Marodes Kanalnetz im Fichtelgebirge

Von Moritz Kircher
Einstieg in eine sonst unsichtbare Welt: Viele Kanäle in der Region sind in einem schlechten zustand. Symbolfoto: Daniel Naupold/dpa Foto: red

Einige Gemeinden im Landkreis Bayreuth haben ein massives Problem mit undichten Abwasserkanälen. Vielerorts gehört mehr als die Hälfte des Wassers, das in den Kläranlagen ankommt, eigentlich gar nicht dorthin. Und es sticht ins Auge, dass sich die kaputten Kanäle vor allem in den Gemeinden im Fichtelgebirge finden. Eine Kurier-Grafik zeigt, wo die Probleme am größten sind. Vom Freistaat haben die Kommunen eher wenig Unterstützung zu erwarten.

 
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Wie es in den Kanälen unter den Orten aussieht, wussten viele Gemeinden bis vor kurzem kaum. Vielleicht wollten sie es in der Vergangenheit lieber auch nicht so genau wissen. Denn ein untrüglicher Indikator dafür, dass mit dem Kanalnetz etwas nicht in Ordnung ist, ist die Menge des sogenannten Fremdwassers – also Wasser, das in einer Kläranlage ankommt, aber eigentlich nie durch irgendeinen Abfluss in den Kanal eingeleitet wurde. Und die Menge ist mancherorts bedenklich hoch. Spitzenreiter im Landkreis ist die zu Gefrees gehörende Kläranlage Lützenreuth. Fast neun von zehn Litern Wasser, die dort gereinigt werden, sind Fremdwasser.

Dass da bayernweit ein Problem sprichwörtlich begraben liegt, weiß auch die Staatsregierung. Seit einiger Zeit übt sie sanften Druck auf die Gemeinden aus, sich doch wenigstens mal ein Bild von dem Zuständ ihrer Kanalnetze zu machen – mit einem Förderprogramm. Der Freistaat sponsert den Kommunen ein Kanalkataster. Spezialisten befahren mit einer Kamera das gesamte Kanalsystem und kartieren den Zustand. Und bei mehr als 50 Prozent Fremdwasser in einer Kläranlage ist davon auszugehen, dass dabei einige undichte Stellen in den Kanälen zu finden sind, durch die Grundwasser eindringt.

Dringender Handlungsbedarf bei 13 von 43 Kanalnetzen

Aber was ist schon dabei, wenn etwas mehr Grundwasser als eigentlich gedacht durch die Kanäle mit zur Kläranlage fließt? „Abhängig von der Menge kann das Fremdwasser die Kläranlage hydraulisch überlasten und die Reinigungsleistung der Kläranlage herabsetzen“, sagt Michael Benz, Sprecher des Landratsamtes Bayreuth. Er erklärt auch, wann es kritisch wird. Ein Fremdwasseranteil von bis zu 25 Prozent entspreche dem Stand der Technik.

43 Kläranlagen gibt es im Landkreis Bayreuth. Etwas mehr als die Hälfte davon liegt bei unter 25 Prozent Fremdwasser. Sieben Kläranlagen liegen mit dem Fremdwasseranteil zwischen 25 und 50 Prozent. Dort seien „Sanierungsmaßnahmen am Kanalnetz vorzunehmen“, sagt Benz. Mit 50 Prozent und mehr Fremdwasser liegen 13 Kläranlagen im Landkreis jenseits von gut und böse. Dort sei „Handlungsbedarf gegeben“.

Förderquote bei Trink- und Abwasseranlagen niedrig

Einige Gemeinden sind längst dabei, ihr Kanalnetz auf Vordermann zu bringen. So zum Beispiel Bad Berneck. Die Stadt steckt trotz leerer Kassen Millionen Euro in die Kanalsanierung. Gefördert werden Kanalsanierungen vom Freistaat nur in geringem Umfang. Beim Breitbandausbau beispielsweise gibt es bis zu 90 Prozent vom Freistaat. Hohe Förderungen gibt es auch bei Dorferneuerungen und beim Städtebau.

Zum Kanalbau und zur Kanalsanierung schreibt das bayerische Umweltministerium auf Kurier-Anfrage: „Die Kommunen haben in den letzten 70 Jahren rund 46 Milliarden Euro in den Bau der Trink- und Abwasseranlagen investiert. Der Freistaat hat sie in diesem Zeitraum mit rund 12,5 Milliarden Euro unterstützt.“ Förderquote also: rund 27 Prozent.

Undichte Kanäle verunreinigen Boden und Grundwasser

Die meisten Gemeinden haben offenbar auch keine Probleme mit ihren Abwasserkanälen. Laut einer Statistik des Bayerischen Landesamtes für Umwelt liegt der durchschnittliche Fremdwasseranteil bei Kläranlagen in Bayern bei 23 Prozent.

Ein kaputter Kanal kann nicht nur zu Schäden in der Kläranlage führen. Vom Haushaltsreiniger bis zum Waschmittel kann über undichte Stellen alles austreten, was im Haushalt weggespült wird. Das Landesamt für Umwelt hat einen Leitfaden zur Inspektion und Sanierung kommunaler Kanäle herausgegeben. Darin heißt es: „Abwasser aus undichten Kanälen verunreinigt Boden und Grundwasser.“

Weiter heißt es: Schadhafte Kanäle können verstopfen und Überschwemmungen verursachen. Etwa dann, wenn Wurzeln in den Kanal wachsen und angeschwemmtes Material sich verfängt. „Im schlimmsten Fall kommt es zu Straßeneinbrüchen“, warnt die Behörde – nämlich dann, wenn sich durch das eindringende Wasser am Kanal Hohlräume bilden, die einbrechen können.