Zum Tod von Herbert Scherer

Von Hans-Jochen Schauer
Er war nicht nur in Pegnitz aktiv: Im April 2015 sprach Herbert Scherer in der Stadtkirche Bayreuth zum Thema „70 Jahre Kriegsende“. Die Geschichte war sein Metier, weit über das lokale Geschehen hinaus. Foto: Archiv/Andreas Harbach Foto: red

Herbert Scherer ist tot. Der Mann, der Pegnitz in den vergangenen Jahrzehnten vor allem auf dem Bildungssektor und im kulturellem Bereich geprägt hat wie kein zweiter, starb in der Nacht zum Freitag im Alter von 89 Jahren.

 
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Der schlanke Mann mit dem charakteristischen Schnauzbart war ein umtriebiger Geist, einer der etwas bewegen und verbessern wollte, der sich einsetzte und einmischte, wenn er es für wichtig hielt, der Neuem aufgeschlossen gegenüberstand und es verstand, andere Leute von seinen Ideen zu überzeugen.

Er musste früh anpacken

Der am 3. März 1929 in Bayreuth geborene Scherer machte sein Abitur 1948 an der Oberrealschule Bayreuth, als Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern lag. In den Nachkriegsjahren musste er als junger Mann mit anpacken und Geld fürs Elternhaus verdienen.

Vom Studieren sprach damals niemand. Er klaubte Kartoffeln von den Feldern, hackte Rüben, arbeitete als Dachdecker, sammelte erste Erfahrungen im Journalismus bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung in Essen, half in einem Korkwarenbetrieb und arbeitete in einer Baumwollspinnerei.

Diese Jahre haben ihn geprägt

Diese Jahre prägten ihn, weil sie ihm die sozialen Unterschiede erkennen ließen, aber auch den Wert handwerklicher Arbeit. „Wir Lehrer wissen immer ganz gut, wie alles zu funktionieren hat. Da ist es schon sehr hilfreich, einmal in die Praxis geschnuppert zu haben“, sagt er einmal im Gespräch mit dem Nordbayerischen Kurier.

Bewusst für Neudorf entschieden

Für ihn wurde Pegnitz schnell zur neuen Heimat, nachdem er 1973 hier seine Stelle als Leiter des Gymnasiums Pegnitz mit Schülerheim antrat. Bewusst entschied er sich mit Ehefrau Eva für Neudorf als Wohnort. Die Nähe zu seiner Geburtsstadt Bayreuth und die „lichte Landschaft“ waren dabei ausschlaggebend. Dort bauten sie ein Haus, in dem sie auch ihre drei Töchter aufzogen.

Viel in Ecuador bewirkt

Mit ihnen war er aus Ecuador nach Deutschland zurückgekehrt. In dem südamerikanischen Land war er acht Jahre als Pädagoge mit besonderem sozialem Engagement tätig. Dort leitete er die deutsche Schule in Guayaquil. Der Staat Ecuador ehrte ihn mit dem Nationalen Verdienstorden.

Auch Chinesisch

Wieder in Franken begann er schnell am Profil des Gymnasiums Pegnitz zu feilen, es zu öffnen und zu internationalisieren. Auf seine Initiative hin wurde das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasiums um einen neusprachlichen Zweig erweitert. Zu den obligatorischen Fremdsprachen Englisch, Französisch und Latein kamen Italienisch und Chinesisch hinzu.

Ein Freund der Partnerschaften

Ein weiteres Anliegen war ihm die bestehenden Partnerschaften zu intensivieren und neue anzubahnen. Vernetzt waren die Pegnitzer zeitweise mit Schulen in Frankreich, England, Italien, der Tschechischen Republik und der amerikanische Highschool in Vilseck. Aufgrund der breit angelegt internationalen Verbindungen wurde das Gymnasium als erstes in Bayern als Unesco-Projektschule anerkannt.

Daneben organisierte Scherer Veranstaltungen für deutsche und tschechische Pädagogen, leitete Fortbildungsseminare für Heimerzieher und betreute die Ferienseminare für begabte Gymnasiasten im Schülerheim.

Scherer suchte auch innerhalb von Pegnitz Kontakte. Seine humorvolle Art half ihm dabei, Verbindungen zu knüpfen.

Der Chef der VHS

Er übernahm von 1975 bis 1985 den Vorsitz der Volkshochschule Pegnitz und gehörte zu den Gründern der Regionalgruppe Pegnitz des Universitätsvereins Bayreuth. Scherer hob den Arbeitskreis Schule und Wirtschaft mit aus der Taufe, initiierte die Fränkische-Schweiz-Abende und das Aschermittwochstreffen der Pegnitzer Schulleiter und des VHS-Vorstands.

Für all die ehrenamtliche Arbeit und Verdienste verlieh ihm der damalige Bundespräsident Roman Herzog 1994 das Verdienstkreuz am Band des Verdienstordens des Bundesrepublik Deutschland.

Ein Mann des Humors

Herbert Scherer war aber auch ein humorvoller Mensch mit trocken dargebrachten ironische-sarkastischen Bemerkungen. Dies in Kombination mit seiner Allgemeinbildung machten ihn zum idealen Redner beim Pegnitzer Wirtschaftstag. Schnell erwarb er sich mit diesem Auftritten beim „Flinderer-Empfang“ Kultstatus.

Die Lokalzeitung schrieb einmal: „Herbert Scherer ließ wieder eine funkelnde Kaskade an Sätzen herniederprasseln, vermengte Fiktion und Wirklichkeit zu einem prallen Bilderbogen. Der Flaneur zwischen Literatur, Geschichte, Ethnologie und Lokalgeschehen hat wieder ein geistreiches Paket geschnürt. Scherer verwebt historische Fakten mit seiner fantasievollen und feinfühligen Gedankenwelt, in der Jean Paul, Manfred Thümmler und Karl Lothes genauso ihren Platz haben wie Klöße, Bier, Ehe und Schipf.“

Immer fränkisch unterwegs

Die Zuhörer sollten nicht alles ernst nehmen, meinte Scherer: „Und wenn sich einer betroffen fühlt, würde ich auf gut Fränkisch sagen: Ihr wisst net, dass ich des gsoocht hätt. Do hamsa falsch hieghört oder Ihre Ohrn lang nimmer gwaschn“, meinte Herbert Scherer ans Publikum gewandt.

Der virtuose Sprachartist, der auch einige Büchlein veröffentlicht hat, bekam 2004 den fränkischen Ritterschlag: Er wurde mit dem Frankenwürfel ausgezeichnet.

Auch von der Stadt geehrt

Auch die Stadt Pegnitz würdigte seine Verdienste, indem sie ihn mit der goldenen Bürgermedaille auszeichnete. Die VHS ernannte ihn zum Ehrenvorsitzenden. Bis zuletzt sah man Herbert Scherer zusammen mit seiner Ehefrau Eva in Neudorf spazieren gehen, auch wenn die Wege kürzer wurden. Nun ist er für immer er an seinem Ziel angelangt.

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