Zum 20. Mal Alles digital beim Uni-Konstrukteurstag

Von Stefan Schreibelmayer
Reinhard Hackenschmidt (links) ist auch ein bisschen stolz auf den von ihm organisierten 3-D-Konstrukteurstag. Auch, weil hier praxisnahe Entwicklungen wie die von Sabiner Hager vorgestellte VR-Brille gezeigt werden. Foto: Stefan Schreibelmayer Quelle: Unbekannt

BAYREUTH. Virtuelle Realität und 3-D-Druck sind zwei der großen Trends bei der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft. Tiefe Einblicke in diese Welt gab es beim mittlerweile 20. 3-D-Konstrukteurstag an der Uni.

 
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Es dauert nur einen Sekundenbruchteil und das Gehirn ist überlistet. Dass diese Klippe und vor allem der tiefe Abgrund dahinter in einem Computerprogramm entstehen und dann auf die VR-Brille gespielt werden, es sich also um Virtual Reality (VR) handelt, das dringt nicht wirklich durch. Stattdessen ist da dieses Kribbeln im Bauch, hervorgerufen durch eine leichte Höhenangst – und die ist völlig real.

250 Teilnehmer

Reinhard Hackenschmidt, Akademischer Direktor am Lehrstuhl Konstruktionslehre und CAD, ist begeistert von der Entwicklung. Was allerdings auch für den von ihm vor 20 Jahren ins Leben gerufenen Konstrukteurstag an sich gilt: „Angefangen haben wir mit 35 Gästen und zwei Ausstellern. Heute sind es 20 Aussteller und 250 Teilnehmer aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland.“ Vor allem sind das Konstrukteure aus Unternehmen, die sich hier komprimiert auf den neuesten Stand bringen lassen, aber auch Mitarbeiter anderer Unis und Forschungseinrichtungen. Es handele sich um eine bundesweit einmalige Veranstaltung, weil sie anbieter- und themenoffen ist – vor allem aber nach wie vor kostenlos. „Woanders zahlen sie dafür mehrere Hundert Euro.“

VR-Brille

Zurück zur VR-Brille. Die täuschend echte Grafik macht für Unternehmen jede Menge praktische Anwendungen möglich. „Sie können zum Beispiel eine Maschine, die sie kaufen oder bauen wollen, schon mal virtuell in die Halle stellen. Dann sehen sie gleich, ob sie überhaupt zwischen die schon dort stehenden anderen Maschinen passt“, nennt Hackenschmidt ein Beispiel, oder: „Sie können einen Servicemonteur virtuell schulen. Wenn er dann irgendwo auf der Welt mit der realen Maschine zu tun hat, kennt er sie schon.“

Computerspiele helfen

Das sei alles andere als eine Spielerei, auch wenn Computerspiele für das digitale Konstruieren eine wichtige Rolle spielen. Denn, so Hackenschmidt, die dort erzielten Fortschritte bei schneller Rechenleistung und detailgetreuer Grafik helfen auch bei der Entwicklung immer besserer Konstruktionsprogramme.

Sicherheitsrelevante Bereiche

„Heute wird nahezu alles digital konstruiert“, sagt der Wissenschaftler, „von der elektrischen Zahnbürste bis zur Rakete“. Dabei gehe es immer mehr ins Detail. Erst seit wenigen Jahren sei es etwa möglich, mit CAD (computer aided-design) das Verhalten nicht linearer Materialien wie faserverstärktem Kunststoff oder Metallschäumen zu berechnen. Das geschehe heute unter anderem bei der Konstruktion von Pumpen, Autos oder auch Flugzeugen. Alles sicherheitsrelevante Bereiche, bei denen es unabdingbar ist, dass die Berechnungen sich später in der Realität als zu 100 Prozent richtig bewähren.

Projekte mit der Industrie

Auf solchen und anderen Gebieten arbeite der Lehrstuhl Konstruktionslehre und CAD mit regionalen Unternehmen wie Frankia, Lamilux oder Rehau ebenso zusammen wie mit bekannten Konzernen – etwa Siemens oder ZF. Die Forscher helfen, Castorbehälter einer Schweizer Firma sicher zu machen, aber auch dabei, die Lebensdauer von Getrieben in Windkrafträdern möglichst exakt zu berechnen, um Wartungskosten zu optimierten. Im laufenden Jahr hätten zehn größere und etwa 50 kleinere Projekte ein Volumen von etwa zwei Millionen Euro, sagt Hackenschmidt. Hinzu kämen Kooperationen mit renommierten Hochschulen wie etwa der TU München oder der RWTH Aachen.

Das Schnittstellenproblem

Und wo liegen die Probleme der neuen Techniken? Da nennt Hackenschmidt vor allem das so genannte Schnittstellenproblem. Soll heißen, CAD-Programme verschiedener Hersteller sind nicht miteinander kompatibel, weil diese ihr Know-how schützen und Kunden an sich binden wollen. Mit teils skurrilen Folgen. Wenn etwa bei der Konstruktion von Gebäuden die verschiedenen Gewerke ihre Daten nicht austauschen können. Wenn Autozulieferer gleiche Teile für verschiedene Hersteller jedes Mal neu konstruieren, weil diese unterschiedliche Systeme nutzen.

Dreistelliger Millionenschaden

Ein prominenter Schadensfall sei der Airbus A 350, bei dem mit zwei verschiedenen Programmen konstruiert worden sei, so Hackenschmidt. Mit der Folge, dass die Verkabelung nicht passte. Folge: Ein Jahr Verzögerung und ein Schaden im dreistelligen Millionenbereich. Ein Unding, denn Projekte würden immer größer und die Zusammenarbeit immer internationaler.