Wuermeling, der Bayreuther Bundesbanker

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Nein, lange überlegen musste er nicht. „Ja, das möchte ich machen“, war sein erster Gedanke, als letzten Sommer der Anruf des Ministerpräsidenten kam. Bayern hatte im Bundesrat das Vorschlagsrecht für die Neubesetzung des Vorstandspostens der Deutschen Bundesbank in Frankfurt. Und Prof. Joachim Wuermeling passte exakt ins Profil.

 
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„Mit der Berufung habe ich nicht gerechnet. Dazu gehört immer auch eine Portion Glück“, sagt Wuermeling im Gespräch mit unserer Zeitung. Er hat breite berufliche Erfahrung vorzuweisen, was Verwaltung, Europa und Finanzwirtschaft angeht. Und er ist im richtigen Alter. Mit 56 ist er nun für acht Jahre zum Bundesbank-Vorstand bestellt, also bis zur Pensionierung. Das macht unabhängig, sagt Wuermeling. „Die Bundesbank ist in ihrem Aufgabengebiet unabhängig. Die langen Amtszeiten der Vorstandsmitglieder von acht Jahren dienen dieser Unabhängigkeit. Man soll sich nicht mehr beliebt machen müssen, um seine eigene Karriere voranzutreiben.“

Lange in Bayreuth gelebt

Wuermeling wohnt heute in Bad Homburg, ist kein Bayreuther mehr, aber in Bayreuth hat er lange Zeit gelebt. Ab 1980 als Jura-Student. Später wieder, als er Europaabgeordneter (1999 bis 2005) war. Dazwischen war er noch Europareferent in der Bayerischen Vertretung in Bonn und Referatsleiter der Europaabteilung der Bayerischen Staatskanzlei in München.

Wuermeling, der es in der Politik bis zum Europa-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium brachte (2005 bis 2008), wechselte dann als Hauptgeschäftsführer zum Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und wurde 2011 Chef des Verbands der Sparda-Banken.

Der Kreis schließt sich

Jetzt schließt sich für ihn der Kreis. Er ist als einer der Chef-Hüter des Euro zurück in der Europa-Arbeit. Und ganz nahe an der Macht des Geldes? „Das Gefühl habe ich überhaupt nicht.“ Die Bundesbank verfüge ja nicht über Geld, sondern setze Geld ein, um die Preisstabilität zu sichern.

Der neue Vorstand ist zuständig für Märkte und IT. Konkreter: Für die Umsetzung der Geldpolitik, der Zinspolitik, dem Ankauf von Anleihen und auch der Verwaltung von Pensionsrückstellungen der Länder. „Zu meinem Dezernat gehört der Zentralbereich Märkte. Dort wird die gemeinsame Geldpolitik umgesetzt. Ich bin daher sehr nah‘ dran an der Geldpolitik.“ Etwa 250 Beschäftigte arbeiten im Zentralbereich Märkte. Der IT-Bereich ist mit mehr als 1000 Beschäftigten die größte Abteilung der Bundesbank, die insgesamt mehr als 10.400 Beamte und Tarifangestellte beschäftigt. In der IT geht es um passende Lösungen für den Zahlungsverkehr, für die Wertpapier-Abwicklung, die Bankenaufsicht oder die Goldbestände.

Gerne mit dem Zug unterwegs

Etwa die Hälfte seiner Zeit ist Wuermeling in Frankfurt. Sein Büro liegt im zwölften Stock. Mit Blick auf den Taunus statt auf die Skyline. Reisen muss er auch viel, in Deutschland gerne mit dem Zug.  New York oder Tokio gehen nur mit dem Flieger. „Es gibt nichts Vergleichbares. Die neue Aufgabe macht viel Freude, fordert mich aber auch." Sehr konzentriert, aber auch in heiterer Stimmung werde in der Bundesbank gearbeitet. Er selbst muss sich nun intensiv den geldpolitischen Fachthemen widmen. Zentralbank könne man halt nicht lernen, nur in der Tätigkeit selbst.

Wie geht es nun weiter mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, wann steigen die Zinsen? Das Gespräch mit unserer Zeitung ist sein erstes Interview als Bundesbank-Vorstand zu diesem Thema, und Wuermeling weiß nur zu gut, dass, wenn es um den Leitzins geht, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Die grobe Richtung deutet er aber schon an. Die niedrigen Zinsen werde man nicht bis zum St. Nimmerleinstag haben. Wenn die Inflation in der Eurozone weiter steige, werde man auch wieder zu höheren Zinsen kommen. Ja, aber wann?

Wann wird der Leitzins erhöht?

Inflationsziel der EZB sind knapp zwei Prozent. Für das laufende Jahr werden im Euroraum laut Wuermeling 1,3 Prozent Inflation erwartet, 2018 dann 1,5 Prozent, 2019 schließlich 1,7 Prozent. Wann die EZB ihren Leitzins erhöht, darüber könne man heute nur spekulieren, sagt er. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann wolle diese Diskussion aber schon forcieren, um zu vermeiden, dass der richtige Zeitpunkt für die Zinswende verpasst werde. Die Bundesbank werde sich maßgeblich in diesen Prozess einbringen.

Die Fed in den USA plant für dieses Jahr mehrere Zinserhöhungen. Kann sich die EZB diesem Trend entziehen? Man könne Zinsdifferenzen auf beiden Seiten des Atlantiks über einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten, sagt Wuermeling. Werde die Verschiebung der Finanzströme allerdings zu groß, dann müsse man entgegenwirken. Und was hält man in der Bundesbank vom neuen US-Präsidenten Donald Trump? „Wir schauen auf konkrete Taten, nicht auf rhetorische Ankündigungen. Da ist ein Urteil noch zu früh.“

Abwarten und hoffen

Den Frust der Sparer wegen der Nullzinsen kann Wuermeling schon verstehen. Solange die Inflation  nahe Null war, habe es aber keine Wertverluste gegeben. Doch in Deutschland stieg die Teuerung im Dezember auf 1,7 Prozent, im Januar sogar auf 1,9 Prozent – das ist der höchste Wert seit dreieinhalb Jahren. Und auch in der Eurozone ist die Inflation im Januar mit 1,8 Prozent stark angestiegen. Das Geld der Sparer wird entwertet. Erste Aufgabe der Zentralbank ist jedoch die Preisstabilität. Den Sparern gibt Wuermeling doch noch mit, man wolle alles Mögliche tun, um den Frust zu lindern. Also: Abwarten und hoffen.

Info

Bundesbank-Vorstand

Der sechsköpfige Vorstand ist das oberste Organ der Bundesbank. Er leitet und verwaltet die Zentralbank und besteht aus Präsident, Vizepräsident und vier Vorstandsmitgliedern. Der frühere Bayreuther Europapolitiker Joachim Wuermeling ist seit Anfang November 2016 Bundesbank-Vorstand. Zuletzt war er Chef des Verbands der Sparda-Banken.    töp