Warum ein Rentnerehepaar in einer langen Auseinandersetzung zu üblen Verleumdungen griff Nachbarshölle in der Altstadt

Von Manfred Scherer
Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Der Spruch ist uralt und abgedroschen: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt." Gerade weil er abgedroschen ist, liegt nahe, dass er stimmt - abgesehen davon, dass er vom Dichterfürsten Schiller ist. Auch der Prozess gegen ein Bayreuther Ehepaar hat jetzt - mal wieder - erwiesen, wie wahr und weise Schiller damit Alltagsdramen in einen Satz gepackt hat.

 
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Schauplatz des Nachbarschaftsstreits, der dem Amtsrichter Stefan Käsbohrer einen Prozess gegen ein älteres Ehepaar beschert hat, ist die Altstadt. Dort wohnen die Angeklagten, er ist Rentner und sie mittlerweile auch, seit Jahren Seite an Seite mit einem anderen Paar. Man hatte sich angefreundet, saß zusammen bei Sekt oder Kaffee. Man waafte miteinander. Man waafte über andere und dann übereinander bei anderen.

Man erwartete gegenseitige Dankbarkeit für Nachbarschaftsdienste wie Hilfe bei der Wohnungsrenovierung oder beim Hund ausführen. Oder Dankbarkeit für Geschenke. Vertrauen wurde mit Misstrauen quittiert und umgekehrt. Gerüchte kamen auf, vielleicht war Neid dabei. Gegenseitige Verdächtigungen wurden laut. Eine verletzte Katze soll misshandelt worden sein. Die Nachbarin behauptete irgendwann mal eine Körperverletzung. Da gab es schon mal einen Prozess, die Sache wurde eingestellt. Da hieß es bedauernd: "Der Sauhund ist davon gekommen."

Verleumderische Anrufe beim Arbeitgeber

Anfang April kam es zum "Höhepunkt" des jahrelangen Streits, wie Verteidiger Johannes Driendl es ausdrückte. Er, bis zu seinem Renteneintritt in einem ehrbaren Beruf tätig, rief beim Arbeitgeber seines Nachbarn an: Ob der denn wissen, wen er da beschäftige? Nämlich einen "Kinderficker", den er eigentlich rausschmeißen müsse. Und seine Ehefrau rief am selben Tag beim Arbeitsgeber der Nachbarin an. Ob ihm bekannt sei, dass die Nachbarin ein "Verhältnis" mit einem Vorgesetzten habe?

Beide Behauptungen waren erfunden und deshalb setzte es Anklagen wegen Verleumdung. Das Ehepaar bestritt die Anrufe nicht: "Irgendwann wurden nur noch Lügen erzählt." Und rechtfertigte sich. Der Rentner etwa berichtete, dass er sich geweigert habe, bei einem in seinen Augen anzüglichen Spiel mit einem 13-jährigen Mädchen mitzuspielen. Nur deshalb habe er sich zu der Behauptung "Kinderficker" hinreißen lassen. Und im übrigen: "Er hat ja auch bei meinem Arbeitgeber angerufen und mich schlecht gemacht. In der Altstadt haben sie ein Spottlied auf mich gedichtet. Mir hat es an dem Tag einfach gereicht, als auch noch behauptet wurde, ich würde meine Frau schlagen. Ich wollte es ihm heimzahlen." Vergeltung für Demütigungen, wie etwa, "dass in der ganzen Altstadt herumerzählt wird, ich sei ein pädophiles Schwein". Und das nur, weil er dem Nachbarsmädchen von einem Besuch in der "Tschechei" Spitzenunterwäsche mitgebracht habe.

Revanche folgt auf Revanche

Der Angeklagte berichtete auch, ihm sei ein "Verhältnis" mit der Nachbarin angedichtet worden: "Ich bin regelmäßig mit ihrem Hund Gassi gegangen. Und eines Tages sagte sie zu mir: Deine Frau ist weg, jetzt geh' ich mit Dir. Vielleicht hat sie was von mir gewollt, es war aber nichts." Seine mitangeklagte Ehefrau betonte, sie und ihr Mann seien nicht getrennt gewesen. Sie habe nur woanders gelebt, weil sie ihre Mutter gepflegt habe. Und die Nachbarin habe ihr den medizinischen Dienst auf den Hals gehetzt mit der Behauptung, sie stelle ihre Mutter mit Tabletten ruhig. "Der medizinische Dienst hat mir aufopfernde und vorbildliche Pflege bescheinigt."

Ihr Ehemann bekannte: "Ja, wir wollten die Kündigung erreichen durch die Anrufe." Richter Käsbohrer wandte ein: "Dann wäre der Streit noch größer gewesen." Worauf ihm der Angeklagte entgegnete: "Ja, größer schon. Aber ich wäre zufrieden gewesen." Verteidiger Driendl hakte ein: "Sowas geht gar nicht. Das dürfen sie nicht." Und der Angeklagte bekannte: "Das weiß ich jetzt auch." Und überhaupt: Seit den Anrufen und die darauf folgenden Anzeigen hätten er und seine Frau sich an die "Anordnung" des Verteidigers gehalten "jeden Kontakt zu meiden. Eigentlich will ich nur noch meine Ruhe."

Richter Käsbohrer wünschte sich: "Wenn ich nur hellsehen könnte, was weiter passiert, ob der Streit jetzt dann wirklich vorbei ist." Oder ob der Fall in einer anderen Besetzung wieder auf seinem Tisch landet? Zumindest ist jetzt erstmal Burgfrieden: Die Verleumdungsverfahren wurden wegen geringer Schuld eingestellt, aber eine empfindliche Geldauflage in Höhe von 1300 Euro gegen das Ehepaar gab es als spürbare Sanktion doch.

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