Warum der Stolzing ein Mooniac ist

Von Michael Weiser

Er ist so gern in Bayreuth, dass er sich manchmal schon wie ein Franke fühlt. Was ja auch gut zu seiner aktuellen Rolle passt: Klaus Florian Vogt singt in Barrie Koskys Inszenierung der „Meistersinger“ den Walther von Stolzing. Wie er mit der Rolle des fränkischen Ritters zurechtkommt, was ihn ein bisschen traurig stimmt, wie die Stimmung bei den „Meistersingern“ ist: Wir sprachen mit dem Tenor über all dies und noch einiges mehr.

 
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Herr Vogt, Sie sind ein Mooniac.

Klaus Florian Vogt: Woher kennen Sie das denn?

Ich hab’s im Internet gelesen. So nennt man doch die Leute, die Mooneys fliegen, ziemlich schnelle Flugzeuge.

Vogt: Stimmt. Meine macht eine Reisegeschwindigkeit von 160 Knoten, das sind rund 300 Stundenkilometer.

Ausreichend Pausen

Wie sind Sie denn angereist?

Vogt: Ich habe alles hier.

Auto Motorrad, Campingmobil und Flugzeug? Haben Sie das dann auch genutzt, wenn Sie beispielsweise mal schnell zum „Tannhäuser“ nach München mussten?

Vogt: Nach München zu fliegen, ist nicht sinnvoll, das ist zu nah an Bayreuth dran. Und die Flugplätze rundherum sind dann doch wieder weit weg von der Stadt. Mit dem Auto ist die Anreise sinnvoller. Berlin mit dem Flugzeug zu erreichen, kann man sich schon eher überlegen.

Auch dort sind sie öfter. Sie sind ja auch ein Maniac, einer, der viele Rollen übernimmt.

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Vogt: Ja, es ist manchmal schon viel. Aber das empfinde ich nicht als negativ, ich bin gerne unterwegs.

Das stresst Sie nicht?

Vogt: Eigentlich nicht. Ich  lege mir die Termine so, dass es  gut machbar ist, mit ausreichend Pausen und  Ruhezeiten. Und das geht hier in Bayreuth immer besonders gut.

Wo halten Sie sich am liebsten auf, um Frischluft zu schnappen?

Vogt: In Fichtelberg zum Beispiel. Aber hier gibt es auch eine Reihe von kleinen Seen, man kann schwimmen, einfach mal in der Natur sein. Solche Ausflüge mache ich ebenso gerne im Fichtelgebirge wie in der Fränkischen Schweiz.

Wie alt ist denn Ihr Sohn?

Vogt: Der wird zehn.

Der geht zu bestimmten Zeiten auch hier zur Schule. Fällt es ihm leicht, immer mal wieder die Schule zu wechseln?

Vogt: Das müssten Sie ihn fragen. Was ich beobachte ist, dass es ihm Spaß macht. Er ist einfach gerne hier.

Das hört sich nach Bekenntnis zu Oberfranken an. Sind Sie ein Fan?

Vogt: Ich bin  einfach unglaublich gern hier, gelegentlich komme ich auch  außerhalb der Festspielzeit.

"Im zweiten Akt fällt Stolzing in Verzweiflung"

Passt zu ihrer neuen alten Rolle.

Vogt: Ja, Stolzing ist ein Ritter aus Franken.

Ein junger Ritter.

Vogt: In meinen Augen ist er  eher eine alterslose Figur.

Und einer der Guten. Wieder mal, wie auch der Lohengrin oder der Parsifal. Sind Siedas?

Vogt: Ich kann nur sagen, dass ich mit diesen Charakteren viel anfangen kann. Ich glaube, dass ich in diese Figuren viel einbringen kann.

Was ist der Reiz daran, immer zu den Guten zu gehören?

Vogt: Ich finde überhaupt nicht, dass Stolzing nur einfach  auf der richtigen Seite steht und es damit genug ist. Er ist auch manchmal überfordert,  der Weg zu dieser Frau  führt ihn durch ein tiefes Tal. Insofern ist die Rolle auch dramaturgisch eine dankbare Partie, eine mit vielen Farben. Am Anfang ist Stolzing dieser leicht freche Typ, im zweiten Akt fällt er in tiefe Verzweiflung und ist drauf und dran, alles  hinzuwerfen und einfach imt Eva wegzulaufen. Er stellt sich der Herausforderung nicht und versucht stattdessen, einen Weg zu finden, trotzdem diese Frau zu erringen. Sie ist es , die ihn bewegt.

Wagner war sehr vielschichtig

Denken Sie, dass da auch Wagner in dieser Figur steckt?

