Stoiber in Kulmbach: Opa erzählt

Von Thorsten Gütling
Zu Guttenberug wurde wie ein Rockstar gefeiert, Edmund Stoiber hängen die Leute an den Lippen. Aus gutem Grund, findet Kommentator Thorsten Gütling. Archivfoto: Andreas Gebert/dpa Foto: red

Hatte Kulmbach vergangene Woche noch Karl-Theodor zu Guttenberg wie einen Rockstar gefeiert, kam mit Edmund Stoiber jetzt einer, dem die Leute an den Lippen hängen. Beides liegt am Auftreten.

 
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Denn Stoiber lässt die Leute anders an seinem Wissen teilhaben. Zu Guttenbergs Steckenpferd sind die internationalen Beziehungen. Stoiber blüht auf, wenn er zu Wirtschaft und Europa gefragt wird. Bei seinem Auftritt in Kulmbach ist es die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die die Leute beschäftigt. Die Tatsache, dass Sparen nichts mehr bringt. Aber dazu später mehr. Denn es ist gar nicht so sehr Stoibers Wissen, das die Leute in seinen Bann zieht.

 

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Wenn der 75-Jährige redet – unaufgeregt, leise, fast krächzend – dann fühlt es sich ein wenig so an, als würde Opa vom Krieg erzählen. Und zwar so ganz anders, als es in den Schulbüchern steht. Die Anfänge aufzeigend und damit die Folgen erklärend. Wenn er nach der AfD gefragt wird, beginnt er nicht mit Gaulands jüngstem Fehltritt, sondern mit Bernd Lucke, dem Mitbegründer der Partei und somit am Anfang der Geschichte. Den brauche man, um das Ende zu verstehen. Nur wer Luckes AfD mit der heutigen Partei vergleiche, könne behaupten: „Das ist eine rechtsextreme Partei geworden.“ Genau so verhält es sich mit allen anderen Themen.

"Ja, ja", sagt er dann

Die Bedeutung der EU erschließt sich für Stoiber über den Beginn der Montanunion vor über 60 Jahren. Das war schließlich etwas „das sich unsere Mütter und Väter bis dahin nicht hätten vorstellen können“. Und um Stoibers Kritik an der Nullzinspolitik der EZB zu verstehen müsse man sich nur einmal vor Augen halten, welch eine Tugend da gerade geschliffen werde. Von wegen „Spare heute, dann hast du in der Not“: Was Generationen eingebläut worden sei, gelte plötzlich nicht mehr. Nicht weniger als das Gefühl von Sicherheit habe sich verändert. Schließlich, als die Direktkandidatin der Kulmbacher CSU, Emmi Zeulner, von der Mütterrente spricht, fängt Stoiber mit Heiner Geißler an, jenem CDU-Urgestein, von dem die Idee dazu stamme. „Ja, ja“, sagt er dann, als ihm auffällt, dass er schon wieder von damals erzählt und die Leute das amüsiert.

Stoiber erklärt aber nicht nur anders als zu Guttenberg, der den Leuten klar machen will, was die Krisenherde dieser Welt mit dem Leben hier zu tun haben. Der also auf einer räumlichen statt zeitlichen Ebene erklärt. Sondern Stoiber spricht auch mit mehr Respekt. Weil das absehbar war, herrscht in der Kulmbacher Stadthalle bei seinem Besuch nicht die Atmosphäre eines Rockkonzerts, wie noch eine Woche zuvor bei zu Guttenberg. Es gibt ausschließlich Sitzplätze an langen Tafeln, dazu gedimmtes Licht. Für Stoiber wird die Stadthalle zu dem, was man gemeinhin als Lounge bezeichnet.

Lounge statt Konzerthalle

Und anders als bei einem Rockkonzert, wo man gerne mal die Sau rauslässt, könnte Stoiber jeden Satz den er sagt auch genau so in Anwesenheit derer wiederholen, die er damit kritisiert. Wenn der Moderator vom „Schwafel-Schulz“ spricht und das anders als noch bei zu Guttenberg im Saal nur wenige erheitert, verzieht Stoiber keine Miene. Witze auf Kosten Dritter sind ihm fremd. Witze über Sigmar Gabriels Gewicht wird man von Stoiber nicht hören. Und während zu Guttenberg den US-Präsidenten als „blonden Wüterich“ und „lustigen Dickmops“ bezeichnet, spricht Stoiber von Trump als einem „bizarren Präsidenten“, sagt: „Nach unserem Verständnis ist es unmöglich, wie er sich verhält.“ Das klingt diplomatisch, spricht aber vor allem für Stoibers Intellekt.

Während sich die Zuhörer im Saal noch fragen, was Zeulner mit der „Ungleichzeitigkeit der Welt“ meint, nickt Stoiber verständnisvoll. Vor 20 Jahren, lange vor den Smartphones, konnte schließlich niemand in Eritrea wissen, wie wir in hier leben, sagt er dann. Womit die Brücke geschlagen ist zu dem Thema, das die CSU im Vorwahlkampf am meisten umtrieb: die Flüchtlinge.

Ein Plädoyer für das C in CSU

Nur spricht Stoiber ganz anders darüber, als man es bisher gehört hat. Während zu Guttenberg mit Burkas beginnt, erklärt Stoiber wieder vom Anfang der Geschichte an, beginnt mit dem C im Namen der CSU, sagt Sätze wie: „Jeder Mensch hat seinen einzigartigen Wert“, „Unser Herz ist weit“ und „Menschen zu helfen ist in uns drin“. Warum trotzdem nicht jeder Asylbewerber bleiben kann? Weil man auch die Leute, die nicht so wortgewaltig seien, die ihren Kindern keine Klavierstunden und keine Aufenthalte in England bieten könnten, nicht überfordern dürfe. Das ist nicht populistisch, sondern ehrlich eigennützig. Denn: „Wir sind die Partei der kleinen Leute. Anders bekommt man keine absolute Mehrheit.“ Fast hätte man vergessen, dass ja Wahlkampf ist.

thorsten.guetling@nordbayerischer-kurier.de