Abrichten von Nutztieren. Die meisten Wildtiere im Zirkus sind nicht einmal bei uns domestiziert, weil ihr natürlicher Lebensraum woanders ist. „Die meisten Wildtiere sind bereits in Gefangenschaft geboren, sie kennen nichts anderes“ ist dann gerne, wie beim Zoo, ein Argument gegen ein Wildtier-Verbot im Zirkus. Ist es dann aber nicht doppelt grausam: Wir „halten“ Tiere nach unseren Bedingungen und zwingen sie dann noch zu Kunststücken? Überhaupt, was ist das für ein Argument? Das klingt wie „Es ist so, weil es schon immer so war“. Gut, dann muss man politisch freilich nichts ändern, auch nicht in anderen Bereichen. Dann könnten Schwarze ja immer noch wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Dann muss man Homosexuelle nicht gleichstellen. Dann muss man Lehrinhalte an Schulen nicht reformieren und nicht an neuen Medikamenten forschen, denn natürliche Auslese war ja auch schon immer.

Zweites gern genommenes Argument: „Leute, die keine Ahnung haben, zerstören mit ihren Lügen eine ganze Kultur und den Lebensinhalt eines ganzen Volkes“. Diese Meinung vertritt beispielsweise Rebecca Siemoneit-Barum, durch „Lindenstraße“ und „Dschungelcamp“ bekannter Sproß einer großen Zirkus-Dynastie.

Natürlich, keiner will, dass ein Berufsstand den Bach runtergeht, Menschen ihre Existenz entzogen wird. Aber Dinge verändern sich nun mal. Es gibt auch viele andere Berufsfelder, für die sich die Arbeitsbedingungen und äußeren Umstände ändern. Und die sich der Zeit anpassen müssen. So traurig das ist. Übrigens hat der Zirkus ja hier schon historische Veränderungen hinter sich, denn zu Recht gibt es dort keine Freak Shows mehr, weil es inzwischen Gott sei Dank Konsens ist, dass man Menschen, die anders aussehen wie die Allgemeinheit oder die eine Behinderung haben, nicht ausstellen und sie Kunststückchen aufführen lassen darf. Und es geht auch um die Sicherheit von uns Menschen. Trotz aller Maßnahmen konnte 2015 in Baden-Württemberg eine Elefantenkuh ausreißen und tötete einen Spaziergänger.

Es ist höchste Zeit, dass in Sachen Wildtiere politisch entschieden wird. Auf Bundesebene herrscht seit über zehn Jahren Stillstand, derzeit läuft die dritte Bundesratsinitiative für ein Wildtier-Verbot. Kommunen und Städte haben aber längst die Möglichkeit, ein Wildtier-Verbot zu erlassen. Bayreuth hat im vergangenen Jahr die Chance nicht wahrgenommen. (Kerstin Fritzsche)

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