Zwangsarbeit: Archiv will Akten nicht

Von Peter Engelbrecht
Ein Teil der Krankenakten im Archiv der AOK Pegnitz, darunter sollen Tausende Dokumente von Zwangsarbeitern sein. Foto: Ralf Münch/Archiv Foto: red

Es schien eine kleine Sensation: Im Keller der AOK-Geschäftsstelle Pegnitz lagern vermutlich einige Tausend Karteikarten von früheren Zwangsarbeitern, die während des Zweiten Weltkrieges in der Stadt und im Landkreis Pegnitz schuften mussten. Doch das Staatsarchiv Bamberg will die Dokumente nicht übernehmen.

 
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Archivleiter Stefan Nöth hatte die Registratur der AOK in Pegnitz besichtigt. „Ich habe festgestellt, dass die Akten vom Staatsarchiv nicht übernommen werden können, da sie nach dem Alphabet von etwa 1880 bis 1980 angelegt sind und nicht wie bei der AOK Bamberg nach Jahrgängen“, erläuterte er.

Die AOK habe zugesichert, dass die Dokumente, die teilweise noch gebraucht würden, nicht vernichtet werden. Im Staatsarchiv befinden sich bereits 28 laufende Meter Krankenakten der AOK Bamberg nach Jahrgängen sortiert. Für Nöth sind die Karten 1933 bis 1946 wichtig.

Kein Personal zum Sortieren

Er habe kein Personal, die entsprechenden Jahrgänge herauszusortieren, erklärte Nöth. Offenbar habe jede AOK ihr eigenes Ablagesystem. „Für die historische Forschung sind die Akten nur dann wertvoll, wenn sie nach Jahrgängen geordnet sind“, betonte er.

Marko Ahrens, Pressesprecher der AOK-Direktion Bayreuth-Kulmbach, sagte, wenn das Staatsarchiv die Akten nicht anfordere, blieben sie im Keller. Er sprach von Mitglieder- und Leistungsakten, die alphabetisch geordnet seien. Darunter befänden sich auch Karteikarten von Zwangsarbeitern.

Enkeltochter forschte hartnäckig

Dass deren Existenz überhaupt bekannt wurde, ist der Hartnäckigkeit von Erika Kalkofen-Frahne aus Dortmund zu verdanken. Sie hatte bei der Suche nach Unterlagen über ihrem Großvater Franz Frank, der aus politischen Gründen ab 1943 Zwangsarbeiter im Metallwerk Creußen war, herausgefunden, dass im Keller der AOK offenbar noch Akten lagern.

Die Krankenkasse hatte ursprünglich mitgeteilt, es seien keine mehr vorhanden, die gesetzliche Aufbewahrungsfrist sei verstrichen. Dies wiederum brachte Nöth auf die Spur, der eine Bestandsübersicht verlangte und die Unterlagen jüngst in Augenschein nahm. Auf Franz Frank gibt es offenbar keine Hinweise.

"Traurig und enttäuscht"

Kalkofen-Frahne zeigte sich „traurig und enttäuscht“ von der Nachricht Nöths, die Unterlagen nicht zu übernehmen. Bei der AOK könne kein Nachfahre Einsicht nehmen, beim Staatsarchiv hingegen schon. „Die Nachkommen werden um Antworten gebracht“, bedauerte die Enkeltochter. Der Selber

Historiker: 33.090 Zwangsarbeiter in Oberfranken

Historiker Albrecht Bald hatte 2008 das Buch „Zwangsarbeiter in Oberfranken 1939-1945“ geschrieben. Mit Hilfe von Archivunterlagen erfasste er die Zahlen der Zwangsarbeiter vom September 1944: Demnach gab es in Oberfranken mindestens 33.090 davon, sie arbeiteten hauptsächlich in der Landwirtschaft, im Bergbau sowie in der Metallindustrie.

Die Zahl der Zwangsarbeiter im Landkreis Pegnitz bezifferte Bald auf mindestens 1086, in der Stadt Bayreuth auf mindestens 1431 und im Landkreis Bayreuth auf mindestens 1087. Zahlen, die vermutlich zu gering gegriffen sind, denn laut Unterlagen im Staatsarchiv summierte die AOK Pegnitz nach Kriegsende die Zahl von Militär- und Zivilpersonen der Vereinten Nationen und alle anderen Ausländer auf 1740.

Die größten Betriebe im Landkreis Pegnitz, die Zwangsarbeiter beschäftigten, waren laut Albrecht Bald das Metallwerk Creußen und die Amag-Hilpert-Pegnitzhütte. In der Stadt Bayreuth waren dies Siemens-Schuckert und das Eisenwerk Hensel sowie im Landkreis Bayreuth Rosenthal in Fichtelberg.

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