Uni: Digitalisierung überrollt Unternehmen

Von Norbert Heimbeck
Der Tabletcomputer hilft: Nur ein Foto und die Mitarbeiter der Malerwerkstatt Hölzel wissen, wieviel Farbe sie zum Streichen der Fassade benötigen. Foto: Archiv Foto: red

Die Digitalisierung überholt die Unternehmen und die IT-Verantwortlichen haben keine Antworten auf zentrale Fragen der Umgestaltung. Das ist die Essenz einer Studie der Universität Bayreuth, die große Defizite nicht nur bei den Mitarbeitern, sondern auch bei den Führungskräften deutlich macht. Doch es gibt auch Ausreißer, sagt Johanna Erlbacher, Projektleiterin des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk Süd: „Wir haben einige Firmen, die in Sachen Digitalisierung sehr weit sind“.

 
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Eine Forschergruppe der Universität unter Leitung von Maximilian Röglinger hat 150 IT-Verantwortliche und Führungskräfte international agierender Unternehmen zur Digitalisierung befragt. Viele gäben offen zu, im Dunkeln zu tappen, sagt Michael Römer, der an der Studie mitwirkte. Mehr als 70 Prozent der Befragten hätten zwar bereits eine digitale Agenda, scheiterten jedoch an der Umsetzung. Ein Drittel der Befragten (27 Prozent) lasse sich als ‚digital deniers‘ (das heißt, sie leugnen die Notwendig der Digitalisierung) bezeichnen, die weder für den digitalen Wandel gerüstet sind, noch diesen systematisch verfolgen. 

90 Prozent sehen Qualifikationsbedarf

Laut Röglinger gibt es eine Lösung für diese Probleme: Wenn nämlich die Veränderung in den Unternehmen gemeinsam von den IT-Experten und dem Fachpersonal angegangen werde. Mehr als drei Viertel der Befragten sehen es als zwingend an, die bisherige Trennung zwischen Fach- und IT-Seite zu überwinden. Handlungsbedarf sehen die Unternehmen auch bei der Qualifikation: 70 Prozent fordern Weiterbildung der Mitarbeiter für die Digitalisierung und 90 Prozent sehen Qualifikationsbedarf auch im mittleren und oberen Management. 

Kompetenzzentrum will helfen

Mit all diesen Fragen sind auch Handwerksbetriebe in Oberfranken konfrontiert. In Bayreuth ist eines von bundesweit vier Digitalen Kompetenzzentren für das Handwerk eingerichtet. Johanna Erlbacher sagt: „Wir haben einige Betriebe in der Region, die schon sehr weit sind. Aber es gibt auch andere, da ist noch viel zu tun.“ Die Zahlen sprechen für sich: Knapp 30 Prozent der oberfränkischen Handwerksbetriebe haben in den vergangenen zwölf Monaten in Digitalisierung investiert. Die Mehrzahl der Maßnahmen lag in den Bereichen der Kundengewinnung und der Betriebsorganisation. Trotz der kurzen Zeit bewerten 35 Prozent der Chefs diese Investitionen als positiv. 24 Prozent der Inhaber wollen in den kommenden zwölf Monaten digital nachbessern, neben den Bereichen Kundengewinnung und Organisation stehen Datenschutz und Systemsicherheit im Vordergrund.

Bäcker und Maler als Leuchttürme

Firmen, die in Sachen Digitalisierung besonders gut dastehen – Erlbacher spricht von „Leuchttürmen“ – sind etwa das Fickenschers Backhaus in Münchberg und der Malerbetrieb Hölzel in Wüstenselbitz. Andreas Fickenscher setzt die Technik ein, damit „unsere Leute wieder Zeit für ihr Handwerk haben: für das Brot backen.“ Bisher mussten bis zu 15 verschiedene Zutaten für Brot von Hand abgewogen werden, nun erledigt das ein computerisiertes Wiegesystem. Dank eines neuen, mit Sensoren bestückten Kessels kann der Sauerteig wieder so bearbeitet werden, dass er schmeckt wie von Hand gemacht. Kunden, die über die Zutaten informiert werden wollen, bekommen diese im Laden aufs Verkaufsdisplay projiziert.

Tschüss, Zollstock

Hans-Christian Hölzel spart sich durch Digitalisierung jede Menge Zeit, die für bürokratische Aufgaben aufgewendet werden muss. Zollstock, Block und Bleistift sind bei Maler Hölzel durch elektronische Helferlein ersetzt worden. So fotografiert er mit dem Tabletcomputer die Hausfassade eines Kunden und die Software zieht Fenster und Türflächen ab und rechnet aus, wie viel Farbe gebraucht wird. Mitarbeiter können per Smartphone auf der Baustelle die Zeiterfassung starten und Auftragsdetails abrufen.

Computer regelt das Pfand

Ein weiteres Projekt betrifft eine Brauerei, die den Einsatz der RFID-Technologie testet: Das Pfandsystem wird von Zettelwirtschaft auf Elektronik umgestellt. Transponder an den Fässern speichern Rückgabedatum und Kundennamen. Außerdem erledigt die Technik künftig die automatische Registrierung des Abfüll- und Mindesthaltbarkeitsdatums.

Noch lange nicht am Ende

Von diesen „Leuchttürmen“ spricht Johanna Erlbacher gerne. Doch es gibt in Oberfranken auch noch Betriebe, die noch Faxe verschicken zum Beispiel. Oder deren Sekretariat Erlbacher zeigen muss, wie Dokumente eingescannt werden. Seit dem vergangenen Jahr leitet die Diplomingenieurin das Digitale Kompetenzzentrum in Bayreuth. Mehr als 2300 Handwerker haben in diesem Zeitraum Vorträge und Seminare besucht, die das Kompetenzzentrum alleine oder mit Partnern angeboten hat. Zunächst ist die Arbeit des Kompetenzzentrums im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums bis Ende 2018 gesichert, dann gibt es eine Option auf Verlängerung für zwei Jahre. Erlbacher: „Aber auch dann sind wir mit unserer Arbeit nicht fertig. Denn es wird immer weitere Neuerungen geben.“

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