Ehrenbürger: Hitler ist raus

Von

Die Vergangenheit hat Marktschorgast in diesen Tagen einige unfreiwillige Schlagzeilen beschert. Am Donnerstag distanzierte sich der Gemeinderat des Marktes ausdrücklich von seinen unrühmlichen Ehrenbürgern Paul von Hindenburg, Adolf Hitler, Hans Schemm und Nikolaus Brückner.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Der letzte Reichspräsident der Weimarer Republik, der Hitler zur Macht verhalf, der Reichskanzler und Diktator selbst und der NSDAP-Gauleiter und spätere Kultusminister Schemm: Sie alle wurden im März beziehungsweise Mai des Jahres 1933 zu Ehrenbürgern der Gemeinde. Wie dies damals auch in vielen anderen Kommunen in Deutschland und Österreich geschah.

Mit dem Tode erloschen

Die Ehrenbürgerwürde wird auf Lebenszeit verliehen und erschlischt mit dem Tode. Darauf beriefen sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wenige Kommunen. Andere jedoch sahen es als ihre Pflicht an, sich von den ehemaligen Ehrenbürgern postum zu distanzieren. In Marktschorgast war dies bis zum 12. Januar, dem Tag der Gemeinderatssitzung, nicht geschehen.

Zufällige Entdeckung

Im Januar 2014 wies Ulrich Pohl aus Halstenbek in Schleswig-Holstein die Gemeinde auf die fragwürdigen Ehrenmänner hin: Im Ehrenbürgerverzeichnis, das nach Wikipedia zwölf Personen umfasst, würden noch historisch vorbelastete Personen und Nationalsozialisten stehen. Dem ehemaligen Lehrer und NSDAPler Brückner (1890-1976) wurde die Ehrenbürgerwürde sogar erst am 14. Januar 1955 verliehen. Pohl, von 1947 bis 1957 in Marktschorgast aufgewachsen, hatte das mehr oder weniger zufällig entdeckt.

Sorgfältige Aufarbeitung

Als bekannt wurde, dass sich die Gemeinde am Donnerstag damit befassen wird, erlebte Bürgermeister Hans Tischhöfer (Freie Wähler) einen ungeahnten medialen Ansturm. Radio- und Fernsehsender riefen bei ihm, Agenturen baten um eine Stellungnahme. „Es ging ganz schön turbulent zu“, sagte Tischhöfer in der Sitzung. Doch die Gemeinde habe „sorgfältig gearbeitet“ und die Fraktionen seien sich einig: „Eine Distanzierung in aller Form ist rechtlich der richtige Schritt.“

Verurteilte Kriegsverbrecher verwirken Ehrenbürgerrecht

Laut Satzung kann eine Ehrung wegen „unwürdigen Verhaltens“ widerrufen werden. Eine Direktive des Alliierten Kontrollrats ordnete den Verlust des Ehrenbürgerrechts für Kriegsverbrecher an. Nur: Hitler wurde nie als solcher verurteilt. Der Gemeindetag, bei dem Marktschorgast um eine Stellungnahme gebeten hatte, erklärte, ein Widerruf einer Ehrenbürgerwürde nach dem Tod sei nicht möglich. Wilfried Schober empfahl jedoch, sich vom damaligen Beschluss eindeutig zu distanzieren: „Damit macht man klar, dass so etwas heute nicht mehr infrage käme.“

Drei Jahre Klärungsbedarf

Die Fraktionen des Gemeinderats berieten im Oktober 2014 über den Sachverhalt. Bei Hitler und Schemm waren sie sich einig, bei Hindenburg und Brückner sahen sie noch Klärungsbedarf. Inzwischen kamen sie zu dem Schluss: Hindenburg hat Hitler zum Kanzler gemacht, hätte dies jedoch nicht zwingend tun müssen. Über Brückner erkundigte sich die Gemeinde beim Staatsarchiv Coburg und bat um Einsicht in die Entnazifizierungsakte. Nach dem Spruchkammerverfahren vom 1. März 1938 ist Brückner als Mitläufer eingestuft worden. Als „Sühne“ hatte er 200 Reichsmark zu zahlen. „In Anbetracht der Entwicklung rechtsextremistischer Aktivitäten, aber auch als Zeichen gegen jede Art nationalsozialistischer Tendenzen und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sollte sich der Marktgemeinderat ausdrücklich vom Würdigungs-Beschluss vom 14. Januar 1955 distanzieren“, las Tischhöfer die Beschlussvorlage vor.

Resolution verabschiedet

Im November 2016 kamen die Fraktionen zu dem Ergebnis „in Erinnerung an die Opfer, die Standhaftigkeit, den Mut und das Leid der Verfolgten und all derer, die Widerstand geleistet haben“ und „zur Bewahrung der Menschenwürde“ distanziere sich die Gemeinde von den vier Ehrenbürgern nachdrücklich. Auch hierzu verlas der Bürgermeister eine gemeinsame Resolution. Einstimmig stimmten die Gemeinderäte (zwei der SPD, je vier von CSU und FW) und Tischhöfer dafür. Einziger lebender Ehrenbürger von Marktschorgast ist übrigens Hans F. Cordts, der Sohn des Gründers von Vitrulan.

Info: In vielen deutschen und österreichischen Städten und Gemeinden war Adolf Hitler Ehrenbürger. Sehr früh verlieh ihm zum Beispiel die Stadt Coburg die Ehrenbürgerwürde, bereits am 26. Februar 1932. Im Jahr 1946 wurde sie ihm aberkannt. In Kulmbach geschah dies bereits Ende 1945. Bayreuth machte Hitler am 23. März 1933 zum Ehrenbürger; distanziert hatte sich der Stadtrat davon erst 1988. Offiziell aberkannt wurde das Ehrenbürgerrecht für Hitler erst 2013. Deutschlandweit entscheiden sich immer wieder Kommunen zu dem Schritt: in Bayern etwa Schwabach (1999) und Tegernsee (2016).

Lesen Sie zum Thema auch: Pottenstein ehrt Nazi-Bürgermeister

Autor

Bilder