Vogt: In all diesen Figuren steckt ein Teil von Wagner selbst. Etwas davon, was ihn bewegt hat, etwas, das dazu geführt hat, diese Stoffe zu bearbeiten und diese Figuren zu entwickeln. Daran kann man erkennen, wie vielschichtig Wagner  war: aus seinen Opernfiguren kann man es herauslesen.

Im Hans Sachs hat er sich auch verewigt, in einer ziemlich positiven Gestalt.

Vogt: So, wie die Inszenierung hier  konzipiert ist, sind auch die andern keine negativen Figuren. Den Stoff zu überfrachten – davon halte ich nichts.

Wie war die Arbeit mit Barrie Kosky?

Vogt: Wir haben wahnsinnig viel Spaß. Das liegt an vielen Dingen. Zum einen, dass Barry Kosky eine sehr positive Ausstrahlung hat. Es gelingt ihm, eine lockere Arbeitsatmosphäre herzustellen. Da ist nichts aufgesetzt, er ist ganz natürlich und hat einfach unglaublich viele Ideen. Für mich bedeutet das, dass ich viel „Futter“  für meine Rolle bekomme. Er ist ein unglaubliches Theatertier und  hat einen genauen Blick für technische und dramaturgische Details, die wichtig sind. Jetzt sind wir dabei, Szenen und Akte zu wiederholen, und trotzdem kommt wieder und wieder Neues hinzu, er entwickelt seine Inszenierung ständig weiter. Und deswegen kommen alle gerne zu den Proben und sind ganz bei der Sache. Es ist eine sehr schöne und sehr angenehme Atmosphäre.

Was Vogt beim Münchner "Tannhäuser" störte

Die herrschte im vergangenen Jahr nicht unbedingt… Stichwort Sicherheitskonzept.

Vogt: Mir macht es  deutlich mehr Spaß, wenn die Situation es um mich herum positiv und nicht belastend ist. Das hilft  mir sehr, mich zu öffnen und mich in meiner Rolle zu entwickeln. Das ist für mich ganz wichtig.

Wie war das bei Castelluccis „Tannhäuser“ in München? Wie ist das, sich selbst beim Verwesenzuzusehen?

Vogt: Gewöhnungsbedürftig.

Und dann steht auch noch „Klaus“ und „Anja“ auf den Sarkophagen, für Sie und Anja Harteros, die Hauptdarsteller…

Vogt: Ich empfinde es ehrlich gesagt als störend. Die Rom-Erzählung ist schwierig genug, und wird nicht leichter, wenn hinter einem die Wagen herumrollen (die Leichenfiguren in diversen Stadien der Verwesung transportieren, Anm. der Redaktion. Irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt, aber ich empfinde die Szene als nicht sehr freundlich dem Sänger gegenüber. Trotzdem hat dieser dritte Akt eine eigene Atmosphäre und eine große Kraft.

"Schön, zwischen lauter Mädchen zu planschen"

Da machte der „Parsifal“ im vergangenen Jahr möglicherweise mehr Spaß. Icherinnere an die Szene im Hamam…

Vogt: Das macht schon Spaß, zwischen lauter schönen Mädchen im Wasser zu plantschen.

Oh, da höre ich Abschiedsschmerz.

Vogt: Ja,  ein bisschen. Nicht, dass jetzt ein Kollege die Partie übernimmt (Andreas Schager, Anmerkung der Redaktion), aber  ich bin schon ein bisschen traurig, dass ich in dieser Produktion jetzt nicht singe. Doch darüber tröstet mich die  Arbeit an den „Meistersingern“hinweg, weil diese Produktion mir wirklich sehr viel Spaß macht.

"Jordan ist sehr genau"

Was kann da noch kommen?

Vogt: Im Moment denke ich nur an den Stolzing, nicht weiter. Es fehlt noch Tristan, und es fehlen noch die beiden Siegfriede. Die ich mit Absicht noch nicht gesungen habe.

Siegfried, okay, das kann man sich bei Ihnen gut vorstellen. Aber Tristan ist schon ein sehr düsterer Held. Passt das?

Vogt: Ich glaube schon, dass mir zu dieser Geschichte und zum Tristan etwas einfällt. Doch, ganz sicher.

Was fällt Ihnen zur Arbeit mit Ihrem Dirigenten ein, mit Philip Jordan?

Vogt: Das ist  eine sehr gute Zusammenarbeit. Er legt viel Wert auf die Texte und auf rhythmische Genauigkeit -  überhaupt arbeitet er sehr genau. Das macht großen Spaß.