Kurios auch das Beispiel von Camba. Der Kreativbrauerei in Truchtlaching wurden schon drei Biere verboten: ein Milk Stout, Coffee Porter und ein fassgelagertes Amber Ale. „Dabei hatten wir das Milk Stout 2014 genau wegen des verwendetes Milchpulvers schon vorsorglich als 'Biermischgetränk' angemeldet“, erzählt Götz Steinl. Bei einer Routine-Prüfung wurde es dennoch beanstandet – und schließlich verboten. Wohl nicht ganz zufällig wurden dann noch andere Camba-Biere beprobt – und weitere zwei verboten. Hier ist der Schaden für die Brauerei aber nicht so groß. „Wir hatten davon aktuell nichts mehr im Angebot und werden sie halt einfach nicht mehr herstellen“, sagt Steinl schulterzuckend.
„Diskriminierung von Konsumenten und Brauern“
Ihn ärgern vor allem zwei Dinge an der strengen bayerischen Verordnung: „Das grenzt an Diskriminierung von ganzen Konsumentengruppen, denn was ist denn zum Beispiel mit der Produktion von glutenfreiem Bier?“, fragt er. „Und dass eine Behörde rät, diese Biere dann einfach im Ausland zu brauen, halte ich schlicht für eine Frechheit! Das kommt einer Art Berufsverbot für uns Brauer gleich.“
Dennoch halten Steinl wie auch Müller am Reinheitsgebot fest. Sie sind sicher: Würde einer vor Gericht ziehen, würde das Bier-Gesetz spätestens auf europäischer Ebene kassiert werden. Und das will keiner, weil dann wirklich Murks betrieben werden könnte, ohne dass es jemand merkt.
Priller: „Reinheitsgebot muss verschärft werden“
Sebastian Priller will sogar eine Verschärfung. „Das Problem ist, dass es kein Herstellungsgebot mehr ist im Sinne dessen, dass nur natürliche Rohstoffe verwendet werden, und das auch nicht überprüft wird.“ Da seien künstliche Aromen drin, Stabilisatoren, damit das Bier nicht ausflockt, Plastik-Rückstände und ja, eben auch wegen des Getreides Glyphosat-Spuren. Vieles davon müsse sein. Aber es werde eben nicht per Etikett deklariert, der Konsument damit dumm gehalten beim Mehrheitsbier.
Oliver Wesseloh ergänzt: „'500 Jahre nicht angetastet' stimmt ja auch nicht. Wacholder war zwischendrin erlaubt. Und dann brauen viele nach dem High-Gravity-Prinzip, wo ich einen superstarken Sud mit 15 Prozent Stammwürze ansetze, daraus mach ich dann mit Hopfen-Extrakten verschiedene Biere, die ich mit Wasser verdünne.“ Dieses gerne in US-amerikanischen Großbrauereien angewandte Verfahren ist in Deutschland stark umstritten, weil u.a. wegen des großen Ethanolgehaltes Stress für die Hefe bedeutet, die sich möglicherweise nicht natürlich verhalten kann, aber für die Qualität des Bieres entscheidend ist.
Geschmack ist King
Andererseits sollte es kein Streit Großbrauereien gegen Kreativbrauer sein, meint Hanel. „Die Spielregeln sind der Geschmack. Und die Leute wollen wieder handwerklich gut gemachte Biere haben. Von mir aus darf auch Beck's Craftbier machen, warum nicht? Aber die Zusatzstoffe sollten eben verzeichnet sein.“
Gerne gäbe es von offizieller Seite auch diese Begründung: Mehrere Gerste- und 200 Hopfen-Sorten würden doch wohl genügen für eine große Bier-Vielfalt. „Das langt freilich für eine Weile. Aber ich will auch die Freiheit haben, experimentieren zu können, wenn ich möchte“, so Hanel. Jeff Maisel ergänzt: „Wenn ich ein Bier mit gerösteten Haselnüssen machen könnte, würde ich es tun.“
Reinheitsgebot ist Export-Qualitätsmerkmal
Einig sind sich alle Brauer darin, dass etwas passieren muss, am besten auf gesetzlichem Weg. Keiner will das Reinheitsgebot abschaffen, weil es ein Qualitätsmerkmal für deutsches Bier im Ausland sei. Selbst im Bayerischen Brauer-Bund gäbe es ein Bewusstsein dafür, so Jeff Maisel, weshalb er, der auch im Beirat des Bundes vertreten ist, eine Arbeitsgruppe gegründet hat, die sich mit einem möglichen ergänzenden „Natürlichkeitsgebot“ beschäftigen soll. Mit den Brauern diskutieren wollte das aber keiner. Ein eingeladener Vertreter vom Brauer-Bund hatte eine Woche vorher abgesagt. „Man will vor dem 23. April nichts ändern oder auch nur thematisieren, um die 500-Jahr-Feierlichkeiten nicht zu stören“, ärgert Maisel sich. Damit erreiche man von offizieller Seite genau das Gegenteil: Größtmögliche Aufmerksamkeit für die Probleme des Reinheitsgebotes. „Lange hat man sich auch darauf ausgeruht, dass Deutschland das Bierland schlechthin ist.“ Jetzt mit der Craftbier-Welle sehe das ein bisschen anders aus, der Konsument interessiere sich eben auch für die spannenden internationalen Bierstile. Daher müsse man im Sinne der Glaubwürdigkeit für das Produkt über sich selbst reden.
„Alte Bier-Kultur war Entweder-Oder“
„Die alte Bier-Kultur war Entweder-Oder. Jetzt ist es Sowohl-als-Auch“, so Jeff Maisel. Und da sei eben der Markt das Regularium. Der alte Satz seines Großvaters gelte heute immer noch: „Wir möchten Neues probieren. Und wenn wir's nicht verkaufen können, saufen wir es eben selbst!“.
Das könnte SIe auch interessieren
Oliver Wesseloh: "Brauchen ein Natürlichkeitsgebot"
Gut 600 bei "Liebesbier"-Pre-Opening
Toll, das Reinheitsgebot, aber...
Alles Lüge mit dem Reinheitsgebot? Die Franken schäumen
Was macht eigentlich ein Bier-Sommelier?
"Wir hinken mit der Vielfalt hinterher"
Hintergrund: Was ist Craftbier?
Franken-Brauerei-Führer in dritter Auflage erschienen
Maisel baut ein neues Brauhaus nur für Craftbiere
Kurz-Interview mit Jeff Maisel: "Die Aufbruchstimmung in der Branche ist regelrecht spürbar"
Maisel & Friends: "Das wird eine Ideenküche"
Quiz: Testen Sie Ihr Bier-Wissen!