Thema: Humboldt Das Ganze sehen

Leserbrief von Friedrich Jehnes, Bayreuth

Zum Artikel „Der pausenlose Denker“, Kurier vom 8. Januar:

 
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Alexander und Wilhelm von Humboldt verdienen nicht nur eine historische Erinnerung in einem Gedenkjahr. Es wäre gut, wenn auch ihr Bildungsansatz politisch wieder zum Tragen käme.

Leider hat sich der heutige Wissenschaftsbetrieb von dem, was die Humboldt-Brüder entwickelt haben, fast vollständig entfernt. Das, was sich heute noch Universität nennt, ist zum reinen Hochschulbetrieb geworden, denn von einem universellen Bildungsansatz ist bei der heutigen Verschulung der akademischen Bildung so gut wie nichts geblieben.

Statt einer „Vernetzungswissenschaft“ haben wir eine Atomisierung in Spezialbereiche. Statt der insbesondere durch Wilhelm von Humboldt angeregten Zweckfreiheit des wissenschaftlichen Arbeitens hat heute derjenige Fachbereich den höchsten Stellenwert, der die meisten Mittel aus der sogenannten freien Wirtschaft beschaffen kann. Das war politisch genau so gewollt, ging aber zulasten insbesondere der Geisteswissenschaften, die nicht so leicht verwertbar sind.

Auch außerhalb des universitären Bereiches gibt es die Tendenz, Bildungsträger dem Zwang zur Effektivität unterzuordnen, bei Androhung des Entzuges der öffentlichen Förderung. Im Rahmen des Humboldtjahres sollte wieder mehr Freiheit von Verzweckung in Forschung und Bildung gefördert werden. Es wäre außerdem wichtig, Natur- und Geisteswissenschaften miteinander zu vernetzen. „Alles ist Wechselwirkung“:

Das ist mehr als ein schöner Gedanke Alexander von Humboldts. „Vernetzungswissenschaft“ heißt, das Ganze zu sehen.