Gemeinden blitzen auf eigene Faust

Von Thorsten Gütling
Nicht immer, wenn in einer Gemeinde im Landkreis Bayreuth geblitzt wird, steckt die Polizei dahinter. Aber warum blitzen manche Gemeinden auf eigene Faust? Und darf man das überhaupt? Foto: Oliver Berg/dpa Foto: red

Nicht jedes Mal, wenn in den Gemeinden im Landkreis geblitzt wird, steckt die Polizei dahinter. Einige Kommunen nehmen die Verkehrsüberwachung selbst in die Hand. Dafür gibt es zwei Gründe: Zeit und Geld. Aber dürfen die das überhaupt?

 
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Die Polizei kann nicht überall sein. In Gemeinden, die ohne eigene Verkehrsüberwachung auskommen, wird deutlich weniger geblitzt als in anderen. Harald Grzonka ist der Leiter für zentrale Verkehrsaufgaben bei der Verkehrspolizei Bayreuth. Er sagt: "Unsere Einheit besteht aus acht Mann und ich versuche, dass wir jeden Tag zwei raus bekommen." Das bedeutet: Zwei Geschwindigkeitskontrollen pro Tag in den Landkreisen Bayreuth und Kulmbach. Für beide ist die Verkehrspolizei Bayreuth zuständig.

Den Leuten reicht das nicht

Karl Heinz Hübner, der Verwaltungsleiter der Gemeinde Heinersreuth, sagt, den Leuten sei das zu wenig. Seit 1999 nimmt Heinersreuth die Kontrollen daher selbst in die Hand. Hübner sagt: "Mittlerweile kann ich die vielen Anfragen von Messzeiten und Messstellen gar nicht mehr erfüllen." Demnach seien es die Bürger, die vorschlagen, in welchen Straßen geblitzt werden soll. Immerhin 30 Stunden im Monat blitzt die Gemeinde jetzt. Zu Beginn waren es gerade einmal zehn Stunden.

Aufwand zu hoch

Aber Heinersreuth macht das nicht alleine. Der Verwaltungsaufwand wäre zu hoch, die Ausstattung mit juristisch belastbaren Material zu teuer. Die Gemeinde hat sich deshalb an eine andere Gemeinde gewandt. An den Markt Zapfendorf im Landkreis Bamberg. Der hatte bereits zwei Stellen geschaffen, um die Verwaltungsarbeit zu bewältigen, die bei einer Verkehrsüberwachung anfällt.

Gemeinden kooperieren

Zapfendorf kann sich das aber auch nur leisten, weil es die Arbeit für andere Gemeinden mit macht und diese dafür bezahlen. Mittlerweile macht Zapfendorf das für 13 weitere Gemeinden, darunter Heinersreuth und Creußen im Landkreis Bayreuth. 76.000 Euro hat Heinersreuth im vergangenen Jahr dafür ausgegeben, aber auch 100.000 Euro durch Knöllchen eingenommen.

Aus Hamburg nach Heinersreuth?

Das Geld, das Heinersreuth nach Zapfendorf überweist, fließt aber nicht ausschließlich in den Verwaltungsapparat. Zapfendorf beschäftigt zwei Unternehmen mit der Durchführung der Verkehrskontrolle - eines für den fließenden und eines für den ruhenden Verkehr. Eines mit Sitz in Hamburg und eines mit Sitz in Mühldorf am Inn. Beide Unternehmen werden pro Stunde bezahlt.

130 Euro Stundenlohn

Eine Stunde Geschwindigkeitsmessung kostet Heinersreuth beispielsweise 130 Euro. Aber aus Hamburg angereist kommt dafür niemand. Die Unternehmen unterhalten Mitarbeiter in der Region, die stundenweise an die Gemeinden ausgeliehen werden. Das müssen sie, weil die Verkehrsüberwachung in Deutschland nicht privatisiert werden darf. Die Verkehrskontrolle zählt zur Kontrolle der öffentlichen Sicherheit und die obliegt dem Staat. Kontrollieren dürfen neben dem Staat nur Kommunen und Verwaltungsgemeinschaften. Und dafür muss jede einzelne Messstelle zuvor von der Polizei genehmigt werden.

Zapfendorf oder Marktleuthen

Nicht jede Gemeinde im Kreis, die blitzen will, macht das mit Hilfe Zapfendorfs. Die Fichtelgebirgsgemeinden Bischofsgrün, Bad Berneck und Goldkronach machen das zusammen mit dem Markt Marktleuthen im Landkreis Wunsiedel. Auch dort hat man eine Stelle in der Verwaltung geschaffen, um das zu organisieren. Die technische Umsetzung übernehmen die gleichen Unternehmen wie in Zapfendorf. Allerdings verdienen die Gemeinden hier nicht an der Überwachung. Dafür kostet es sie aber auch nichts. Das Risiko trägt der Markt Marktleuthen.

Keine Einnahmen, trotzdem Vorteile

Bad Bernecks Bürgermeister Jürgen Zinnert sagt, dass die Stadt auch ohne Einnahmen einen großen Nutzen von der Blitzerei habe: Weil sie eine genaue Auswertung des Fahrzeugsaufkommens und der festgestellten Verstöße geliefert bekomme. Beides wichtig für die Verkehrsplanung der Stadt.

Und Zinnert nennt noch ein Argument: "Wir können unseren Bürgern glaubhaft vermitteln, dass wir die Verkehrsüberwachung nicht deshalb erfunden haben, um das Stadtsäckel zu füllen." In Heinersreuth sagt Verwaltungsleiter Karl Heinz Hübner: "Diesen Vorwurf hören wir leider häufiger."

"Abzocke"

Auch Grzonka, der Chef der Blitzer bei der Polizei, spricht bei einigen Messstellen von "Abzocke" und "fiskalischen Messungen". Der Grund: Die Gemeinden seien bei der Auswahl eben weniger kritisch. Die Polizei konzentriere sich auf gefährliche Stellen, die Gemeinden darauf, wo die Bürger es am meisten wünschten. "Beschwerdemessungen", nennt Grzonka das, und ohne erkennbare Gefährdungslage zu blitzen entspreche eben nicht den Vorgaben der Polizei. Genehmigt werden solche Messstellen trotzdem. Solange sie so aufgestellt sind, dass die Messergebnisse vor Gericht  verwertbar sind.

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