Streit darüber, wann ein Beschluss als vollzogen gilt
Doch wann gilt der Beschluss als vollzogen? Auf Kurier-Anfrage schreibt dazu die Regierung von Oberfranken, dass ein Beschluss auch vollzogen werden muss, damit er wirksam ist. Vollzug wäre, wenn eine Urkunde übergeben oder zugeschickt wird – oder, wenn der Beschluss auf sonstige Weise bekanntgemacht worden wäre, „zum Beispiel durch schriftliche oder mündliche Mitteilung an den Ehrenbürger“, teilt die Regierung mit.
Sollte Schemm also von Gemeindeseite nie über den Beschluss informiert worden sein, wäre er auch nie Ehrenbürger von Weidenberg gewesen. Fragen kann man ihn längst nicht mehr. Er starb am 5. März 1935 nach einem Flugzeugabsturz. Dass er keine Kenntnis vom Beschluss des Gemeinderates hatte, hält Taegert aber für ausgeschlossen. Denn am Beschluss waren auch drei NSDAP-Mitglieder beteiligt. Darunter ein gewisser Georg Rumler.
Urkunde in Auftrag gegeben, aber wahrscheinlich nie überreicht
Rumler saß nicht nur im Weidenberger Gemeinderat. Er war auch Gründungsmitglied der NSDAP-Ortsgruppe und wurde 1933 Bürgermeister von Weidenberg. Das Amt hatte er bis 1945 inne. Unter ihm als Bürgermeister sei die Ausarbeitung einer Urkunde für Schemm am 5. Mai 1933 zunächst zurückgestellt worden, zitiert Taegert aus den Beschlussbüchern der Gemeinde. In dem Beschluss sei jedoch von „unserm Ehrenbürger Kultusminister Hans Schemm“ die Rede gewesen.
Schemm sei „bei Rumler ständiger Hausgast“ gewesen, sagt Taegert. „Schemm persönlich hat die NSDAP-Ortsgruppe Weidenberg aus der Taufe gehoben. Dass Schemm nichts von seiner Ehrenbürgerschaft gewusst haben soll, ist absurd.“ Als Indiz dafür, dass der Gauleiter tatsächlich Ehrenbürger war, wertet Taegert, dass die Urkunde am 22. Mai 1934 doch noch in Auftrag gegeben worden sei. Das sei lange nach der Heß-Weisung gewesen, dass Nationalsozialisten eine Genehmigung der Reichsleitung brauchen, um Ehrenbürgerwürden anzunehmen.
Wittauer: Gemeinderat soll sich vom Ehrenbürgerbeschluss distanzieren
Von der Reaktion der Gemeinde auf seine Recherchen ist Taegert enttäuscht. Die entscheidende Frage für ihn sei, wie ein frei gewählter Gemeinderat dazu kommt, Nazigrößen zu Ehrenbürgern machen zu wollen. Damals hätten sich viele auf diese Weise den neuen Machthabern an den Hals geworfen. Das müsse heute noch zu denken geben.
Mit der Aussage, dass Schemm kein Ehrenbürger war, will Bürgermeister Wittauer das Thema auch nicht beenden. Viele Gemeinden hätten sich von den damaligen Beschlüssen, Nazis zu Ehrenbürgern zu machen, distanziert, sagt Wittauer. „Das ist auch richtig“, sagte er in der Gemeinderatssitzung. In einer der kommenden Sitzungen will er das Thema noch einmal auf die Tagesordnung heben. Er empfiehlt dem Gemeinderat, sich vom Beschluss vom 5. März 1933 zu distanzieren.