Thema: Volksbegehren Nachhaltige Landwirtschaft sieht anders aus

Leserbrief von Pedro Gerstberger, Bayreuth,  Pflanzenökologe
 Quelle: Unbekannt

Zur Berichterstattung über das Volksbegehren "Artenvielfalt".

 
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Von den Vertretern des Bauernverbands hört man immer wieder das Argument, die Landwirte würden schon im Einklang mit der Natur wirtschaften. Selten ist eine Behauptung falscher als diese.

Wer mit offenen Augen an Feldern und Wiesen vorbeigeht, wird sehen, dass die Weizen- und Maisfelder blitzblank mit selektiven Herbiziden gespritzt wurden, sodass sich kaum noch Wildkräuter finden können. 90 Prozent der einstmals kraut- und blumenreichen Wiesen sind zu monotonen Feldgraskulturen umgewandelt worden, mit vier- bis fünfmaligem Schnitt und Güllegaben dazwischen.

Das halten Blühkräuter nicht aus. Sie können ihren natürlichen Lebenskreislauf nicht vollenden und durch die intensive Düngung werden sie von ertragreichen Gräsern restlos verdrängt. In der Folge sterben die Raupen der Schmetterlinge und anderer Insekten, die auf Wildkräuter, auf Nektar und Pollen angewiesen sind.

Sichtbar wird diese schleichende Verarmung erst, wenn man die Vielfalt der Schmetterlinge vor wenigen Jahrzehnten noch in der Erinnerung behalten hat. Dies wiederum setzt sich im Vogelsterben fort: Feldlerchen, Schafstelzen, Schwalben, Goldammern, Hänflingen, Stieglitzen, Kiebitzen, Rebhühnern und anderen wird ihre Nahrungsgrundlage entzogen.

Auch die Bodenfauna, also vor allem Regenwürmer, wird durch die massive Gülledüngung verätzt. Vielerorts wurden Wiesen umgebrochen, um Maisfelder anzulegen für die Biogasproduktion.

Da der Einsatz von Mais „gedeckelt“ ist (nicht mehr als 60 Prozent bei neueren Biogasanlagen) werden nun Getreidefelder im Milchreifezustand der Körner abgemäht und den Biogasanlagen zugeführt, zu einer Zeit, in der Rehkitze in den Feldern abgelegt werden oder Bodenbrüter ihre Jungen führen. Auch diese Kulturen werden alle mit rund 300 Euro pro Hektar und Jahr aus dem EU-Topf gefördert.

Eine nachhaltige und auf Naturbelange Rücksicht nehmende Landwirtschaft sieht anders aus, wird aber erfreulicherweise von einigen Öko-Landwirten betrieben. Diese viel stärker zu fördern, auf Kosten der Maisfelder, wäre eine sinnvolle Alternative. Die Umschichtung dieser EU-Flächenprämie, die von uns allen Steuerzahlern aufgebracht wird, zugunsten einer ökologischeren Landwirtschaft, ohne Artenschwund, Humusverlust, Nitratbelastung im Grundwasser oder Bodenerosion in die Bäche wünschen sich viele Bürger.

Und dass die Zahl der Bienen in den letzten Jahren doch angestiegen sei, ist der neuerlichen Zunahme der Imker zuzuschreiben, nicht etwa einer naturverträglichen Landwirtschaft. Dies meist in städtischen Regionen, wo in den Privatgärten ein artenreicher Blütenflor für Insekten auch noch im Hochsommer zur Verfügung steht. Blühstreifen mit allerlei Exoten, für die der Landwirt Fördergelder erhält, können hier helfen, sind aber insgesamt nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.