Jugendkanal: "Kann funktionieren"

Guck emol: Zielgruppe! Foto: Jörg Carstensen/dpa Foto: red

Im Oktober wollen ARD und ZDF nun endlich mit dem lang geplanten "jungen Angebot" starten. Es hat noch keinen Namen. Und eigentlich auch kein richtiges Konzept. Klar ist nur, dass das Angebot rein im Internet existieren wird und zwar mit vielen Formaten auf den jeweils passenden Plattformen. Kann das funktionieren? Das sagt ein Experte: Wir haben mit Jochen Koubek, Professor für Digitale Medien an der Universität Bayreuth, gesprochen.

 
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Herr Koubek, es wurde jahrelang gestritten und gerungen um das junge Angebot. Braucht es das jetzt noch? Wenn ARD und ZDF dem Programmauftrag (Vollversorgung) im Hauptprogramm nachkämen, dann wär doch alles gut, oder?

Jochen Koubek: Der Auftrag der Grundversorgung mit Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung kann weit ausgelegt, er könnte aber sicherlich mit einem kleineren Angebot als bislang erfüllt werden.

Ist es nicht auch sinnvoller, Angebote an die junge Zielgruppe im Hauptprogramm zu machen? Früher gab es das mal, zum Beispiel mit dem Jugendmagazin „Moskito“. Das hat sich auch richtig was getraut, auch Sendungen zu Sexualität gemacht. Sind die Öffentlich-Rechtlichen inhaltlich langweiliger geworden und haben vielleicht da auch was verschlafen?

Koubek: Angebote für Jugendliche gibt es ja bereits, wenn auch nur begrenzt erfolgreich. Viele Kinder und Jugendliche verbringen inzwischen mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher. Insofern ist es konsequent, dass hier ebenfalls Angebote geschaffen werden, die auf die Sehgewohnheiten der Zielgruppe eingeht. Fraglich ist, ob das gelingt, aber dafür müsste man das Angebot erst einmal sehen. Das bislang geschaltete Blog, das sich in Organisationsfragen erschöpft, ist zumindest kein gelungener Einstieg.

Bei der Vorstellung auf der republica kam heraus, dass man knapp fünf Monate vor Start sein Zielpublikum immer noch nicht kennt. Aber egal, wie weit die ARD/-ZDF-Medienforschung da ist: Ist nicht das Problem, dass das Angebot nicht nur mit anderen Medienangeboten konkurriert, sondern generell mit Freizeitangeboten für Jugendliche und junge Menschen. Und deren Zeit ist begrenzt. Ist das überhaupt noch realistisch für die Öffentlich-Rechtlichen, hier ein konkurrenzfähiges Angebot aufzubauen, auch, wenn es nur auf das Internet beschränkt ist?

Koubek: Fünf Monate sind eine Menge Zeit. Die erfolgreichen Medienformat im Internet sind spontan, improvisiert und redaktionell gerade nicht komplett durchstrukturiert. Wenn ARD/ZDF ausreichend Mut aufbringen, wäre es theoretisch möglich, dass sie eine interessante Plattform schaffen. Ob das mit den öffentlich-rechtlichen Planungs- und Genehmigungsstrukturen tatsächlich umsetzbar ist, bleibt abzuwarten.

Kann es überhaupt funktionieren, wenn mehrere Länderanstalten für ein gemeinsames Angebot produzieren? Oder liegt hier die Chance, dass sich kleinere Sender im Verbund wie Radio Bremen ganz anders präsentieren können?

Koubek: Es hängt davon ab, wie unabhängig die Verantwortlichen arbeiten dürfen und wie gut sie die Erwartungen ihrer Zielgruppe bedienen können. Dann ist es egal, ob sie von einer oder von mehreren Länderanstalten finanziert werden. Wenn allerdings alle mitreden und -entscheiden wollen, wird es zwangsläufig ein Kompromissangebot, das letztlich niemanden zufrieden stellt.

Weiter heißt es im Konzept, das Angebot „setzt Innovationsimpulse und schafft kreative Freiräume, hier werden junge Talente entwickelt und gefördert“. Nach der Vorstellung sieht es vor allem danach aus, dass Bewegtbild und Formate von YouTubern eingekauft werden. Gleichzeitig soll alles seiner Plattform entsprechend präsentiert werden, also kurze Erklär- und Unterhaltungsfilme dann wiederum auch auf YouTube, Fotos eben auf Instagram und so weiter – ist das schlau und zielgruppengerecht oder eher schlecht, weil eben die Plattformen aus sich ihre Stars und ihre Relevanz produzieren?

Koubek: Die Nutzung digitaler Plattformen entspricht dem Vorhaben, ausschließlich im Internet zu bleiben. Die Zielgruppe definiert sich damit als alle jungen Menschen, die ihre Unterhaltungsangebote überwiegend dort suchen. Konzeptionell ist das schon stimmig, es hängt halt alles an den Inhalten. Und genau das wird sich zeigen, ob zum Youtube-Star die Aura des Unabhängigen gehört oder ob sich erfolgreiche Formate auch redaktionell durchführen lassen.

Das junge Angebot wird mit zwei Ausnahmen funktionieren, die es sonst nicht gibt bei den Öffentlich-Rechtlichen: Die Formate müssen keinen sogenannten Drei-Stufen-Test zur Veröffentlichung im Netz durchlaufen, und sie müssen nicht programmbegleitend sein, sondern sind inhaltlich eigenständig, weil es ein „Kernprogramm“ auf einer einzigen Plattform gar nicht gibt. Sollten sich ARD und ZDF nicht ohnehin in diese Richtung bewegen können, dass sie auch andere Plattformen des Netzes mit bespielen dürfen, unabhängig vom TV-Programm?

Koubek: Der oben angesprochene Grundversorgungsauftrag kann auch durch Angebote im Netz realisiert werden, ohne dass dies auf einer speziellen ÖR-Plattform geschieht. Aber Konzeptpapier ist geduldig, interessant ist, was von den Ankündigungen in welcher Form tatsächlich umgesetzt wird.

Geht es nach Zeitungsverlagen und dem Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger, dann sollte genau das im Gegenteil noch weiter eingeschränkt werden. Im Wettbewerb müssen aber alle innovativ bleiben, vor allem technisch. Wie wäre so ein Spagat zu bewerkstelligen? Brauchen wir eine Neuerung des Rundfunkstaatsvertrages?

Koubek: Die Zeitungen fürchten vor allem die Konkurrenz bei der Verbreitung von Informationen. Da würde eine öffentlich finanzierte Nachrichtenplattform den Wettbewerb sicherlich verändern. Das „junge Angebot“ setzt aber primär auf Unterhaltung, nicht auf Nachrichtensendungen. Konkurrenz besteht eher zu privaten Youtube-Kanälen, die bislang wenig Angst vor den Ankündigungen von ARD/ZDF zeigen.

Wenn das Konzept aufgeht und die Zielgruppe der jugendlichen Web-Zuschauer sich angesprochen fühlt, war es eine gute Entscheidung, die dem Versorgungsauftrag nachkommt. Wenn nicht, wird es ein weiteres fragwürdiges Nischenprogramm, das mit jährlich 45 Millionen Euro die ohnehin wenig akzeptierten Rundfunkgebühren zusätzlich belastet. Das wissen wir aber erst im nächsten Jahr.

Das Gespräch führte Kerstin Fritzsche.

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