Zukunft der Autoindustrie Der Klimaschutz wälzt alles um

Von Roland Töpfer
Die Zukunft individueller Mobilität stellt die Automobil- und die Zulieferbranche vor große Herausforderungen. Elektroautos haben andere Komponenten verbaut, die klassischen Produktfelder der oberfränkischen Zulieferer sind damit infrage gestellt. Symbolfoto: Thomas Frey/dpa Quelle: Unbekannt

HALLSTADT. Die Zukunft der Mobilität ist für das Autoland Oberfranken von besonderer Bedeutung. Von rund 40.000 Beschäftigten, die im Regierungsbezirk direkt oder indirekt vom Auto abhängen, arbeiten 25.000 in der Region Bamberg. Der Wirtschaftsclub Bamberg mit seinem Vorsitzenden Wilfried Kämper hat sich das Thema deshalb besonders groß auf die Fahne geschrieben und zum zweiten Mal in kurzer Zeit zu einer Fachveranstaltung geladen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Dieses Mal auf der Bühne in Hallstadt: Der grüne Klimakämpfer Hans-Josef Fell und der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Bernd Westphal, der kurzfristig für den erkrankten Sigmar Gabriel eingesprungen ist. Das Thema: „Autoland Deutschland - widersprechen sich Ökologie und Ökonomie?“

Ums Auto ging es in der vom Bamberger Psychologie-Professor Claus-Christian Carbon moderierten Diskussion lange Zeit kaum, vielmehr um die Klimapolitik im Allgemeinen. Fell, gelernter Gymnasiallehrer, Ex-Bundestagsabgeordneter, Mitglied der Grünen, maßgeblicher Mitautor des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sowie international geachteter und ausgezeichneter Klimaexperte, beklagte, dass Deutschland seine 80.000 Jobs in der Solarwirtschaft kaputtgemacht habe und nun auch die Arbeitsplätze der Windenergie vernichte.

Man braucht Akzeptanz

„Wir waren mal Vorreiter in der Welt beim Klimaschutz.“ Jetzt gehe alles viel zu langsam, die globalen CO2-Emissionen hätten 2019 einen Rekord erreicht, noch nie sei die Temperatur so schnell angestiegen wie im letzten Jahrzehnt. Nur eine radikale Umkehr könne die Welt vor einer Katastrophe bewahren, sagt Fell und fordert: Null-Emissionen bis 2030, also 100 Prozent Erneuerbare. „Wir müssen die Emissionen stoppen, nicht reduzieren.“

Dieser radikale Ansatz geht Westphal zu weit. Es gebe eben auch Menschen, „die wollen kein Windrad vor der Tür“. Man brauche Akzeptanz, „sonst werden uns die Leute von der Fahne gehen“. Alleine die chemische Industrie würde so viel Strom wie ganz Deutschland benötigen, würde man sie voll auf Erneuerbare umstellen.

Fell will die Menschheit „vor der Ausrottung retten“, und dafür seien Null-Emissionen bis 2030 nötig. Wir können das nicht schaffen? „Sehr wohl können wir das schaffen.“ Wenn man Ökologie richtig mache, sei das eine Stimulanz für die Ökonomie.

Man brauche fünf Mal so viel Strom wie heute, wenn man bei den Emissionen auf null gehe. China sei bei der E-Mobilität viel weiter als Deutschland. In Shenzen habe man in kurzer Zeit 16.000 Verbrenner-Busse auf elektrische umgestellt. Deutsche Hersteller könnten E-Busse oft gar nicht liefern.

China will sich Westphal nicht als Vorbild nehmen. „Was da an Werten mit Füßen getreten wird….“ Der SPD-Mann glaubt: „Wir können auch in Zukunft Autobauerland Nummer eins werden.“ VW konzentriere sich voll aufs E-Auto und gehe damit ein hohes Risiko ein. Man sollte auch auf Wasserstoff setzen. Und außerdem: China baue seine E-Autos oft mit Kohlekraft.

Zivilisation ohne Überlebenschance

Dass Deutschland sich bis 2030 zu 100 Prozent mit Erneuerbaren versorge, glaubt Westphal nicht. „Wir werden es nicht schaffen.“ Alle Öl- und Gasheizungen müssten bis 2030 aus dem Keller. „Es nützt nichts, wenn wir unsere Wirtschaft kaputtmachen.“

Wenn wir es nicht schaffen, dann haben wir bald „australische Verhältnisse“, warnt Fell. Die menschliche Zivilisation werde dann keine Überlebenschance haben - „auch nicht in Bamberg“. Westphal setzt auf Überzeugung, will „nix verordnen“. „Die E-Autos gibt’s ja. Warum kauft sie keiner?“

Für alle Hersteller gelte künftig: Autos produzieren und verkaufen, das reiche nicht mehr, wenn Google und Alibaba die Mobilität neu organisieren.