Zentrum: Eine Reihe von Fragen

Von Michael Weiser
Kein schlechtes Programm, aber kein eigenes Programm: Künstler wie Claudia Koreck treten gern im Zentrum auf. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Wann wurde Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe über die mutmaßliche Veruntreuung von 150.000 Euro im Zentrum informiert? Zu spät, wie auch die meisten Mitglieder des Kulturausschusses, die über Zuschüsse zu entscheiden hatten. Vieles andere aber wäre zu klären. Zum Beispiel die Frage, warum der Trägerverein mit seinem Verdacht über zwei Wochen lang hinterm Berg hielt.

 
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Die Grünen im Stadtrat hatten eine Anfrage gestellt. Warum, so begehrten sie von Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe zu erfahren, sei der Kulturausschuss nicht schon vor seiner Sitzung am 16. Oktober darüber informiert worden, dass die inzwischen gefeuerte Geschäftsführerin des Zentrums 150.000 Euro für Einkaufstouren via Internet abgezweigt haben soll? Es ging bei der Sitzung um Zuschüsse, auch fürs Zentrum. „Für die Entscheidungsfindung hätten wir unbedingt diese Information gebraucht“, sagte Stefan Schlags auf Anfrage des Kuriers, „uns kommentarlos das zur Beratung vorzulegen, im Wissen, dass da etwas nicht in Ordnung ist: Das wäre inakzeptabel.“

Doch auch Merk-Erbe offenbar war nicht im Bilde, sie wurde – zeitgleich mit der Polizei – erst am 24. Oktober in Kenntnis gesetzt. Sie erhielt die schlechte Nachricht von Klaus Klötzer, dem Vorsitzenden des Trägervereins. Klötzer ist CSU-Stadtrat – und Mitglied des Kulturausschusses, wie auch sein Parteikollege Stefan Specht, der ebenfalls im Vorstand des Trägervereins sitzt. Am 7. Oktober wurde aus Verdacht Gewissheit. Seit 2015 hatte die Geschäftsführerin über Kreditkarten des Zentrums eingekauft, „Kleinzeug, Schnickschnack, ja, auch Schuhe“, sagt Klötzer.

Warum aber informierten die CSU-Stadträte den Stadtrat nicht unverzüglich von diesem Desaster? Man habe erst einen Überblick über den Schaden gewinnen wollen, sagt Klötzer. Mittlerweile ermittle die Polizei, von Seiten des Vereins aus habe man die Angelegenheit einem Anwalt übergeben. Allerdings: Bei Untreue handelt es sich um eine Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Dass man da sozusagen erst mal privat ermittelt, erscheint ungewöhnlich. Es sei darum gegangen, das Zentrum nicht sofort zu lähmen, sagt Specht. Und: Wie drastisch der Umfang der Verfehlung sei, habe man erst allmählich erkannt.

"Geschickt kaschiert"

Noch scheint nicht bekannt, ob ein Teil der Waren zur Tilgung des Schadens zu Geld gemacht werden kann. Die Verantwortlichen des Trägervereins berufen sich auf die schwebenden Ermittlungen. 40.000 Euro hat die Geschäftsführerin bis dato zurückerstattet, Geld der Mutter, Geld, das sie angeblich aus der Auflösung eines Bausparvertrages habe. Auch das wird zu prüfen sein. Wie aber konnte es sein, dass niemand den Aderlass bemerkte? „Geschickt kaschiert“ habe die Frau, überdies habe man ja die Kassen nur „punktuell“ überprüft, sagt Klötzer. Die Frau habe genau darauf geachtet, innerhalb des finanziellen Spielraums zu bleiben, den sie nicht gegenzeichnen lassen muss.

Mit weit über 200.000 Euro jährlich fördert die Stadt das Zentrum. Eine Einrichtung, die das Fehlen einer fast genau so hohen Summe offenbar nicht bemerkte. Man sei ja liquide gewesen, sagt Klötzer, habe darüber nicht bemerkt, dass sich Verbindlichkeiten – etwa Handwerkerrechnungen – angehäuft hätten. Nicht einmal beim alljährlichen Kassensturz? Den habe eine Steuerberaterkanzlei übernommen. Rätselhaft, wie die Profis das übersehen konnten. Allerdings sagt Stefan Specht: 2015 seien nur geringe Unregelmäßigkeitengeschehen, für 2016 und 2017 aber lägen die Abrechnungen noch nicht vor.

Aufwendige Ermittlungen

Allzu schnell war die These von der kaufsuchtkranken Frau im Umlauf. Dabei müssen genau das erst die Ermittler klären: Wie viel kriminelle Energie steckt hinter den Shopping-Touren? Oder ist die Frau vermindert schuldfähig? Die Ermittlungen sind laut Staatsanwaltschaft sehr aufwendig.

SPD-Fraktionschef Thomas Bauske, ebenfalls im Kulturausschuss, äußert Verständnis. Und zwar für überforderte Träger. „Wenn Hauptamt auf Ehrenamt trifft, dann kann es schon sein, dass man ein bisschen Zeit braucht.“ Brisanter sieht das Stefan Schlags. Kritik äußert er nicht zuletzt an Stefan Specht, Kulturpfleger der Stadt. „Wenn er das verzögert hat, die Stadt nicht sofort informiert hat, dann steht er als Kulturpfleger in der Pflicht. Er hat sich neutral zu verhalten.“

Kritik am Programm

Die Geschäftsführung des Zentrums hat derweil Cedric Hoffmann übernommen. Im Frühjahr wird über eine Neuausschreibung zu entscheiden sein. Stefan Schlags sieht Bedarf für eine Neuausrichtung des Zentrums, das fast ausschließlich auf Vermietung an Kulturveranstalter setze.

Ein eklatanter Gegensatz zur Gründungsabsicht des Hauses. „Bekommen wir ein eigenes Kulturangebot aus dem Zentrum?“, fragt Schlags und gibt die Antwort: „Nein.“ Schlags steht damit nicht allein, zuletzt hatten zum Beispiel Stephan Müller von der BG und Kulturamtschefin Gabriele Röhler kritisch geäußert.

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