Unternehmer, Helfer und Zeitzeuge: Bayerlein feiert am Sonntag seinen 80. Geburtstag - Hohe Auszeichnung am Freitag Klaus Bayerlein: Zahlenmensch mit Herz

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Zahlenmensch mit großem Herz für seine Mitmenschen: Klaus Bayerlein feiert am Sonntag seinen 80. Geburtstag. Zwei Tage vorher wurde er mit dem Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik für sein soziales Engagement geehrt. Foto: Eric Waha Foto: red

Er ist ein Mann der Gegensätze. Gegensätze, die sich anziehen. Preußisch akkurat, tiefste Bayreuther Wurzeln. Von früher Jugend an ein Mensch der Zahlen. Und trotzdem einer, der anpackt. Ein Weltmensch mit der unstillbaren Neugier, in seinem kleinen Bayreuth genau hinzuhören. Nachzufragen, Geschichte aufzusaugen. Geschichte weiterzugeben, die wenige Menschen so gut kennen wie er. Am Sonntag wird Klaus Bayerlein 80.

 
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Am Freitag ist er für sein soziales Engagement mit dem Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik ausgezeichnet worden.

Klaus Bayerlein, der in seinem Büro - das in der Eduard-Bayerlein-Straße liegt, benannt nach seinem Urgroßvater - mit "Herr Doktor" angesprochen wird, ist kein Mann des großen Auftritts. Leise. Höflich. Zurückhaltend. "Ausgesprochen bescheiden, er stellt sich nie in den Vordergrund." So charakterisiert ihn Jürgen Wolff, Geschäftsführer des Evangelischen Bildungswerks, der mit Bayerlein seit Jahren beim Verein Agus, Angehörige um Suizid, im Vorstand zusammenarbeitet. Wolff sagt: "Wenn mich jemand fragt, ob ich ihm einen ehrbaren Kaufmann nennen kann, dann denke ich sofort an Klaus Bayerlein. Ein Kaufmann durch und durch. Mit ganz hohem Ethos." Bayerlein, sagt  Wolff, sei "durchaus unmodern in der heutigen Zeit", in der es um Gewinnmaximierung gehe. Nicht um die Menschen, die dafür sorgen sollen. "Klaus Bayerlein ist ein Mensch, der immer um das Gemeinwohl bemüht ist. Egal, wo er sich einsetzt." Ob es bei der IHK ist, wo er seit 1969 Mitglied des IHK-Gremiums ist oder im IHK-Steuerausschuss, in dem er mehr als 40 Jahre Mitglied und jahrelang auch Vorsitzender war. "Bei den Freunden des Historischen Museums, oder bei Agus."

Agust spielt zentrale Rolle

Agus spielt eine zentrale Rolle bei Bayerlein in den vergangenen mehr als 25 Jahren. Nicht allein aus der eigenen schmerzlichen Erfahrung heraus, die Bayerlein im Gespräch mit unserer Zeitung nur mit einem Satz erwähnt: "Meine Frau hat sich nach langen Jahren der Depression das Leben genommen." Bayerlein war der Mann, der die Agus-Gründerin Emmy Meixner-Wülker "immer wieder eingefangen hat", wie er es beschreibt. Wolff sagt, Emmy Meixner-Wülker sei die Frau gewesen, die vorgeprescht sei, die Tabus gebrochen hat. "Bayerlein war der Mann mit dem wirtschaftlichen Ansatz, der verbindlich war, der sich nie in den Vordergrund gedrängt hat." Der aber unermüdlich gearbeitet hat, um Geld zu beschaffen für eine Arbeit, die Licht in eine gesellschaftliche Dunkelzone bringen soll. "In so einem Fall weichen selbst die freundlichen Nachbarn aus. Der Betroffene bleibt einsam, weil keiner damit umgehen kann", sagt Bayerlein. Selbstmord. Selbst die Kirchen haben Probleme im Umgang mit Menschen, die sich das Leben genommen haben. Immer noch. Ebenso wie die Geldgeber, die Selbsthilfegruppen unterstützen. "Wir passen in keinen Etat hinein", sagt Bayerlein. "Die Förderung durch die Krankenkassen ist die einzige Einnahmequelle. Und die Spenden von Betroffenen. Selbst die kleine Agus-Stiftung, die ich eingerichtet habe, fand keine großen Zuspender." Agus arbeitet gegen das Tabu an.

