Angeklagt ist eine 59-jährige Frau aus einem Bindlacher Ortsteil. Das Opfer soll ihre Schwiegermutter sein, die heute 89 Jahre alt ist.
In tiefe Familienabgründe muss das Bayreuther Schwurgericht seit Dienstag hinabsteigen. In dem Fall ging es anfangs um mögliche Erbschleicherei. Nun steht der Vorwurf des versuchten Totschlags im Raum, begangen an einer Greisin.
Angeklagt ist eine 59-jährige Frau aus einem Bindlacher Ortsteil. Das Opfer soll ihre Schwiegermutter sein, die heute 89 Jahre alt ist.
Der Schwurgerichtsprozess hat eine ungewöhnliche Vorgeschichte, die zunächst nichts mit Strafrecht zu tun hatte: Im März 2017 stritten Schwiegertochter und Schwiegermutter vor einer Zivilkammer des Landgerichts um eine Geldrente, die die Schwiegertochter der ins Altenheim gezogenen Schwiegermutter zahlen sollte. Bei diesem Prozess erzählte die Greisin, ihre Schwiegertochter habe sie im Frühjahr 2015 zu Boden gebracht, ihr ein Kissen auf das Gesicht gedrückt und geäußert „Stirb endlich“.
Die Aussage der alten Frau wurde vom Zivilrichter an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, denn durch die Schilderung ergab sich der Verdacht einer Straftat.
Doch welcher Straftat? Die Anklagebehörde ging zunächst davon aus, dass die Schwiegertochter „nur“ eine gefährliche Körperverletzung begangen haben könnte, weil theoretisch davon auszugehen sei, dass eine Greisin mit dem geschilderten Tatvorgang leicht zu töten sei. Die Staatsanwaltschaft nahm einen strafbefreienden Rücktritt vom Tötungsversuch an.
Im Prozess beim Schöffengericht im Dezember 2017 aber ergab sich eine andere mögliche Tatvariante, so dass das Schöffengericht damals den Fall an das Schwurgericht abgab.
Und hier gab es erneut die Aussage, die für den Vorwurf des versuchten Totschlags die Ursache und somit für die Zuständigkeit des Schwurgerichts gewesen war. Die nunmehr 89-jährige Schwiegermutter sagte aus, ihre Schwiegertochter habe sie umgeworfen, so dass sie auf dem Rücken zu liegen kam, habe sich dann auf ihre Brust gekniet und ihr ein Kissen aufs Gesicht gedrückt. Sie habe, weil das Kissen so klein war, ihren Kopf hin- und herwerfen können und sich mit letzter Kraft aufgebäumt: „Wir waren alle beide abgekämpft.“ Nachher habe die Schwiegertochter gesagt: „ich hätte nie gedacht, dass du noch eine solche Kraft hast.“
Die Angeklagte, die von den Anwälten Johannes Driendl und Wolfgang Schwemmer verteidigt wird, bestreitet die Tatvorwürfe. In ihrer Einlassung lässt sie anklingen, dass die Familie, in die sie als Geschiedene im Mai 2010 hineingeheiratet hatte, ein Komplott gegen sie schmiede.
Der Grund: Zunächst habe ihr im November 2014 verstorbener zweiter Ehemann, der Sohn der 89-Jährigen, sie als seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt und Anfang 2015 habe die Schwiegermutter ebenfalls ein Testament zu ihren Gunsten verfasst. Die Theorie der Angeklagten: Die Greisin werde manipuliert, um ihr wieder das Geld abzujagen.
Im Prozess wurde offenbar, dass es dabei nicht um Millionen geht, sondern etwa um Benzingeld, das die Angeklagte vom Konto ihrer Schwiegermutter abbuchte. Oder um Autoversicherungen, die vom Geld der Schwiegermutter bezahlt wurden. Die Angeklagte beteuerte, sie habe sich als einzige um die alte Frau gekümmert, auf Antrag der Verteidigung sagten am Dienstag Zeugen aus, dass dies so gewesen sei. Dass die Angeklagte ihrer Mutter regelmäßig Essen gekocht und sie zum Arzt gefahren habe. Ein Zeuge, ein Pfarrer, berichtete, die Angeklagte habe „viel“ für ihre Schwiegermutter getan. Für den Pfarrer sind die Vorwürfe gegen die 59-Jährige „nicht vorstellbar“: „Sie hat einen großen Fehler, sie steckt zu viel ein, aber sie kann nicht austeilen.“
Doch die Angeklagte wird durch eine Nachbarin schwer belastet. Diese, die seit 40 Jahren neben der Greisin wohnte, sah eines Tages im Frühjahr 2015, dass die alte Frau eine aufgeschürfte Nase hatte. Zunächst habe sie ihr erzählt, sie habe sich die Nase an der Hauswand angeschlagen, ihr aber später eine andere Geschichte erzählt: Nämlich die von dem Überfall der Schwiegertochter und dass ihre Nase von dem rauen Kissenbezug aufgeschürft worden sei, als sie – sozusagen im Überlebenskampf – den Kopf hin- und her warf. Die Zeugin zitierte die Greisin: „Sie sagte, sie habe gedacht, nun sei es aus mit ihr.“
Der Prozess wird fortgesetzt.