Thema: Tempolimit Spätpubertierend oder asozial?

Leserbrief von Peter Pilz, Bayreuth
 Quelle: Unbekannt

Zum Artikel „Die Mär von der sicheren Autobahn“, Kurier vom 31. Januar. 

 
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Das journalistische Sommerloch kennen wir alle samt den Tieren, die sich in ihm dann gewöhnlich tummeln.

Stellvertretend für die vielen bestiae novae unter diesen sei hier nur deren Urahn aus dem trüben Loch Ness erwähnt. Jetzt gesellt sich aber offensichtlich zum warm-heißen Loch des Sommers das eiskalte des Winters. Nicht anders scheint es ansonsten verständlich, dass nun so plötzlich aus dem Schreckenskabinett öffentlicher Meinungen das Tempolimit losgelassen wird und den Deutschen Automobilisten angrinst.

Und es malt mit gespreiztem Pinsel die Horrorszenarien, die der Heimat durch die riesengroße Meute verantwortungsloser Raser – vornehmlich aus der Clique von SUV-Trampeln und testosterontrunkenen Sportwagenjunkies – drohen, wenn, ja wenn es, das Tempolimit, nicht zum Zug käme. Dann aber brächen wohl herrliche Zeiten für alle an.

Wenn das Tempolimit – wie die meisten Locherscheinungen – mit dem einsetzenden Frühling wieder verschwände, wäre ja alles wieder gut. Wenn aber nicht? Was dann?

Was, oder besser, wer könnte es wollen, dass das Tempolimit auf Dauer bleibt, sich einnistet, nie mehr weggeht?

Es würde den Umfang dieses Leserbriefes sprengen, wollte man all die vielen aufzählen, die sich auf die bleibende Herrschaft des Tempolimits freuen. Hier soll vielmehr eine Lanze gegen das gleichmacherische, quasi edelkommunistische Limit gebrochen werden.

Gerne verlässt man sich in strittigen Fragen und Situationen auf sein Bauchgefühl,entscheidet eben nicht mit dem Gehirn, sondern dem Gefühl. Der Mensch ist nicht nur animal rationale, sondern offensichtlich auch und vielleicht sogar zum größeren Teil emotional handelnd. Und die „vernünftige“ Bestätigung wird nachgeliefert. Glück, Freiheit, Liebe empfinden wir spontan, und das ist auch gut so.

Die faktenorientiert argumentierenden Befürworter des Tempolimits werden wohl nie verstehen, dass begeisterte Autofahrer eine freie Fahrt mit positiven Gefühlen der erwähnten Art erleben können. Die Diskussionen und Debatten drehen sich doch meist nur um mathematisch-physikalische Werte im Mikro-und Nanobereich. Die emotionalen Seiten des Autofahrers werden beinahe ausschließlich im Negativen beleuchtet.

Wer gern einmal schneller fahren möchte, ist dann eben der Spätpubertäre, der Raser, der Asoziale. Berücksichtigt man aber die zutiefst menschliche Emotionalität, wird klar: Wir wollen einfach unser Fahrtempo im Rahmen der vorgegebenen Grenzen selbst bestimmen.

Der deutsche Dichter Johann Jakob Wilhelm Heinse, ein Zeitgenosse Goethes, hat uns das sprichwörtliche Argument geschenkt: Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

Wer wollte schon dieses Reich aufgeben!

Und noch einige weitere unsachliche Bemerkungen zu dem Verweis der Limitfreunde auf das Vorbild unserer europäischen, tempogezügelten Nachbarn: Wir Deutschen sind vorbildlich beim Mülltrennen, unsere Wirtschaft floriert, wir haben die geringste Zahl an Arbeitslosen – vor allem bei der jungen Generation – wir arbeiten vielfach mehr als unsere Freunde im Ausland, wir sind der größte Nettozahler in Europa, wir helfen vielfach die Not und das Unglück in der Welt zu lindern, und wir haben die vielen Menschen, die sich zu uns flüchteten, aufgenommen und tun es weiterhin.

Wenn unsere Nachbarn im vereinigten Europa diese Leistungen auch erbrächten, dann, ja dann müssten wir uns um die Zukunft dieses alten großartigen Europas keine allzu großen Sorgen machen.