Soziales Engagement nur eine Facette seines Lebens

Doch das soziale und ehrenamtliche Engagement des Klaus Bayerlein, das sich in vielen weiteren Ehrenämtern ausdrückt, ist nur eine Facette eines Lebens, aus dem sich rein aus dem Erfahrungsschatz heraus mehrere machen ließen. Bayerlein. Dieser Name hat Gewicht in der Stadt. Zusammen mit den beiden anderen - größeren - Spinnereibetrieben, der Mechanischen Baumwollspinnerei und der Neuen Spinnerei Bayreuth (NSB) haben die Bayerleins im 19. Jahrhundert das Stadtbild entscheidend mitbestimmt. Riesige Flächen, bebaut mit großen Backsteingebäuden, dazu die Wohnhäuser für die Arbeiter. Die heutige Casselmannstraße war Spinnereien-Land. "In der sechsten Generation habe ich hier das Textilgeschäft der Familie aufgegeben", sagt Bayerlein. 1809 hat Bayerleins Urururgroßvater Johannn Gotthelf Bayerlein das Haus Maxstraße 58 ersteigert "und vom Magistrat die Lizenz im Namen des Kaisers Napoleon bekommen, einen Textilhandel zu eröffnen". Grundstein für die Bayerlein-Dynastie, die das Geschäft stetig ausbaut. Einen Höhepunkt erreicht die Produktion, als Eduard Bayerlein, Urgroßvater von Klaus Bayerlein, die Spinnerei mit Dampfbetrieb baut. "Gleich neben die NSB, die Carl Schüller ein paar Jahre zuvor dort errichtet hat." 

Betrieb wurde 1945 fast komplett zerstört

Zwischen 700 und 1000 Menschen arbeiten in der Spinnerei, die kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört wird. "An diesem 5. April 1945 habe ich im Garten gespielt, als ich die ersten Flugzeuge und die ersten Bomben fallen gesehen habe. Wir sind sofort in den Keller unseres Hauses geflüchtet. Die zweite Welle hat viele Ersthelfer und junge Bayreuther erwischt, die am Wilhelmsplatz helfen wollten." Bayerlein sagt, vor 1945 sei es "recht friedlich in Bayreuth" gewesen. "Nur im Januar 1941 gab es einen Luftangriff. Ein einziges englisches Flugzeug kam über die Stadt und hat auf jede der drei Spinnereien jeweils eine Bombe abgeworfen. Es war nie klar, warum." Klaus Bayerleins Vater Fritz, der zu der Zeit die Geschäfte führt, baut den Betrieb wieder auf. Mit Hilfe der beiden Söhne Klaus und Dieter. "Ab 1946 haben wir fast jeden Nachmittag auf der Baustelle verbracht und Steine geklopft", sagt Bayerlein. 

Der eine Bruder ist für Technik zuständig, der andere für Zahlen

Früh sei klar gewesen: Er sei der eher zahlenorientierte Mensch, sein eineinhalb Jahre jüngerer Bruder der Techniker. Deshalb studierte Klaus Bayerlein Betriebswirtschaftslehre. "In den Semesterferien war ich immer unterwegs bei Praktika. Versicherungen, Banken, bei IBM, in Webereien." Bayerlein ist in der ganzen Welt unterwegs. Erlebt unvergessliches. 1957 etwa, als er in den USA in Memphis/Tennessee im Baumwollhandel hospitiert, "habe ich erlebt, wie Sputnik über die USA geflogen ist. Diesen Samstag werde ich nie vergessen".

Mit Sorgen nach Bayreuth zurück

Sechs Jahre später, nach Studium und Promotion, kommt Bayerlein zurück nach Bayreuth. Steigt ein in den Betrieb des Vaters, der sich auf synthetische und Buntspinnerei spezialisiert hatte. "Ein Betrieb, der nicht zuletzt wegen der furchtbaren Stillstandszeiten durch die Reinigung schneller an seine wirtschaftlichen Grenzen kam, als die Billigprodukte importiert wurden", sagt Bayerlein. "Ich war nach dem Studium schon mit Sorgen hierher zurückgekehrt." 1972 kommt ein Übernahmeangebot aus Kulmbach: "Sie sagten, wir kaufen den Betrieb. Aber ohne die beiden Söhne."

30 Jahre im Garnvertrieb unterwegs

Deshalb baut Bayerlein sich mit der Rotspindel-GmbH, die es im Betrieb vorher schon gab, einen Vertrieb für italienische Garne auf. "30 Jahre lang war ich Vertreter für italienische Spinnereien." Und er führt Baumwollgarne aus Entwicklungsländern ein, die er an deutsche Baumwollweber verkauft. "Die Außenhandelsdienstleistungen habe ich übernommen und ab Lager verkauft. Das lief im großen Stil. In Bayreuth war ich damit ein Exot." Parallel dazu lief, und läuft heute noch, das Geschäft der Bayerlein Verwaltungs-GmbH. Hausverwaltung der eigenen Gebäude und als Dienstleister für andere. Ein Unternehmen, in das inzwischen Bayerleins Neffe Axel eingestiegen ist. Noch heute kommt Bayerlein jeden Tag ins Büro. An den Schreibtisch, an dem schon sein Urgroßvaters gearbeitet hat. "Ich bin dabei, alles hier zu sortieren und zu ordnen. Einen vollen Arbeitstag schaffe ich nicht mehr. Ich bin dankbar, dass ich gesund bin, aber ich muss mit meinen Kräften haushalten."

Freude über den Verdienstorden

Der Verdienstorden, den Bayerlein am Freitag bekam, widmet er den Mitarbeitern von Agus. "Eine Freude, dass unsere Leistung anerkannt wird. Das hat viel Arbeit gekostet. Ich hoffe, dass der Verein dadurch mehr Aufmerksamkeit bekommt."

     

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