2. Franken-Tatort: Vom Trauern und Warten

Von Kerstin Fritzsche
Die Kommissare Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabina Hinrichs) sind anfangs bei ihrem zweiten Fall "as Recht, sich zu sorgen" ratlos. Der Hauptverdächtige ist versschwunden. Und dann kommen noch zwei andere "Sorgen" hinzu. Foto: Bayerischer Rundfunk Foto: red

Der erste Franken-"Tatort" letztes Jahr im April war einer der erfolgreichsten ARD-Sonntagabend-Krimis 2015. 12,11 Millionen Zuschauer sahen Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) zu, wie sie ihren ersten Fall lösten. Am kommenden Sonntag (22.) wird der zweite "Franggn-Dadord" "Das Recht, sich zu sorgen" ausgestrahlt. Die Zuschauer erwarten engagierte Studenten, Professorinnen, die sich mit falschen Federn schmücken, eine verliebte Kommissarin und gleich drei Fälle zwischen Nürnberg und Würzburg, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen.

 
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"Bassd scho"-Mentalität: Lakonisch, unaufgeregt, witzig erst beim zweiten Hinhören – so typisch fränkisch halt wurde das neue Team mit seinem ersten Fall "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" im vergangenen Jahr in den ARD-"Tatort"-Kosmos eingeführt. Aber auch schon beim ersten BR-Nordbayern-Krimi war klar: In dieser Landschaft, in dieser Bevölkerung steckt noch mehr. Es menschelte sehr stark, es wurde melancholisch, gar in Ansätzen gesellschaftskritisch. 

Karg, bedürftig und arm kann auch die Seele sein

Einsame und arme Menschen leben in Nordbayern - egal, wie viel Familie und Freunde sie um sich haben, egal, wie voll ihr Konto ist, wie reich an Erfahrungen und Abenteuern ihr Leben auch sein mag. Karg und düster kann es sein, auch wenn die Landschaft schön ist. Der zweite Franken-"Tatort" führt diese Linie konsequent fort. Bringt Kommissare und potenzielle Täter zum Philosophieren. "Ich mag den Wald. Mocht ich früher nicht", sagt der aus dem Norden zugezogene Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) in den ersten Minuten während der Fahrt zum Tatort im Nürnberger Land zu seiner Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel).

"Wenn es da eine Verbindung gäbe: Je schöner die Landschaft, desto weniger bringen sich die Menschen um." "Is aber nicht so", gibt Ringelhahn mit ihrer DDR-Unterdrückungs-Vergangenheit nur knapp zurück.

Scheitern an Gesellschaft und sich selbst

Denn im Osten wie im Norden gilt dasselbe wie im Süden: Es kann noch so schön sein, wenn der Mensch irgendwie darbt, ist's alles nichts. Dieses Darben aka sich sorgen aka warten und trauern wird in "Das Recht, sich zu sorgen" gleich dreifach erzählt. Im Nürnberger Land liegt in einem Gasthaus die erwürgte Wirtin. Sie wird von ihrer Tochter gefunden. Verdächtig ist der Ehemann und Vater, der sich in den Wald hinaus aus dem Staub gemacht hat. "Hier sind wenig Leute, die wenig saufen", fasst Spurensicherer Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) die Situation gewohnt präzise zusammen.

Trinken konnten nur noch die Wirtsleute selbst. Auch die von Voss gefundene, stark bekritzelte Ausgabe von E.T.A. Hoffmanns Anti-Romantik-Roman "Lebensansichten des Katers Murr" ist auch nur ein weiteres Zeichen, dass der Gastwirt vor allem an sich selbst gescheitert ist, an den eigenen Ansprüchen, gesellschaftlichen Zwängen und im Wunsch, ein anderer zu sein, vermutlich ein genialer Künstler. Und so wird aus Zynismus der Untergang der eigenen Existenz. Aber schön, so schön ruht der Wald.

Wenn Persönliches zwischen Aktendeckeln untergeht

Trostlosigkeit anderer Art in Nürnberg, direkt vor dem Präsidium. Eine Frau will, dass die Polizei ihren Sohn sucht. Sie vermisst ihn seit drei Monaten, sicherlich ist ihm etwas zugestoßen. Die meisten Kollegen kennen die Frau schon und winken ab. Die habe gar keinen Sohn. "Aber es sagt sich so leicht, 'Mach dir keine Sorgen'", findet Ringelhahn und nimmt sich der Frau an, als diese anfängt, auf dem Platz vor der Tür zu zelten. In der Großstadt hat sonst keiner mehr Zeit für den anderen, für Persönliches, wenn nur Fakten zählen. Das wiederum versetzt Ringelhahn in Sorge.

Führungsmethoden-Wechsel, amerikanisch

"Nicht nur das Schönste ist im Körper des Menschen. Sondern auch das Furchtbarste" - so bringt der Assistent am Institut für Pathologie in Würzburg es auf den Punkt. Denn dort wird, Fall Nummer drei, ein Schädel gefunden, der nicht zu den restlichen Knochen passt. "Kenn ich", kommentiert Ringelhahn wieder mal trocken. "So fühlt sich Kater an." Widerwillig ermitteln sie und Voss auf Wunsch des wie auch schon im ersten Fall heftig mauschelnden, leicht cholerischen Polizeipräsidenten, der die Institutsleiterin kennt und sich für den Preis eines Rastplatz-Schnitzels gerne einspannen lässt - was er seinen Leuten bei einer Pizza als "Führungsmethoden-Wechsel, amerikanisch" verkauft. Und tatsächlich bergen nicht nur Knochen und Körper dunkle Geheimnisse, sondern auch die anderen Mitarbeiter haben welche.

Man könnte sich sorgen

Schwer und zäh könnte das alles sein und ein dunkles Licht auf Franken werfen. Außerdem regnet es viel. Aber Beate Langmaack hat dem Drehbuch den nötigen (fränkischen) Witz erhalten und der Geschichte zwischendrin Leichtigkeit verpasst, indem etwa Kommissarin Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) eine Liebelei haben darf. Und die Fußstapfen von Max Färberböck aus Teil eins waren für den diesmaligen Regisseur Andreas Senn keineswegs zu groß. Behände ist er in sie geschlüpft und führt den Franken-"Tatort" zwischen Lokalkolorit und Welt-Wissenschaft mit sanften Bildern stimmig weiter. Einziges Manko: So ein großes Team und gleich drei Fälle lassen keine Zeit für die Weiterentwicklung der Protagonisten. Aber es soll ja auch weitergehen, mit Nordbayern. Man könnte sich sorgen. Muss man aber echt nicht.

Den Trailer und mehr gibt es hier.

Public Viewing zum "Tatort" gibt es in Bayreuth im Kraftraum und in Pegnitz im Biergarten am Schlossberg. Von dort aus tickern wir auch live zum "Dadord". Über Social Media und über die Kommentare könnt auch ihr live mit dabei sein.

 

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