Tod im Krankenhaus: Tochter klagt

Von Andreas Gewinner
Die Mutter starb in der Hohen Warte, und ihre Tochter fragt sich, ob dabei alles korrekt gelaufen ist. Foto: Archiv (Patrick Seeger/dpa) Foto: red

Eine abgebrochene Zahnprothese, die in der Lunge landet, und eine Vorsorgevollmacht, die scheinbar keine Bedeutung hat – sie spielen eine Rolle bei einem Todesfall in der Hohen Warte von 2015. Strafrechtlich hatte der Fall keine Konsequenzen. Aber zivilrechtlich wird er jetzt wieder aufgerollt.

 
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Im November berichtete der Kurier über den Tod einer Frau aus dem Fichtelgebirge im Klinikum (siehe extra Bericht weiter unten). Darauf hatten sich zwei Leser gemeldet und über ähnliche Erfahrungen berichtet. In einem Fall – betroffen ist das Krankenhaus in Selb – ermittelt die Staatsanwaltschaft Hof noch. Im zweiten Fall – betroffen: die Hohe Warte – hatte die Staatsanwaltschaft Bayreuth ermittelt und keinen Anlass für eine Anklage gesehen.

Am 16. September 2015 stürzt eine 83-jährige Frau aus dem östlichen Landkreis Kulmbach im heimischen Bad. Sie kommt mit einem Bluterguss im Schädel in die Hohe Warte und wird am selben Tag operiert. Der Eingriff selbst verläuft offenbar erfolgreich, trotzdem geschah offenbar ein möglicherweise schwerwiegender Fehler: Beim Intubieren, also dem Einführen des Schlauches, mit dem während der Operation Sauerstoff und Narkosemittel reguliert werden, wurde der alten Dame ein Goldzahn abgebrochen. Auf Nachfrage erhält die Tochter vom Arzt die Auskunft, der abgebrochene Zahn sei wohl im Magen gelandet.

Nachdem es der alten Dame anfangs besser geht, erhält die Tochter einige Tage später einen beunruhigenden Anruf. Ein Arzt informiert sie, dass es ihrer Mutter gravierend schlechter geht. Und dass der abgebrochene Zahn gefunden worden sei: in der Lunge.

Die alte Dame hatte eine Patientenverfügung, die Wiederbelebung bei „reversibler“ Situation (=Aussicht auf Erfolg) erlaubt. Aber die Tochter hatte auch eine Vorsorgevollmacht. Der Arzt habe sie gefragt, ob wiederbelebt werden soll. Die Tochter verneinte das, weil ihre Mutter bereits im Sterben lag. Etwa eine Stunde später stirbt die alte Dame. Erst viel später erfährt die Tochter aus den Akten und dem Obduktionsbericht, dass es gleichwohl Wiederbelebungsversuche per Herzdruckmassage gegeben hatte. Und ihrer Mutter offenbar dabei der Brustkorb und Rippen gebrochen worden waren. Die Todesbescheinigung lautet auf Sepsis, also Blutvergiftung.

Wie bei der Frau aus dem Fichtelgebirge im vergangenen Herbst auch, wird auch diesmal vom Klinikum die Kripo eingeschaltet, die eine Obduktion in der Gerichtsmedizin in Erlangen veranlasst. Laut einem Aktenvermerk der Kripo Bayreuth wird im Obduktionsbericht der Zahn im unteren Bereich der Lunge erwähnt sowie eine Entzündung im oberen Bereich des selben Lungenflügels. Aber: „Eine Kausalität zwischen dem abgebrochenen Zahn und dem Tod der Verstorbenen kann (...) nicht erklärt werden.“ Der Obduktionsbericht stellt laut dem Aktenvermerk der Kripo vielmehr eine „Pneumonie (Lungenentzündung) als Folge eines Schädel-Hirn-Traumas“ fest. Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen ein, die Tochter legt keinen Widerspruch ein. Und entschließt sich ein Jahr später doch zu einer Zivilklage. Ihr geht es nicht nur um Schadenersatz. Den Tod ihrer Mutter hat sie auch nach über einem Jahr nicht verwunden, sagt sie, sie sei in psychologischer Behandlung und bereite den Auszug aus der Wohnung vor, in der sie mit ihrer Mutter gelebt hatte. Der Hauptgrund, dass sie an die Öffentlichkeit gegangen ist: „Ich will dass die Menschen wissen, dass eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht keine Garantie bieten, dass nicht doch Behandlungen vorgenommen werden, die man nicht will.“

