Ziemlich cool, der neue Chef von Wöhrl

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Schwarzes Sakko, schwarze Hose, weiße Turnschuhe – ziemlich cool kommt Wöhrl-Chef Christian Greiner (38) daher. Wir sind in der Hauptverwaltung des Textilfilialisten in Nürnberg-Langwasser. Vierter Stock, großes Eckbüro, viel Glas. Lange wird Wöhrl nicht mehr von hier gesteuert. Die Zentrale zieht um in die Beuthener Straße am Grundig-Gelände, das ebenfalls in Langwasser liegt. Greiner hat die Verwaltung gestrafft, gut 30 Kündigungen hat es gegeben. Das alte Verwaltungsgebäude ist ihm zu groß, auf das neue freut er sich schon: Sehr modern, Loft-Charakter, ein „Start-up-Gefühl“, sagt er. Bis Anfang März sollen die knapp 100 Beschäftigten der Verwaltung umgezogen sein.

 
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Ein Neustart also, so wie bei Wöhrl im März letzten Jahres, als das Modehaus mit 30 Filialen in Süd- und Ostdeutschland, davon 25 in Bayern, aus der Insolvenz heraus von Greiner übernommen wurde. Die neu gegründete Rudolf Wöhrl SE, eine AG nach europäischem Recht, gehört Greiner zu 100 Prozent. Drei Vorstände führen die Firma, Greiner ist Chef des dreiköpfigen Aufsichtsrats und weiter Vorstand des Münchner Kaufhauses Ludwig Beck, das zu knapp 75 Prozent Vater Hans Rudolf Wöhrl gehört. Der hat den Sohn zu dessen eigenem Geld beim Wöhrl-Neustart mit einem Familiendarlehen unterstützt.

Gläubiger mussten bluten

Die Gläubiger mussten bluten, auch die Anleihekäufer, die sich von hohen Zinsen und einem bekannten Namen hatten locken lassen. Das sei schon „extrem ärgerlich“, sagt Greiner. Aber „ich kann da nix dafür.“   

Die Geschäfte der Modehaus-Kette laufen nun wieder besser. Greiner verweist auf einen kleinen operativen Gewinn (Ebit) im Rumpfgeschäftsjahr vom März bis zum Juli 2017 nach hohen Verlusten in den Vorjahren. Für das laufende Geschäftsjahr  2017/18 (31.7.) plant Greiner rund 260 Millionen Euro Umsatz und unterm Strich einen einstelligen Millionengewinn. Der Umsatz soll die kommenden Jahre kontinuierlich leicht wachsen. „300 Millionen Umsatz sind keine Utopie“, sagt er. Die Filialen hätten noch sehr viel Potenzial. Alle Filialen sollen bleiben, es gebe keine Negativmeldungen, auch nicht aus den Häusern in Bayreuth, Hof, Coburg, Bamberg, Plauen oder Weiden. Auch die Beschäftigtenzahl von rund 1700 soll stabil bleiben.

Erst Geld verdienen, dann investieren

Es werde auch wieder investiert in Sortimente, Ladenbau (Markenshops) oder Marketing. Man müsse aber eben auch immer erst das Geld verdienen, bevor man investieren könne.

Einen Online-Shop wird es zunächst nicht geben. Das könne man „nicht einfach mal nebenher“ machen, dafür sei Online viel zu anspruchsvoll. „Man muss es sich leisten können.“

 Für Greiner hat der stationäre Handel, wenn er kompetent gemacht wird, gute Perspektiven. Wöhrl will Familien ansprechen, hat eine breite Zielgruppe im gehobenen Mittelpreis-Segment. Eine Million Stammkunden werden über Kundenkarten betreut. Auch in der Insolvenz hätten sie ihre Treue zum Unternehmen gezeigt, sagt Greiner. Das sei ein bisschen wie beim 1. FCN: „Egal, welche Liga, das Stadion ist immer voll.“ Im stationären Handel komme es auf den Service an, „den Menschen, der da steht“. Emotionen, ein interessantes Ambiente kämen hinzu. Man müsse vorselektieren, für seine Zielgruppe eine adäquate Auswahl treffen. Von 5000 Marken im Internet zehn Marken für die eigenen Kunden herausfiltern und Geschmack und Geldbeutel treffen.

Im Tal der Tränen

Der stationäre Handel hat das Tal der Tränen noch nicht durchschritten, sagt Greiner. „Da werden noch viele über Bord gehen.“ Wöhrl soll nicht dabei sein. „Ich hätte es nicht gemacht, wenn ich nicht dran glauben würde.“

Schon als Zehnjähriger war Greiner bei Wöhrl aktiv, hat Pakete gepackt, später bei der Inventur geholfen oder Daten in den Computer eingegeben. Mit 14 hat er selber verkauft. Aufgewachsen ist Greiner bei seiner Mutter Brigitte Greiner, deren Namen er trägt, weil die Eltern nie verheiratet waren. Die Mutter, mittlerweile in Rente, war früher bei Wöhrl als Dekorateurin und im Einkauf beschäftigt. „Meine Mutter ist eine wahnsinnig herzliche Frau“, sagt Greiner, der aus einer früheren Verbindung einen 13 Jahre alten Sohn hat.

Abitur machte er in Nürnberg, geht dann zur Bundeswehr, arbeitet bei Wöhrl, studiert dreieinhalb Jahre in Boston (USA) Musik und Business Management (Bachelor of Arts), wird aber kein Musiker sondern bleibt der Wirtschaft verbunden. „Um der Kunst zu verfallen, da bin ich zu sehr Realist gewesen.“  

Er kann auch dirigieren

Gitarre spielt er heute noch gerne. Auch Klavier, Gesangsunterricht und Dirigieren gehörten zum Studium. Kurze Zeit ist Greiner nach seinem Studium bei Warner Music in Hamburg, dann ereilt ihn der Ruf von Wöhrl, er geht nach Nürnberg, baut U-eins (Junge Mode) auf. Nach drei Jahren kündigt er, baut eine Marketingagentur auf, die es heute noch gibt. 2011 wird er Vorstand bei Ludwig Beck. 

Greiner ist Unternehmer aus Leidenschaft. Auf die Frage, was er unbedingt noch machen will, meint er: „Noch ‘ne Firma gründen.“ Es gebe schließlich „nichts Cooleres, als unternehmerisch tätig zu sein“. Und Privat? Da steht auch einiges an. Greiner und seine Lebensgefährtin Sandra Schäfer (29), die für ihn und für den Vorstand als Assistentin arbeitet, denken ans Heiraten. Drängen lassen wollen sie sich nicht. Ganz ohne Zeitdruck, bitte.

 

Wöhrl: Das Unternehmen wurde 1933 von Rudolf Wöhrl in Nürnberg gegründet und 1970 an die beiden Söhne Gerhard und Hans Rudolf übertragen. Hans Rudolf steigt über 30 Jahre später aus. Von 2012 bis 2016 führt Olivier Wöhrl, Sohn von Gerhard Wöhrl, das Unternehmen als Vorstandschef. Nach der Insolvenz wird Christian Greiner, Sohn von Hans Rudolf Wöhrl, neuer Eigentümer und Aufsichtsratschef. Die Modehaus-Kette hat 30 Filialen, 1700 Beschäftigte und will im laufenden Geschäftsjahr einen Millionengewinn erreichen.