Warum bei einem Prozess um einen Diebstahls-Coup ein falscher Mann vor Gericht stand Punktsieg für den Ex-V-Mann

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Immer verrückter wird der Prozess gegen den ehemaligen V-Mann Mario F. (49). Immer tiefer scheint der Sumpf, in dem Beamte des Landeskriminalamtes im Zusammenhang mit dem im Jahr 2011 aus dem Ruder gelaufenen V-Mann-Einsatz von Mario F. bei den Regensburger „Bandidos“ stecken. Nun erbringt der 15. Verhandlungstag im zweiten V-Mann-Prozess, dass über Mario F.’s V-Mann-Führer ein zweiter Strafprozess beeinflusst worden sein könnte. UNd einen Punktsieg für den Angeklagten.

 
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Bei dem möglicherweise beeinflussten Prozess handelt es sich um ein Verfahren, das im Dezember 2011 beim Amtsgericht in Marbach am Neckar lief. Angeklagte waren damals Mario F. und zwei andere Männer wegen der Unterschlagung einer Lastwagenladung von Kosmetikartikeln im Frühjahr 2011. Mit gefälschten Kennzeichen an einem Mietlaster fuhren die Täter vor und verschwanden.

Den wahren Täter auf Anweisung „herausgehalten“

Die baden-württembergische Kripo ermittelte Mario F. als Fahrer des Lasters. Er gab einen Mann als Mittäter an, der mit dem Diebstahl nichts zu tun hatte. Mario F. sagt: „Ich habe den wahren Täter auf Anweisung des LKA herausgehalten.“ Sein V-Mann-Führer Norbert K. habe ihn auf den Berufskriminellen Oliver H. angesetzt. Seine „Zielperson“ sei ein hochkrimineller Drogendealer gewesen, der im Kilobereich Rauschgifthandel getrieben habe. Da sei seinem V-Mann-Führer die mit vergleichsweise geringen Strafen bedrohte Unterschlagung in die Quere gekommen. Zum Glück wurde damals der von Mario F. verdächtigte Unschuldige freigesprochen – und Mario F. bekam eine vergleichsweise geringe Geldstrafe. V-Mann-Führer Norbert K. sagte damals beim Amtsgericht in Marbach als Zeuge aus. Der damals zuständige Staatsanwalt bezeugte gestern, dass Norbert K. während der Ermittlungen einmal den Namen Oliver H. erwähnt habe, jedoch nicht erklärt habe, was Oliver H. mit der Sache zu tun hatte.

Crystal Speed für ein vom LKA observiertes Treffen

Der Marbach-Fall ist für Verteidiger Alexander Schmidtgall wichtig, weil er als Baustein für das Verhalten des LKA im Fall Mario F. taugt: Man habe eine Straftat des V-Manns toleriert und gedeckt, um vermeintlich wichtigere Ermittlungen zu schützen . Oliver H. sollte bei einer Straftat ertappt werden, nach der er lange aus dem Verkehr gezogen werden konnte. Das geschah später auch: Oliver H. war einer von zwei Dealern, die wegen Rauschgifthandels mit 63 Gramm Crystal Speed in Hof zu hohen Strafen verurteilt wurden. Ein Kriminalrat der Nürnberger LKA-Rauschgiftabteilung hatte bezeugt, dass Mario F. frühzeitig den Tipp auf Oliver H. gegeben hatte. Weil aber Oliver H. Mario F. beschuldigte, mit der Rauschgiftlieferung zu tun zu haben, wurde dem Ex-V-Mann in seinem ersten Prozess auch eine Beihilfe für den 63 Gramm-Deal angelastet und er dafür auch verurteilt. In diesem ersten V-Mann-Prozess, das scheint sicher, gab es Falschaussagen von LKA-Beamten, die es tunlichst vermieden Mario F. zu entlasten. Die Konsequenz wäre gewesen, eigenes Fehlverhalten einzuräumen. Polizeibeamte unterliegen nämlich dem Legalitätsprinzip: Wird ihnen eine Straftat bekannt, müssen sie ermitteln – eigentlich. Doch kommt man so an größere Kriminelle ran? Lässt man lieber die Finger von kleinen Delikten, um große Verbrechen zu klären?

Sah sich der V-Mann zum Drogenschmuggel gezwungen?

So ähnlich könnte die Denke in dem Fall gewesen sein, für den Mario F. erneut vor Gericht steht: Im November 2011 schmuggelte er 9,7 Gramm Crystal Speed für ein Rockertreffen am 24. November über die Grenze bei Waldsassen. Die Drogen seien für die Feier des Übertritts eines Rockers von den „Bandidos“ zu den „Hells Angels“ gewesen. Den laut Mario F. beteiligten „Hells Angel“ namens „Pierre“ gab es, bestätigte die damalige Rockerexpertin des LKA gestern als Zeugin. Und sie bestätigte, wie wichtig V-Mann Mario F. war und wie wichtig das Rockertreffen am 24. November war: Die Zeugin persönlich hatte den Einsatz des mobilen Einsatzkommandos samt GPS-Überwachung beantragt. Da erscheint es nachvollziehbar, wenn die Einfuhr von 9,7 Gramm für LKA-Leute von untergeordneter Bedeutung war. Und der V-Mann sich gezwungen sah, die Drogen für den wichtigen Treff zu besorgen.

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