Zum konkreten Fall kann die Klinikum Bayreuth GmbH keine Aussagen machen. Pressesprecher Frank Schmälzle erklärt warum: „Wir sichern unseren Patienten in dem Behandlungsvertrag zu, dass wir Stillschweigen über ihre Daten und den Verlauf der Behandlung wahren. Ausnahmen gelten nur für den Hausarzt/Facharzt des Patienten. Darüber hinaus sind wir an die Vorschriften des Paragrafen 203 des Strafgesetzbuches gebunden, der die Ärztliche Schweigepflicht regelt. Diese Schweigepflicht ist umfassend.“

In den beiden Betriebsstätten der Klinikum Bayreuth GmbH – Klinikum und Hohe Warte – werden pro Jahr mehr als 100 000 Patientinnen und Patienten ambulant und stationär behandelt.

Wie häufig kommt eine Zivilklage gegen das Klinikum vor? „Erfahrungsgemäß strengt pro Jahr im Durchschnitt weniger als einer unter 10 000 Patienten eine Zivilklage an, nachdem er in unserem Krankenhaus ambulant oder stationär behandelt wurde“, so Schmälzle. Diese Zahl sage nichts über Inhalt und Ausgang der Klage aus.

Und wie sieht es mit strafrechtlichen Fallen aus? „In den vergangenen zweieinhalb Jahren, solange als Dr. Joachim Haun Geschäftsführer der Klinikum Bayreuth GmbH ist, hat es kein Gerichtsverfahren gegeben, das die Staatsanwaltschaft nach Ermittlungen vorangetrieben hätte“, so Schmälzle, „auch zuvor ist uns kein solches Verfahren erinnerlich, dies lässt sich aber aufgrund der Eilbedürftigkeit der Anfrage nicht in vollem Umfang klären.“

Ermittlungen stehen vor dem Abschluss

Warum starb am 10. Oktober im Klinikum Bayreuth eine 70-Jährige aus dem Fichtelgebirge? Sind im Vorfeld ärztliche Fehler passiert? Das ermittelt die Staatsanwaltschaft Bayreuth seither (der Kurier berichtete). In wenigen Wochen soll entschieden werden, ob Anklage erhoben wird. Oder die Ermittlungen eingestellt werden.

Die Frau hatte sich 14 Tage vor ihrem Tod einer Operation am Unterleib unterzogen. Danach ging es ihr immer schlechter, wie die Tochter der Frau dem Kurier geschildert hatte. Im Raum steht der Verdacht, dass mit einer zweiten Rettungs-OP möglicherweise zu lange gewartet wurde. Nach dem Tod der Frau hatte das Klinikum, wie in solchen Fällen üblich, von sich aus die Ermittlungen in Gang gesetzt: wegen eines „ungeklärten Todesfalles“ (nicht wegen eines „unnatürlichen“ Todesfalles, wie Anfang November fälschlich im Kurier formuliert).

Zwischenzeitlich liegt der Staatsanwaltschaft ein Fachgutachten zu dem Fall vor. Leitender Staatsanwalt Herbert Potzel will sich zum Inhalt aber erst äußern, wenn der Rechtsanwalt der Familie sich zum Gutachten geäußert hat. Dafür hat er noch Zeit bis Mitte Februar. „Und dann wird es kurzfristig eine Entscheidung geben“, so Potzel auf Nachfrage.

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