Warum Männer Chefinnen ablehnen

Von Gisela Rauch
 Foto: red

Frauen sind Studien zufolge die besseren Führungskräfte, steigen aber immer noch selten in die Führungsebenen auf. Management-Trainer Werner Dopfer glaubt, dass das auch am „Mama-Trauma“ der Männer liegt. Unbewusst, sagt Dopfer, bekämpften Männer in der Chefin die dominante Mutter von früher.

 
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Sie behaupten, dass Frauen die besseren Führungskräfte sind. Worauf gründen Sie diese These?

Werner Dopfer: Viele Studien und auch meine langjährigen Erfahrungen zeigen, dass sich Frauen in Führungspositionen deutlich kooperativer, weniger rivalisierend, umsichtiger und nachhaltiger verhalten als Männer. Sie kommunizieren auch professioneller, hören beispielsweise besser zu, sind empathischer und haben ein sehr gutes Gespür für situationsangemessenes Verhalten. Und das sind eben Aspekte, denen in einer vernetzten Welt, wie wir sie haben, eine sehr hohe Bedeutung zukommt.

Dennoch gelangen Frauen noch immer viel seltener als Männer in Führungspositionen. Woran liegt das? Sind sie selber schuld?

Dopfer: Ich bin vorsichtig, wenn es um die Schuldfrage geht. Schließlich bin ich Psychologe und kein Richter. Aber ich habe schon häufig beobachtet, dass sich führende Frauen mit Männern eher schwer tun, weil sie die Psychologie der männlichen Seele zu wenig kennen. Und nach wie vor gibt es natürlich männliche Netzwerke, bei denen Frauen außen vor bleiben.

Sie behaupten, dass Männer verdeckt alles tun, um Frauen gar nicht in Führungspositionen kommen zu lassen.

Dopfer: Meine Hypothese ist, dass Männer, die in ihrer Kindheit und Jugend von Frauen – von ihrer Mutter, von der Lehrerin – stark beeinflusst oder gar dominiert wurden, sich von deren Einfluss irgendwann befreien wollen. Sie wollen sich dann unbewusst von keiner Frau mehr etwas sagen lassen und gehen in den Widerstand. Daher rührt der Begriff „Mama-Trauma“. Letztlich handelt es sich um die Männer-Angst vor der starken Frau.

Das würde aber doch bedeuten, dass man das Mama-Trauma nie aus der Welt schaffen kann, denn Männer werden ja immer Mütter haben.

Dopfer: Nein, so sehe ich das nicht. Wenn Männer ihre Angst vor der starken Frau reflektieren und auch sehen, dass der Unwillen, sich von der Chefin etwas sagen zu lassen, eine Projektion ist, dann ließe sich das „Mama-Trauma“ aus der Welt schaffen. Aber man muss sich als Mann eben damit auseinandersetzen, welchen Einfluss die Kindheitserlebnisse auf das Verhältnis zum anderen Geschlecht haben können. Das gilt umgekehrt natürlich auch für Frauen, die mit einem sehr dominanten Vater aufgewachsen sind und sich unter Umständen aufgrund ihres „Papa-Traumas“ unbewusst gegen männliche Chefs wehren.

Halten Sie es denn für realistisch, dass Männer ihr Verhalten und ihre Historie reflektieren, wenn sie Probleme mit der Chefin haben? Vielleicht brechen sie ja eher in ungläubiges Gelächter aus.

Dopfer: Ich halte es für realistisch, weil Männer zunehmend merken, dass sie mit ihrer bisherigen Art zu führen nicht weiterkommen. Viele stehen unter einem großen Leidensdruck, weil sich die Ansprüche an Führung geändert haben. Die Menschen wollen heutzutage – außer in Amerika offenbar – nicht mehr von intransparenten und wettkampforientierten Egomanen geführt werden.

Sie behaupten, führende Männer stünden unter großem Leidensdruck. Weshalb?

Dopfer: Die ständige Rivalisierung, der kontinuierliche Kampf um Macht, aber auch das Gefühl, immerzu der Beste sein zu müssen, führen zu einem enormen psychischen Druck. Das kann zum Burnout führen.

Wie erreicht man denn jetzt, dass mehr Frauen führen?

Dopfer: Ich halte es für wichtig, dass Männer über ihre bisherige Rolle nachdenken und sie verändern. Genauso wichtig ist aber die Selbstreflexion der Frauen. Frauen mit Führungsanspruch müssen die Psychologie des Mannes verstehen, wenn sie wirklich erfolgreich agieren wollen.

Was müssen Chefinnen bei männlichen Mitarbeitern denn anders machen?

Dopfer: Ein Mann empfindet es als gnadenlos, wenn er vor anderen Männern durch eine Frau so niedergemacht wird, dass er das Gesicht verliert. Das gleicht in gewisser Weise einer Kastration. Wichtig ist es auch, dass führenden Frauen bewusst ist, dass sich Männer schon gerne als Helden fühlen wollen.

Das würde ja bedeuten, dass Chefinnen das Ego der Männer streicheln müssen.

Dopfer: Ja, schon auch. Männer wollen Bedeutung und Autonomie – und wenn Frauen diese zu stark einschränken, kann es zu Konflikten kommen.

Warum gilt das nur für den Mann? Frauen schätzen von ihren Führungskräften doch bestimmt auch Autonomie und respektvolle Behandlung?

Dopfer: Natürlich. Studien zeigen aber, dass für Frauen Wertschätzung und Harmonie wichtiger sind. Auch legen Frauen mehr Wert als Männer auf das Thema Zugehörigkeit. Das sind geschlechtsspezifische Tendenzen. Natürlich muss man immer den Einzelfall betrachten.

Wie sieht denn ein moderner Führungsstil aus?

Dopfer: Es wird noch eine Weile dauern, aber was kommen wird, ist ein Führungsstil, der weibliche und männliche Elemente vereint. Eine für moderne Zeiten adäquate Führungskultur würde dann beispielsweise die eher konfliktorientierte Impulsivität von Männern kombinieren mit der Konfliktvermeidungstendenz der Frauen. Daraus könnte eine reflektierte Konfliktkompetenz werden. Nicht draufhauen, nicht zurückziehen, sondern adäquat mit Konflikten umgehen.

Zur Person

Der Diplompsychologe und Psychotherapeut Werner Dopfer arbeitet seit vielen Jahren als Management- und Führungskräftetrainer für renommierte Unternehmen. Seine langjährigen Erfahrungen bei der Arbeit mit Frauen und Männern aller Hierarchie-Ebenen sind in sein neues Buch eingeflossen, das unter dem Titel „Das Mama-Trauma“ der Frage nachgeht, warum sich Männer ungern von Frauen führen lassen. Dopfer hat bereits mehrere psychologische Ratgeber veröffentlicht.