Ein "Holländer", der überzeugt

Von Florian Zinnecker

Manchmal stimmt eben alles, oder wenigstens ziemlich viel. Auch wenn gar nicht mehr damit zu rechnen war: "Der fliegende Holländer" wird bei den Festspielen 2016 zu einem kleinen Überraschungserfolg. Auch wegen eines spät angeheuerten Wanderers.

 
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Über diesen „Fliegenden Holländer“ schien schon alles gesagt. Musikalisch war die Produktion zuletzt eher uninspiriert geblieben; szenisch voller Ehrgeiz, aber harmlos. Nur unter den Sängern waren einige herausragende Neuentdeckungen. So ging es von Jahr zu Jahr; besser, man erwartete sich nicht allzu viel. Aber das fiel auch nicht schwer.

Bis jetzt.

Denn in seiner fünften Spielzeit zeigt sich der „Holländer“ auf einmal überragend gut in Form. Und das liegt vor allem am Sänger der Titelpartie.

Ein glücklicher Wechsel

Thomas J. Mayer wäre in dieser Saison eigentlich als Wanderer im „Siegfried“ besetzt gewesen und hatte dann mit dem geplanten Holländer John Lundgren aus Termingründen die Partien getauscht. Ein Glücksfall. Mayer bringt stimmlich und darstellerisch ein gutes Maß an Rauheit und gelebtes Leben mit, das der Rolle nicht nur gut steht, sondern zuletzt auch sehr gefehlt hatte. Zumal die Holländer-Figur in der Inszenierung Jan Philipp Glogers beinahe aller Insignien der dunklen Macht entbehrt - kostümiert als Geschäftsmann im Anzug, optisch leicht degeneriert und emotional vertrocknet. Und deshalm muss das in der Partitur vorgeschriebene Geisterschiff mit blutroten Segeln, wenn nicht über die Szene, dann eben auf anderen Wegen in die Inszenierung finden.

Und bei Mayer ist es da: in seinem schwarzen und gut angerauten, nur selten angestrengt klingenden Bariton. Und tatsächlich auch in seinem Blick, in den Bewegungen: Der Holländer ist, nach einigen Festspielzeiten als Telramund im „Lohengrin“, Mayers mit Abstand stärkste Bayreuther Leistung.

Dabei stand eigentlich ein anderer Sänger an diesem Abend viel mehr im Zentrum des Interesses: Andreas Schager, der im nächsten Jahr als Parsifal zu hören sein wird, der sich nun als Erik aber keineswegs schonte und spielend souverän zeigte, welche Farbe  - und welche Wucht - in seiner Stimme steckt.

Verschlagen, aber schöne Stimme

Das übrige Ensemble steht dem in nichts nach: Peter Rose als verschlagener, stimmschön auftretender Daland, Benjamin Bruns als hervorragender Steuermann, Nadine Weißmann als kurzfristig eingesprungene Mary, die selbst als Einspringerin in kleiner Rolle vorführt, dass es gar nicht so viel stimmliche Gewalt braucht, um sich in Bayreuth das Orchester untertan zu machen.

Die Senta ist Ricarda Merbeth, bei ihr nun lagen die Erwartungen durchaus hoch, denn schon in den Vorjahren brachte sie diese Partie nicht nur spielerisch, sondern mit schlankem, warmen und hundertprozentig sicher geführten Sopran auch spielend sängerisch zum Leuchten.

Die Rückkehr des Holländers

Und die Musiker des Festspielorchesters stellten erneut unter Beweis, dass sie als Ensemble in der Lage sind, dem Willen des Dirigenten vorbehaltlos zu folgen. Axel Kober setzt am Pult den Gegenpart zum feinen, nüchternen „Parsifal“ und dem schnellen, wendigen, vielfarbigen „Ring“ - sein „Holländer“ setzt nicht auf Tempo, sondern auf Gewicht, auf die volle Spurbreite der Musik, allerdings selten mit so viel innerer Spannung wie diesmal. Ein gutes, gar nicht so überflüssiges Gegengewicht zu den Witzchen, die Jan Philipp Gloger auf der Bühne dem ungesunden Glück zwischen Senta und dem Holländer entgegenstellt.

Nächstes Jahr wird der „Holländer“ nicht auf dem Spielplan stehen, 2018 kehrt die Produktion noch einmal zurück. Auch für dieses Jahr scheinen, obwohl offiziell ausverkauft, den vielen freien Plätzen nach durchaus noch Chancen auf Karten zu bestehen.

Vielleicht liegt es ja daran, dass der "Holländer" diesmal als einzige Produktion ganz und gar ohne nach außen getragene Aufgeregtheiten ablief: Manchmal stimmt eben alles, oder zumindest vieles.  Manchmal auch dort, wo am wenigsten damit zu rechnen gewesen war.

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