Triumph für Haenchen
Markus Thiel im „Münchner Merkur“: „Die Bayreuther Festspiele starten mit missglückter ,Parsifal’-Regie und einem Triumph für Dirigent Hartmut Haenchen. Der Triumph, den der gebürtige Dresdner bei der Eröffnung der Festspiele errungen hat, ist eine späte Satisfaktion. Ein Klangbild, so durchlüftet, als sei der Grabendeckel ein Stück geöffnet worden. Dazu eine Eleganz der Agogik, einen Schwung, eine Natürlichkeit in der Detailbehandlung. Haenchen ist schnell, dirigiert den ‚Parsifal‘ wirklich als Konversationsstück, gönnt sich aber auch große Momente. Eine erfüllte, nie gehetzte Deutung, das ist das eigentliche Ereignis dieser Eröffnungspremiere, die doch unter so vielen Sternen, vor allem den dunklen, stand. Und dann ist da noch die Sache mit dem anderen Einspringer, Uwe Eric Laufenberg. Furchtbar viel ‚Tagesschau‘ muss Laufenberg konsumiert haben. Doch der Realismus steht Laufenberg im Weg, erst Recht, wenn er den Aufklärer und Avantgardisten spielt. In den schlimmsten Momenten ist dieser Abend, der mit zunehmender Dauer immer mehr schwächelt, bestürzend schlicht. (...) Gisbert Jäkels Einheitskirchenraum ist zudem ein akustischer Unfall. Was Laufenberg offenbar als Schauplatz eines Kammerspiels braucht, sperrt die Musik ein. Die Festspielehre rettet, neben Vogt als Parsifal und besonders Haenchen, Georg Zeppenfeld.“
Kaum Ergriffensein
Manuel Brug in der „Welt“: „Laufenberg zeigt alles her: den Gralskelch, den penibel präparierten toten Schwan, die Wunde, die Lanze, die später zerbrochen als Kreuzeichen aufgepflanzt wird. Bis auf die Taube sind alle mottigen Requisiten da. Der so akribisch beginnende Regie-Realismus wirkt plötzlich wie ein neuer Radikalismus. (...) Hartmut Haenchen, durch den Schlagzeilen machenden Abgang von Andris Nelsons im Graben endlich zu Bayreuth-Ehren gekommener Einspringer, begleitet solches, durchaus altmodisches Kulissentheater in scharfen, prickelnden Kontrast – zügig voranschreitend, dabei nie verhetzt, sachlich nüchtern. Immer nah an der Szene, ein durchaus gestischer Klangerzähler, aber unbeeindruckt von jeder mystischen Schwüle, einzig der Rationalität huldigend. (...) Da verschwimmt wenig, verschwiemelt nichts. Der Preis aber ist: keine Transzendenz, kaum Ergriffensein. So wenig ,Parsifal’-Gänsehaut in Bayreuth war selten.“
Sangeskunst auf Welt-Niveau
Monika Willer in der „WAZ“: „Doch trotz des Weihrauchs, mit dem Regisseur Uwe Eric Laufenberg die Handlung zum religionskritischen Diskurs erhebt, bleibt die Produktion hinter der Fallhöhe zurück, die man von einer Inszenierung auf dem Grünen Hügel erwarten darf. Tenor Klaus Florian Vogt in der Titelrolle und Bass Georg Zeppenfeld bieten jedoch Sangeskunst auf Weltklasse-Niveau und werden mit Bravo-Stürmen gefeiert. Für die Regie gibt es Buhrufe weit unter dem üblichen Bayreuther Maß, sie ist zu blass, um wirklich anzuecken.“
Man darf sich wundern
Christian Wildhagen in der „Neuen Zürcher Zeitung“ online: „Wer die ebenso kontroversen wie hoch profilierten Bayreuther ,Parsifal’-Deutungen von Christoph Schlingensief und Stefan Herheim noch vor sich sah – zwei der wenigen Bayreuther Arbeiten, die zu den wegweisenden Inszenierungen der vergangenen Jahre zählen –, musste sich über das fade geistige Niveau dieser Auseinandersetzung mit Wagners Bühnenweihfestspiel doch arg wundern. Zumal es nach der Trennung vom Gesamtkunst-Krawallmacher Meese genügend Zeit gegeben hätte für eine vertiefende Probenarbeit. Umso mehr beeindruckte, was dem Dirigenten Hartmut Haenchen, dem zweiten Ersatz-Künstler dieser nicht vom Glück verfolgten Produktion, bei seinem Debüt auf dem Hügel gelang. (...) Die grössten Schwierigkeiten hat erstaunlicherweise Klaus Florian Vogt als Parsifal, obschon er mit seinem schlanken Lohengrin-Tenor ideal zu Haenchens Klangkonzept passt. Doch am Premierenabend wirkt er stellenweise matt und etwas atemlos.“
Erhaben und provokant
Anthony Tommasini in der „New York Times“ online: „Laufenbergs sensible, den Zuschauer förmlich gefangen nehmende Inszenierung erforscht Wagners hochkomplexes, oftmals rätselhaftes Finale mit tastender Sorgfalt (...) Dies war ein so erhabener wie provokanter ,Parsifal’.“
red