V-Mann-Prozess: Kein Freispruch

Archivfoto: dpa Foto: red

Das Landgericht Würzburg hat einen ehemaligen V-Mann des Landeskriminalamts (LKA) wegen Drogenschmuggels schuldig gesprochen. Die Richter verurteilten den 48 Jahre alten Mann am Mittwoch zu zwei Jahren und drei Monaten Haft.

 
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Als das Urteil fiel, blies Mario W. empört seine Backen auf. Neun Monate lang hatte der Drogenkurier mit seinen drei Anwälten einen hohen Aufwand vor Gericht getrieben und fast einen Skandal provoziert. Er nährte den Eindruck, das Landeskriminalamt (LKA) habe bei W.’s kriminellen Geschäften im Rockermilieu schützend die Hand über ihren damals erfolgreichen Spitzel gehalten.

"Wir gehen in Revision"

Doch so viele Hinweise auf zweifelhaftes Verhalten seine Verteidigung auch ausgrub: Am Ende erschienen Mario W.’s wechselnde Erklärungen zu dem Thema dem Gericht um den Vorsitzenden Konrad Döpfner nicht glaubhaft genug. Das Gericht in Würzburg war nicht davon überzeugt, dass das LKA von der Einfuhr von zehn Gramm Crystal für einen Rockerboss im Oktober 2011 wusste – geschweige denn, ihn dazu animiert hätte. Mario W. (der seit Dezember 2011 in Haft ist) wurde zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt und verkündete am Mittwoch sofort: „Wir gehen in Revision.“ Damit endete (vorläufig) ein spektakuläres Verfahren in Würzburg, das im Innenministerium in München Unruhe ausgelöst hatte. Der Fall brachte zweifelhafte Praktiken des LKA ins Gespräch. Das mauerte im Zeugenstand, verschanzte sich hinter Sperrerklärungen (angeblich, um andere Ermittlungen nicht zu gefährden). Der Eindruck entstand, das Gericht werde bei der Wahrheitsfindung behindert.

Akten wurden nachträglich verändert (als das Würzburger Gericht sie anforderte) und Vorgesetzte im LKA offenbar wohl nur so informiert, dass keine Aufregung entstehen sollte was gründlich schiefging. Innenstaatssekretär Gerhard Eck bekam ungenügende Informationen vom LKA und Prügel im Landtag, als sich sein Bericht dort als allzu lückenhaft herausstellte.

Die Beamten sollen mehr als ein Auge zugedrückt haben

Verteidiger Alexander Schmidtgall trieb jede Menge bisher unbekannter Fakten auf, die das LKA ins Zwielicht tauchten, darunter den bis dahin geheimen Zwischenbericht interner Ermittlungen beim LKA. Zeitweise schien es in den 20 Verhandlungstagen, als ginge es nicht um die Rauschgiftgeschäfte von Mario W., sondern das LKA säße auf der Anklagebank. Die Beamten sollen – wenn man Schmidtgall und seinen Kollegen Norman Jacob und Hanjo Schrepfer glauben darf – mehr als ein Auge zugedrückt haben, wenn sich der Angeklagte mit den Rockern etwa am Diebstahl dänischer Bagger beteiligte.

Das Problem des Angeklagten war, dass er die jeweils erzählte Wahrheit den Erfordernissen der jeweiligen Situation anpasste – ganz gleich, was er zuvor erzählt hatte. Das tat er bei Ermittlern, denen er bald diesen und bald jenen Komplizen präsentierte. Das machte er auch mit Journalisten, denen er Geschichten von einer verschwundenen Prostituierten, geschmuggelten Münzen oder einem im Rockerauftrag gemeuchelten Anwalt präsentierte – der während der Beweisaufnahme aber putzmunter wieder auftauchte.

Am Ende hörte Mario W. nur noch ein kleiner Kreis von Unterstützern im Gerichtssaal zu, die glaubten, er sei wie sie ein Opfer der Justiz. W. hatte (so ist zumindest der Eindruck des Gerichts) das Problem, in drei Leben gleichzeitig sein zu müssen: Als aufstrebender Rocker in der abgeschotteten Welt der „Bandidos“ machte er Karriere. Gleichzeitig wurde der Spitzel für das LKA immer interessanter, je näher er der Spitze der Regensburger Rocker (mit Querverbindungen auch ins rechtsextreme Milieu) kam. Und daneben ging er eigenen kriminellen Geschäften nach – obwohl er vom LKA immer wieder belehrt wurde, genau das nicht zu tun.

Mario W. genoss es , im Scheinwerferlicht zu stehen

Mario W. genoss es erkennbar, durch Berichterstattung im Scheinwerferlicht zu stehen. Gerne hörte er in den vergangenen Wochen, er sei als V-Mann ungewöhnlich erfolgreich gewesen. Im bürgerlichen Leben war er immer wieder gescheitert, mit 7,5 Millionen Euro Schulden ins Milieu abgedriftet.

Seiner arbeitslosen Tochter verhalf er zu Einkommen, indem er ihr Drogen aus Tschechien besorgte. Die verkaufte sie in der Kitzinger Rauschgiftszene weiter. Das brach dem Spitzel das Genick: Würzburger Drogenfahnder ermittelten gegen die Tochter und ihren Lieferanten. Diese Drogengeschäfte (mindestens sechs) brachten Vater und Tochter in Haft, weil die Fahnder hartnäckig ermittelten.

Bis heute muss man aufpassen, wie W. seine Darstellung je nach Bedarf der Lage anpasst. Das machte der Vorsitzende Döpfner in seinem Urteil deutlich. In 35 Prozesstagen im ersten Verfahren 2013 war nie die Rede davon gewesen, dass W. im Auftrag des LKA Drogen besorgt hatte – obwohl ihn die Ermittler daraufhin wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen hatten. „Das hätte ich dem Norbert sagen sollen“, jammerte er nach seiner Festnahme nach Angaben von Zeugen. Norbert ist der Vorname seines LKA-Führungsoffiziers, zu dem W. zeitweise ein vertrautes Verhältnis hatte.

Erst als ihm dies im zweiten Durchlauf nützlich schien, brachte er die neue andere Version. Plötzlich hatte ihn „Norbert“ regelrecht gedrängt, die zehn Gramm Crystal zu besorgen, um Ermittlungen gegen den Rockerboss zu fördern. Wiederholt kündigte W. im Prozess an, eine E-Mail zu präsentieren, die beweisen sollte: Er habe das LKA im Vorfeld über den Drogenkauf in Tschechien informiert. Es blieb aber bei der mehrfachen Ankündigung. Tatsächlich tauchte nie eine Mail auf, wie das Gericht im Urteil erwähnte.

Zum Wohle eines übergeordneten staatlichen Interesses

Verteidiger Alexander Schmidtgall sagte, die Beweisaufnahme in Würzburg habe ein System offengelegt, mit dem das LKA Top-V-Mann Mario geführt habe: Sein Mandant habe Straftaten begangen – zum Wohl eines übergeordneten staatlichen Interesses. Das Gericht hielt das für falsch und sah keine provozierten Taten.

Ob der Fall Mario W. nun erneut in Revision geht, und zum dritten Mal vor Gericht in Würzburg landet, ist ungewiss. W. sitzt seit annähernd fünf Jahren wegen diverser Delikte in Haft. Verzichtet er auf einen dritten Durchgang, hätte er in etwa fünf bis sechs Monaten zwei Drittel seiner Strafe verbüßt und könnte auf freien Fuß kommen. Besteht er auf einer Revision, sitzt er wohl weiter in der Zelle – mit ungewissem Ausgang.

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