Tourismus: Billig läuft nimmer

Von Michael Weiser
Die Fränkische Schweiz ist Oberfrankens Kletterhochburg. Dennoch meinen Tourismusexperten, es dürften noch mehr Gästezahlen sein. Foto: red

Tourismus ist wichtig für die bayerische Wirtschaft, wichtig auch für Oberfranken. Da waren sich die Teilnehmer am Kongress „Potenziale der Tourismuswirtschaft in Oberfranken“ einig. Auch darin, dass es noch besser laufen könne. Wie? Konkrete Antworten auf diese Frage ließ der Kongress vermissen.

 
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Es gibt viel, und das überall in Oberfranken. Wer daran irgendeinen Zweifel gehegt hätte, wurde durch den Vortrag des Coburgers Andreas Engel eines besseren belehrt. Engel, Mitglied im Vorstand des Bezirks im Verband der bayerischen Wirtschaft, nahm die Gäste im „Liebesbier“ in Bayreuth auf eine Oberfrankentour mit, die in ihrem wilden Zickzack Ähnlichkeiten mit Fredl Fesls „Taxi-Lied“ aufwies: Nach dem Skifahren im Fichtelgebirge ins Markgräfliche Opernhaus, dann zu den Hofer Symphonikern und zum Samba-Fest in Coburg, den Korbflechtern in Lichtenfels und zum Klettern in die fränkische Schweiz. Eine jahreszeitlich wild durchmischte Tour de Force als Beleg für Engels Kernaussage: „Oberfranken ist nicht nur geographisch oben in Bayern, sondern auch touristisch vorn dabei. In Oberfranken lebt und arbeitet man gern.“

Übernachtungen: Fünf-Millionen-Grenze überschritten

Die Tourismusindustrie ist ein bedeutender Faktor in Bayerns Wirtschaft. 560.000 Menschen sind im Freistaat in der Branche beschäftigt. Die Zahl der Übernachtungen in Deutschlands begehrtestem Bundesland stieg um 3,7 Prozent auf 94,4 Millionen. Die Zahl der Gäste stieg um fünf Prozent auf 37,3 Millionen. Insgesamt klingelt fast jeder fünfte Euro, der in Deutschland in der Tourismusindustrie erwirtschaftet wird, in einer bayerischen Kasse. Auch Oberfranken bekommt was ab vom Reiseboom, die Zahl der Übernachtungen hat die Fünf-Millionen-Grenze überschritten.

Das ist gut, geht aber – gerade mit Blick auf die klassische Tourismusregion Oberbayern – noch besser. Engel sagte weiter: „Wir sind zwar schon auf dem richtigen Weg, aber wir schöpfen das Potenzial des Tourismus in Oberfranken noch nicht richtig aus. Da geht noch viel mehr.“ Als Hindernisse nannte er Überregulierung und ein unflexibles Arbeitszeitgesetz, nötig seien Investitionen in die digitale Infrastruktur und leichterer Zugang zum Kapital.

"Potenzial noch nicht richtig ausgeschöpft"

„Wir sind zwar schon auf dem richtigen Weg, aber wir schöpfen das Potenzial des Tourismus in Oberfranken noch nicht richtig aus“, sagte auch Andrea Luger, die Vorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, Bezirk Oberfranken. In der Tat: Oberfranken erreicht 38 Prozent Bettenauslastung, im Schnitt bleiben die Gäste zweieinhalb Tage, was Luger für ausbaufähig hält. Worin ihr Manuel Becher von der Bayreuth Marketing- und Tourismus-Gesellschaft in der abeschließenden Diskussion allerdings widersprach. „Die Leute fahren immer kürzer in den Urlaub“, sagte Becher, diesen Trend werde man nicht umkehren können. Manuel Becher äußerte die Hoffnung, dass die Wiedereröffnung des Markgräflichen Opernhauses Touristen in Scharen anlocke. Er sprach von einer stärkeren Vernetzung der Weltkulturerbestätten Würzburg, Bamberg und Bayreuth mit Regensburg. „Da laufen natürlich Gespräche.“ Letztendlich müsse sich aber „jeder an die eigene Nase fassen“.

Eine Gefahr benannte Luger - das Wirtshaussterben. 500 Gemeinden in Bayern besäßen kein eigenes Wirtshaus mehr, „es fehlt die wirtschaftliche Grundlage für den Tourismus.“ Fachkräftemangel nannte sie als weiteres Problem. Was Luger auf das „lebensfeindliche Arbeitszeitgesetz“ und die Medien mit ihrer angeblich pauschal negativen Berichterstattung über ihre Branche zurückführte. Dass beispielsweise angehende Hotelfachleute ihre Ausbildung in Umfragen miserabel bewerten, verschwieg Luger. Ein Ausweg aus der Krise könne „Effizienzgewinnung“ sein. Darunter zu verstehen sind offenbar Tante-Emma-Läden im Wirtshaus oder Dienstleistungen wie Paketannahme.

Landrat: Müssen weg vom Billig-Image

Landrat Hermann Hübner stellte fest, das der Stellenwert des Tourismus maßlos unterschätzt werde und sagte: „Wir kämpfen nicht gegen Windmühlenflügel.“ Staunen erregend war die Zahl, die Hübner für Fichtelgebirge und Bayreuth nannte: Dort würden dank des Fremdenverkehrs 750 Millionen Euro umgesetzt. Was Hübner zuwieder ist, hörte man auch deutlich: „Das tolle Preis-Leistungsverhältnis - ich kann es nicht mehr hören.“ Oberfranken habe ein Billigregion-Image, doch „Billigpreise sind von gestern“. Das Ziel müsse ein Ganzjahres-Tourismus sein. In der Fränkischen Schweiz etwa sei zwischen Oktober und März eher wenig los, „dann kommen die Osterbrunnen, und dann läuft’s“.

Ob die Wirtschaftsvertreter in den zwei Stunden die Probleme und Potenziale der Oberfränkischen Wirtschaft durchdrungen haben? Es durften zum Ende hin Fragen aus dem Publikum gestellt werden. Ein Zuhörer nannte die Zahl von zehn Thermen in der Umgebung, die weltweit vielleicht höchste Thermendichte - „ein Hammerargument“. Für den Tourismus, meinte er vermutlich. Dabei belegt es vor allem die Feststellung, dass Oberfrankens Tourismusziele nach wie vor zur Kirchturmpolitik neigen und Thermen auch dort bauen, wo nicht unbedingt großer Bedarf ist.

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