Über Landstraße ohne Gehweg Beschwerlicher Schulweg: Wer zahlt für die Fahrt?

Marc läuft eine kurvige Landstraße entlang. Der Junge muss rund zwei Kilometer zu Fuß zur Haltestelle seines Schulbusses laufen. Foto: Nicolas Armer Foto: dpa

Eine kurvige Landstraße liegt auf Marcs Schulweg. Im Sommer muss der 13-Jährige sie einmal am Tag entlanglaufen, weil dort kein Bus fährt und seine Eltern nur eine Fahrt übernehmen können. Muss der Landkreis dem Jungen ein Taxi bezahlen? Ein Gericht soll entscheiden.

 
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Marktschorgast - Einmal, erzählt Marc, war es ganz knapp. Da sei ein Auto dicht an ihm vorbeigerauscht und habe ihn fast erwischt. Ob er sich erschrocken hat? Marc macht große Augen. "Ja, ziemlich."

Der 13-Jährige kommt aus Marktschorgast, tief in Oberfranken. Um zu seiner Schule im Nachbarort zu gelangen, muss er zur Bushaltestelle laufen - über eine kurvige Landstraße, auf der Tempo 80 gilt. Marcs Stiefvater sagt: viel zu gefährlich. Er fordert, dass das Landratsamt Kulmbach Marc das ganze Schuljahr über eine Taxifahrt am Tag bezahlt. Die andere Fahrt kann in der Regel die Mutter übernehmen. Das Landratsamt aber sagt, im Sommer sei der Fußweg zumutbar - und will nur im Winter für das tägliche Taxi zahlen.

Wer muss also für Marcs Schulweg aufkommen? Mit dieser Frage will sich heute der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschäftigen. Marcs Stiefvater Günter Landendörfer hatte zuvor beim Landratsamt geklagt. Seine Forderung wurde jedoch zurückgewiesen. Dafür hat Landendörfer kein Verständnis.

"Man kann da ein Kind nicht alleine losschicken", sagt er. "Es sind 2,3 Kilometer, die Hälfte davon auf diesem unübersichtlichen Überland-Weg. Die Strecke ist absolut einsam, links und rechts ist Wald und eine erwachsene Person läuft da eine halbe Stunde." Und Marc habe im vergangenen Jahr eine Operation wegen seiner X-Beine gehabt. "Der läuft unter Schmerzen. Aber auch für ein gesundes Kind geht das gar nicht." Im Sommer sei der Weg noch gefährlicher als im Winter - wegen des Blätterwerks der Bäume, die die Straße säumen.

Die Beförderung von Schülern ist in Bayern Aufgabe der Kommunen. Die müssen den Transport dann übernehmen, wenn der Schulweg in einer Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und es nicht zumutbar ist, den Weg auf andere Weise zurückzulegen. "Bei besonders beschwerlichen oder besonders gefährlichen Schulwegen könne auch bei kürzeren Wegstrecken die Notwendigkeit der Beförderung anerkannt werden", erklärte eine Sprecherin des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

Ähnlich sind die Regeln in Nordrhein-Westfalen. Für die Sekundarstufe I, also Haupt- und Realschüler sowie Gymnasiasten der Klasse 10, gilt dort: Ist der Schulweg mehr als 3,5 Kilometer weit, werden die Kosten erstattet. In Sachsen-Anhalt variiert die Grenze je nach Landkreis: von 1,4 Kilometer für Grundschüler bis zu 5 Kilometer für Schüler der Oberstufe am Gymnasium. Ausnahmen für besonders gefährliche Strecken wie in Bayern gebe es seines Wissens nach in Sachsen-Anhalt nicht, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums.

Ist Marcs Schulweg als besonders gefährlich einzustufen? Das Landratsamt Kulmbach sagt: zumindest in den Monaten Mai bis September nicht. Mit Urteil vom November 2017 habe das Verwaltungsgericht Bayreuth diese Rechtsauffassung bestätigt, teilte ein Sprecher mit. Bei einem Ortstermin in Marktschorgast wollen sich die Richter aus München an diesem Dienstag ein eigenes Bild von der Situation machen.

Henrike Paede, stellvertretende Vorsitzende beim Bayerischen Elternverband, kennt Marcs konkreten Fall nicht. Sie ist grundsätzlich dafür, Schülern auch herausfordernde Wege zuzumuten. Nur: Man müsse individuell schauen, wie ein Kind auf die Gefahren reagiert. "Wie leichtsinnig ist es? Wie gut kann es sich konzentrieren?", sagt Paede. Wichtig sei, dass Kinder lernen, wie sie mit Risiken auf dem Schulweg umgehen.

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