Studiobühne: Wie nochmal geht Versöhnung?

Von Michael Weiser

Über 200 Jahre alt und doch aktuell: In "Nathan der Weise" verhandelt Lessing die Frage, wie sich die monotheistischen Religionen vertragen können. Es geht um Unbedingtheit und Toleranz - in einer Weltgegend, die noch heute heftigst umkämpft ist.

 
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Er wurde in Tikrit geboren, eroberte Aleppo und Mossul und entriss weniger Jahre später den Kreuzrittern Jerusalem. Bis zum heutigen Tag ist Saladin in der arabischen Welt in Idol.

Dennoch rühmte Minnesänger Walther von der Vogelweide seine Großzügigkeit, Dante zählte ihn in seiner "Göttlichen Komödie" zu den "erhabnen Geistern", auch der Aufklärer Voltaire zeigte sich beeindruckt. Saladin ist, im Leben wie im Nachleben, eine der erstaunlichsten Gestalten der islamischen Geschichte. Wegen seiner militärischen Erfolge, aber auch wegen seines Hangs, nicht jeden Sieg in einem Blutbad enden zu lassen. Weswegen ihm auch Gotthold Ephraim Lessing eine tragende Rolle in seinem bekanntesten Drama "Nathan der Weise" gab. 

"Unheimlich aktuell"

Werner Hildenbrand beschäftigt sich gerade viel mit dem Kurden Saladin. Weniger aus biographischem Interesse, sondern weil er gerade an seiner zweiten Inszenierung von Lessings "Nathan" arbeitet. Zuweilen, sagt Hildenbrand, erschrecke er förmlich: "Weil die Geschichte so unheimlich aktuell ist." Und weil, so fügt er hinzu, das Stück noch aktueller wirke als vor zwei Jahren, als er den Plan zum "Nathan" fasste. 

Die Welt ist stärker als in den vergangenen Jahren ein Ort, an dem unversöhnlich Ideen und Weltanschauungen aufeinanderprallen. Wie damals bei den Kreuzzügen, findet Hildebrand, der weitere Parallelen bemerkt hat: Aleppo und Mossul waren auch vor fast 900 Jahren heiß umkämpft. Und noch immer wird Saladin von arabischen und türkischen Führern als Gewährsmann eingespannt - allerdings nicht wegen seiner maßvollen Politik und trotz seiner kurdischen Abstammung.

Zerstörung und Hoffnung

Genau ein Vierteljahrhundert nach seinem ersten "Nathan" bringt Hildenbrand das Drama ab nächster Woche (Premiere am 28. Dezember) erneut auf die Bühne. Vor 25 Jahren endete seine Inszenierung mit einem Bild, das Zerstörung und Hoffnung nebeneinanderstellte. Auf diesem Schlussbild will er nun aufbauen, um Lessings Geschichte in die Gegenwart zu holen.

Sie spielt zur Zeit der Kreuzzüge in Jerusalem. Der reiche Kaufmann Nathan - in seiner Gestalt verewigte Lessing Moses Mendelssohn, den Vater der jüdischen Aufklärung - kehrt von einer Reise zurück und stellt fest, dass es in seinem Haus gebrannt hat. Seine Ziehtochter Recha wurde durch einen Tempelritter gerettet - der sein Leben wiederum der Milde Saladins verdankt, der aber ein Darlehen von Nathan benötigt, um seinen Krieg gegen die Christen fortsetzen zu können, was Nathan nicht gar so interessieren müsste, hätten seine Tochter und der Ritter sich nicht verliebt. Vertrackte Situation. Wie ist der Friede zu retten? Doch da hat Nathan eine Idee. Er erzählt eine Geschichte von drei Brüdern, deren jeder vom Vater einen Ring erhält...

Komik und Tragik

Hildenbrand mag die Sprache Lessings, "mit ihrem Rhythmus und ihrer Musikalität. Deswegen kann ich mir den Text viel leichter merken als von manch anderen Stücken". Was ihn noch fasziniert: dass "Nathan" weder ein "dramatisches Gedicht" ist (wie von Lessing betitelt), noch eine Tragödie, aber auch keine Komödie - trotz einigen Humors. "Es ist spannend, es hat komische Szenen - ,Nathan' ist trotz des schweren Stoffs ein unterhaltsames Stück."

Premiere am Mittwoch, 28. Dezember, 20 Uhr,  weitere Termine: 29. und 31. Dezember, 8., 10., 14., 18., 21., 22., 24., 26., 28. Januar, 4. Februar.