Natronlauge in der Radlerflasche

Von Luisa Degenhardt
Ein Schluck mit schlimmen Folgen: In der Radlerflasche, die sich ein Zuschauer eines Fußballspiels in der Sportgaststätte in Kirchenbirkig-Regenthal kaufte, befand sich Natronlauge, die seine Speiseröhre verätzte.⋌ Foto: Ralf Münch Foto: red

Im Sommer verätzte eine giftige Flüssigkeit in einer Mönchshof-Radlerflasche die Speiseröhre eines Mannes aus dem Raum Pottenstein. Mit den Folgen hat er immer noch zu kämpfen. Die Ermittlungen der Polizei haben bisher noch keinen Hinweis darauf ergeben, wie die Natronlauge in die Flasche gelangte.

 
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Für einen Knödel benötige er eine halbe Stunde. Was er gar nicht essen könne, sei langfaseriges Fleisch. „Es tut nicht weh, aber ich muss vorsichtig sein, dass alles schön weich ist. Nicht dass es stecken bleibt.“ Seine Speiseröhre ist zwischen zwölf und 14 Millimeter weit offen, normalerweise sind es 17 Millimeter. Das Unglück im Sommer hat das Leben des 51-Jährigen komplett verändert.

Es ist heiß an diesem 14. August, einem Sonntag. Um die 35 Grad. Mit seinem Schwager will sich der Mann ein Fußballspiel anschauen. Im Sportheim des SV Kirchenbirkig/Regenthal bestellt er ein Radler. Er bekommt die Flasche, geht nach draußen auf die Terrasse, lässt sich nieder, öffnet sie mit einem „Plopp“, setzt zum Trinken an und fühlt sofort ein Brennen im Mund. Er spuckt die Flüssigkeit aus und spült den Mund mit Wasser. Doch etwas von der ätzenden Flüssigkeit muss in seine Speiseröhre gelangt sein. Dann bricht sein Kreislauf zusammen, seine Zunge schwillt an. Mit dem Hubschrauber wird er nach Nürnberg ins Klinikum geflogen. Wie er inzwischen erfahren hat, war es 35-prozentige Natronlauge, die in seine Speiseröhre gelangte.

Ein Vierteljahr im Krankenhaus

„Mit kurzen Unterbrechungen war ich ein Vierteljahr im Krankenhaus“, sagt der 51-Jährige, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er wurde ins künstliche Koma versetzt. An die zweieinhalb Wochen nach dem Unglück hat er keine Erinnerung. Er bekam einen Luftröhrenschnitt, um atmen zu können. Dreieinhalb Wochen lag er auf der Intensivstation. Immer noch muss er regelmäßig ins Krankenhaus nach Nürnberg. Unter Betäubung wird seine Speiseröhre geweitet. Zweimal in der Woche muss er diese Prozedur über sich ergehen lassen. In dieser Woche war er zum ersten Mal nur einmal in der Klinik. Er räuspert sich oft, seine Stimme ist belegt. Er vermutet, dass das vom Weiten kommt. Einmal wurde die Speiseröhre zu weit aufgedehnt und ist dabei eingerissen. Er bekam Probleme beim Schlucken und ein Stechen im Brustraum. Glücklicherweise gelangte nur Luft in den Brustraum und keine Flüssigkeit.

Wieder hing er 14 Tage „an der Flasche“, wie er sagt, wurde künstlich ernährt. Eine Magensonde konnten ihm die Ärzte nicht legen, weil auch der Eingang zum Magen verätzt war.

Sein Arzt lässt keinen Zweifel daran, dass er sich einer Operation unterziehen muss. „Ich will das vermeiden, das dauert bis zu acht Stunden.“ Die Speiseröhre würde komplett entfernt und durch ein Stück seines Darms ersetzt. Einmal hatte sich seine Speiseröhre komplett geschlossen, nicht einmal seinen Speichel konnte er noch schlucken.

Wünsche und Gebete haben geholfen

Wie sich seine Genesung weiter entwickelt, ist nicht vorhersehbar. „Es kann lange dauern, bis sich die Speiseröhre beruhigt oder auch gar nicht.“ Seine Frau hofft, dass es die Operation nicht braucht, sondern dass die Abstände zwischen den Weitungen immer größer werden. Direkt nach dem Unglück ihres Mannes habe sie gar nicht realisiert, dass er in Lebensgefahr war. „Du bist so unter Schock. Erst zwei Tage später hab’ ich registriert, dass gesagt wurde, dass er vielleicht nicht überlebt“, erzählt sie. Seine Robustheit habe ihm beim Genesungsprozess geholfen. Und auch die vielen Genesungswünsche und Gebete, fügt ihr Mann hinzu.

Die Polizei hat noch keine neuen Erkenntnisse. „Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen“, sagt Jürgen Stadter, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken. Einen konkreten Tatverdächtigen gebe es nicht. Fest stehe allerdings, sagt Stadter, dass die Flüssigkeit nicht in der Produktion des Getränks in die Flasche gekommen sein kann. Es müsse also danach passiert sein.

Glück im Unglück

Natürlich habe er darüber nachgedacht, warum gerade er die Flasche mit der ätzenden Flüssigkeit erwischt hat, sagt der 51-Jährige. „Aber sich reinsteigern hat ja keinen Wert. Es ist passiert und das änderst du nicht.“ Er sagt, er habe Glück im Unglück gehabt. Seine Frau nickt. „Glück, dass du so geistesgegenwärtig warst und es gleich ausgespuckt hast und der Hubschrauber gleich gekommen ist“, meint sie. Hätte er die Lauge geschluckt, wäre sein Magen zerstört worden und die Speiseröhre durchlöchert. „Dann bist du ein Wrack“, sagt er. Er versucht mit der Situation umzugehen. „Lieber wäre es mir schon gewesen, wenn ich gemütlich weiter hätte essen und trinken können, aber so ist es halt.“

Die Vorgeschichte:

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Verätzung: Mann immer noch im Koma