Viel Theater um den "Theatermacher"

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 Foto: red

Soll das vermeintliche Skandalstück "Der Theatermacher" in der kommenden Saison auf der Luisenburg gespielt werden? Oder lieber doch nicht? Lässt der scheidende Intendant Michael Lerchenberg mit der galligen Komödie seinem Frust freien Lauf? Diese Fragen haben in den vergangenen Tagen viele Wunsiedler bewegt. Nun hat der Stadtrat nichtöffentlich über das Stück entschieden.

 
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Noch bevor die laufende Festspielsaison vorüber ist, steht in Wunsiedel großes Theater auf dem Programm. Dieses findet nicht oben auf dem Berg auf der großen Bühne statt. Es wird im großen Sitzungssaal gegeben. Im Rathaus, und ohne Zuschauer – nichtöffentlich. Das Stück handelt von einem Theaterstück. „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard soll der moderne Bühnenklassiker kommende Saison auf der Luisenburg werden. „Der Theatermacher“ handelt ebenfalls von einem Theaterstück. Und hier beginnt es kompliziert zu werden.

Schlimme Verhältnisse

Denn Thomas Bernhards bitterböse, ja gallige Komödie über den über alle Maßen eingebildeten alternden Staatsschauspieler Bruscon und sein dorftrotteliges Publikum im Gasthaus Schwarzer Hirsch in Utzbach ließe sich natürlich mühelos auf Wunsiedler Verhältnisse umschreiben. Wenn man boshaft sein will. Und das könnte Luisenburg-Intendant Michael Lerchenberg mittlerweile vielleicht tatsächlich sein. Zumindest lässt sein Frust über die schlimmen Wunsiedler Verhältnisse, den er aller Welt mitteilte, dies vermuten.

Bis Donnerstagnachmittag hatten die meisten Wunsiedler Stadträte quer durch alle Fraktionen größte Bedenken, dass Lerchenberg den Stoff tatsächlich genau so zurechtbiegen könnte, dass alle Welt über Wunsiedel lacht. In der nichtöffentlichen Sitzung stand denn auch „Der Theatermacher“ auf der Tagesordnung. Es galt zu entscheiden, ob das vermeintliche Skandalstück abgesetzt und gegen einen weniger interpretationsfähigen Stoff getauscht werden soll.

Mit knappster Mehrheit

Bis kurz vor 23 Uhr dauerte der höchst emotionale Schlagabtausch, den German Schlaug, Bunte Liste, anderntags süffisant kommentierte: „Wäre Herr Lerchenberg dabei gewesen, er hätte sich bestimmt sehr über das Hin und Her amüsiert, es war grad so, als hätte ,der Theatermacher’ die Regie geführt.“ Am Ende stand es 11:10. Damit darf Lerchenberg 2017 den „Theatermacher“ spielen.

Eine Phalanx aus Aktiven Bürgern, SPD und Bunte Liste-Grüne ärgerte vor allem, dass sie Bürgermeister Karl-Willi Beck gewissermaßen ins Messer hat laufen lassen. „Beck hat seit Mai gewusst, dass Lerchenberg vorzeitig seinen Hut nimmt und 2017 seine letzte Saison sein wird. Da liegt es doch nahe, das er mit ,Der Theatermacher’ noch einmal mit Wunsiedel abrechnet und so seinen Abgang inszeniert. Hätte uns Beck frühzeitig über Lerchenbergs Intention informiert, wäre das Stück womöglich überhaupt nicht erst auf dem Spielplan gelandet“, sagte Franz Rattler, Aktive Bürger.

Ein Indiz für den Skandal

Als der Stadtrat vor mehreren Wochen über die Auswahl der Stücke beraten hat, gab es in jedem Genre einen Favoriten und eine Alternative. Nur in der Sparte moderne Klassiker bestand Lerchenberg auf den „Theatermacher“ und darauf, dass er selbst die Hauptrolle besetzt. Auch dies werteten Stadträte im Nachhinein als Indiz für einen von Lerchenberg geplanten Theaterskandal.

German Schlaug mutmaßt auch, dass bereits die „Skandalisierung seines Abgangs“ von Lerchenberg inszeniert worden ist. „Denn seien wir mal ehrlich: Im Stadtrat gibt es keine Fundamentalopposition. Auch ist die vom Intendanten beklagte Schmutzkampagne gegen ihn und seine Frau entspricht nicht der Realität der vergangenen Monate.“

Lebendiges Theater

Weniger dramatisch empfanden die Angelegenheit um das Thomas-Bernhard-Stück die sieben CSU und zwei Freie-Wähler Stadträte. Matthias Popp, CSU, argumentierte, dass er es für absolut töricht hält, das dritte Stück nun zu widerrufen. Theater lebe davon, dass darüber geschrieben, gesprochen und berichtet werde. Wunsiedel befinde sich damit auf dem besten Weg in eine fulminante, erfolgreiche Abschlusssaison mit „unserem Intendanten Michael Lerchenberg“.

Für Popp ist es auch zweitrangig, ob die Berichterstattung darüber „als positiv oder negativ empfunden wird“. Damit hat er offenbar seine Parteikollegen, die der FW und den lange unentschlossenen Karl-Willi Beck doch noch überzeugt und die Absetzung abgewendet. In zwei nichtöffentlichen Sitzungen vorab hatten sich die Fraktionsvorsitzenden und Bürgermeister Beck eigentlich bereits darauf verständigt, dass der „Theatermacher“ nicht aufgeführt wird. Da sich auch SPD-Stadtrat Konrad Scharnagl der CSU-Linie anschloss, war die Mehrheit pro Skandalstück perfekt.

Selbstdemontage

Scharnagl wollte sich zwar nicht zur nichtöffentlichen Sitzung äußern, sagte aber, dass er eben keine unterschwellige Angst davor habe, Lerchenberg könnte sich mit dem Stück am Gremium oder Wunsiedel abarbeiten. „Und wenn doch? Bitteschön, das halte ich aus. Aber letztlich würde sich Herr Lerchenberg dann selbst demontieren.“

Franz Rattler findet es hingegen interessant, wie wenig sich die Befürworter des Stücks nach dem Motto "bad news are good news" um den Ruf der Stadt scheren, weil sie auf ein volles Haus und finanziellen Erfolg hoffen. „Diese Argumentation sollte man sich merken, wenn es wieder um die Außendarstellung der Stadt in den Medien geht.“

Kein Geld für eine Abfindung

In der nichtöffentlichen Diskussion befürworteten die Stadträte ebenfalls mit der denkbar knappsten Mehrheit den Antrag Michael Lerchenbergs auf eine vorzeitige Entlassung aus seinem Vertrag. Der Antrag, man möge eine einvernehmliche Lösung des Vertrags bereits Ende 2016 anstreben, wurde hingegen – mit besagter Mehrheit – abgelehnt. Dies allein schon deshalb, weil die Stadt Wunsiedel gar nicht das Geld hätte, Lerchenberg eine Abfindung zu zahlen.

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