Uraufführung der Oper "Wahnfried"

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Intrigen, Machtkämpfe, Zwangsjacken, Hass, Rassismus, Intoleranz: Das ist der Stoff für große Oper - vor allem, wenn das alles in Richard Wagners Bayreuther Villa Wahnfried spielt.

 
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Nach mehr als einem Jahrzehnt wagt sich das Badische Staatstheater erstmals wieder an die Uraufführung einer abendfüllenden Oper. „Wahnfried“ ist Teil der Reihe „Politische Opern“ und ergänzt den neuen Karlsruher „Ring des Nibelungen“. Das Textbuch nach einem Konzept von Bernd Feuchtner stammt von Lutz Hübner und Sarah Nemitz, den derzeit meistgespielten deutschsprachigen Theaterautoren. Die Musik komponierte der junge, in Tel Aviv geborene Avner Dorman.

Das Werk ist musikalisch von atemberaubendem Tempo und voll mit schwarzem Humor. Entsprechend begeistert reagierte das Premierenpublikum.

Die Oper könnte auch den Titel „Chamberlain“ tragen. Sie handelt nämlich von den Verstrickungen des Wagner-Clans in die deutsche Ideologiegeschichte am Vorabend der Hitler-Herrschaft. Dabei geht es aber nicht um Familienklatsch. Houston Chamberlain, der britische Schmetterlingsforscher, Rassentheoretiker und fanatische Antisemit übernimmt nach Wagners Tod im Hause Wahnfried die Deutungsherrschaft über das Werk Wagners. Die Geschichte beginnt nach Wagners Tod 1883 und endet 1923 mit der Aufnahme Adolf Hitlers in den Wagner-Clan.

Für das Autorenpaar Hübner/Nemitz ist es schon das dritte Opernlibretto. Dass die beiden das Dramatiker-Handwerk beherrschen, haben sie mit einer Fülle äußerst erfolgreicher Stücke bewiesen. „Frau Müller muss weg“ erreichte in Sönke Wortmanns Verfilmung über eine Million Zuschauer. „Wahnfried“ strotzt vor Wortwitz, Anspielungen und skurrilen Figuren: Da gibt es einen „Wagnerdämon“, Hitler wird von einem lyrischen Tenor gesungen, der russische Anarchist Bakunin schmeißt zusammen mit dem jungen Wagner Bömbchen, und der Chor der Wagnerianer unterfüttert alles mit besserwisserischen Plattitüden.

Der in den USA lebende Avner Dorman schreibt eine vor Ideenreichtum funkelnde Musik. Sein israelisches Elternhaus war durchdrungen von deutscher Musik und Literatur. Und so plündert er munter den Fundus der Musikgeschichte. Da erklingen der Zirkusmarsch „Einzug der Gladiatoren“ und der Trauermarsch aus Wagners „Götterdämmerung“. Die meisten Zitate sind aber versteckt und mit schrägen Harmonien verfremdet. Dorman ist vor allem vom Jazz, der Minimal Music und der Barockmusik beeinflusst. Seine Musik entwickelt einen unwiderstehlichen Sog. Der hochengagierte Justin Brown sorgt mit seiner fulminant aufspielenden Badischen Staatskapelle für die perfekte Umsetzung der virtuos instrumentierten Partitur.

Der Badische Staatsopernchor (Ulrich Wagner) bewältigt seinen Riesenpart mühelos. Das vierzehnköpfige Solistenensemble agiert aus einem Guss; hervorzuheben: Matthias Wohlbrecht als Chamberlain und Christina Niessen als Cosima Wagner. Regisseur Keith Warner überschüttet das Publikum mit einer Bilderflut (Bühne: Tilo Steffens; Kostüme: Julia Müer). Und so gibt es am Schluss Ovationen für alle Mitwirkenden.

 

dpa

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