Fakten gegen Hitlers Hirngespinste

Von Michael Weiser
Winifred Wagner empfängt Hitler zur Lohengrin-Premiere am Eingang des Festspielhauses,25.07.1936. Auch die Hügel-Chefin hatte Papier nach Landsberg geschickt, damit der verhinderte Putschist dort "Mein Kampf" schreiben konnte. Foto: Archiv Foto: red

Nun ist Hitlers "Mein Kampf" wieder im Handel,  70 Jahre nach Hitlers Selbstmord ist die Schutzfrist abgelaufen. Allerdings in einer kritischen, von Historikern genauestens kommentierten Fassung. Gefährlich oder notwendig?

 
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Er ist wieder da. Kürzlich hat er in den Kinos vorbeigeschaut, jetzt ist Adolf Hitler auch in Buchhandlungen wieder zu finden. „Mein Kampf“, die gefährlichste Hetzschrift des 20. Jahrhunderts, ist nun wieder frei erhältlich. Zwar kritisch kommentiert – aber dennoch: Hitler im Original, im Wortlaut der ersten Auflage. Darf das sein? Muss das sein?

Der Bann war ohnehin schon durchlöchert

Ja, es darf sein. Rein juristisch gesehen schon deswegen, weil 70 Jahre nach dem Selbstmord des Massenmörders die rechtlichen Möglichkeiten erloschen sind, die Verbreitung des Machwerks wirkungsvoll zu unterbinden. Der Bann war ohnehin schon vor Ablauf der Frist durchlöchert. Es war nicht weiter schwierig, sich den Originaltext aus dem Internet herunterzuladen. Und wer wollte, konnte das Buch auch im Antiquariat erstehen. Schon 1979 hatte der Bundesgerichtshof den Kauf und Besitz von antiquarischen Exemplaren von „Mein Kampf“ für straffrei erklärt. Das Buch sei älter als die Bundesrepublik, älter auch als die demokratische Ordnung Deutschlands, mithin seien die alten Schinken nicht als Angriff gegen die Bundesrepublik und ihre Ordnung zu werten. Freilich machten sich nicht nur Historiker über das Werk her, auch bei Neonazis erfreute sich das Buch großen Zuspruchs. Als Fetisch, dessen Anziehungskraft durch das Verbot noch gesteigert wurde. Es ist nun einmal nichts interessanter als der Inhalt eines Giftschranks.

Das IfZ kommt Missbrauch zuvor

Aber: Muss die neue Ausgabe sein? Sagen wir es so: Die Neuedition, verantwortet vom hoch angesehenen Institut für Zeitgeschichte, schließt für Historiker und interessierte Laien Lücken. Wie dachte Hitler, woher stammen seine kruden Thesen, wie stilisierte er, der „namenlose Gefreite“ des Ersten Weltkriegs, sich zum „Führer“? Wo kaschiert, vereinfacht, lügt er? Es sind Fachleute von hohem Ruf, die diese Fragen beantworten. Sie haben Hitlers Text mit Fußnoten umstellt, sie nehmen ihn auseinander, demaskieren ihn dadurch auch. So viel kann man schon nach Stichproben sagen: Hitlers Argumentation verträgt Fakten nicht. Das IfZ kommt Missbrauch zuvor. Es will nicht auf die Feuerwehr warten, lieber macht es zuvor schon auf Brandsätze im Buchstabensalat aufmerksam. Das ist ein Gebot der Vernunft.

Wir tun was gegen Nazis. Ist das so?

Warum aber verabschiedete sich der Freistaat dann aus dem Projekt der Neuveröffentlichung? Vordergründig aus Rücksicht auf Überlebende des Nazi-Terrors. Muss man diese Begründung ernst nehmen? Nicht unbedingt. Eher war es so, dass Ministerpräsident Seehofer ein Signal aussenden wollte. Ein plakatives Signal: Seht her, wir tun was gegen Nazis. Ist ja auch einfacher, als sich mit dem neuen Rassismus auseinanderzusetzen, mit dem neuen Hass, den auch manche CSU-Politiker mit manchen ihrer Äußerungen nicht unbedingt gedämpft haben. Die Pegida-Aufmärsche mit ihren perfiden Parolen sind eine Beleidigung für die NS-Opfer, nicht diese wissenschaftliche Arbeit. Das Buch Hitlers, sperrig und verstaubt wie es ist, wird keinen Schaden mehr anrichten. Anders als manche Brandstifter heutiger Tage.

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