Sterbebegleitung Da sein für die Menschen bis zuletzt

Von Rosi Thiem

PEGNITZ/AUERBACH. Drei in Pegnitz und in der Fränkischen Schweiz tätige Hospizbegleiterinnen berichten von ihren Erfahrungen. Aktuell arbeiten für den Hospizverein Bayreuth, laut Sigrid Görner vom Hospizbüro, rund 70 aktive Hospizbegleiter. Alle im Ehrenamt. Auch auf dem Land sind die engagierte Helfer im Einsatz. Drei davon berichten von ihrer Aufgabe, der Sterbebegleitung.

 
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Andrea Roderer aus Auerbach legte 2007 die Hospizbegleiterausbildung ab, zehn Jahre später folgte die Kinderhospizbegleitung und die zusätzliche Spezialisierung für Behinderte. Sie empfindet es als Geschenk, den Abschied in Würde begleiten zu können.

Angst vorm Tod verloren

Durch die Ausbildung hat sie die Angst vor dem eigenen Tod weitgehend verloren. Roderer spricht vom Kreislauf des Lebens, das Sterben gehöre dazu. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Hospizvereine Amberg und Bayreuth. Neben Auerbach und Michelfeld ist sie auch in Pegnitz und Umland im Einsatz.

Sie nimmt sich Zeit, was auch die Menschen merken, die kurz vor dem Lebensende stehen. Oft werden Erinnerungen an frühere Zeiten ausgetauscht, Bilder angeschaut oder es wird einfach nur geschwiegen. “Manche möchten beten“, sagt Roderer. Würdevoll soll auch die Begleitung der Angehörigen sein, wichtig ist die Trauerarbeit hinterher. Roderer gibt Hilfestellung: Es gibt Trauercafés und -gruppen, denn Gespräche sind sehr wichtig – aber auch Vertraulichkeit und Verschwiegenheit.

Sollen wir die Kinder mit zu Opas Beerdigung nehmen?

In ihrem Beruf als Erzieherin hat sie häufig mit dem Tod der Großeltern der Kleinen zu tun. Die Eltern sind dankbar für Tipps, besonders zu Fragen wie: Sollen wir die Kinder mit zu Opas Beerdigung nehmen? Wie erkläre ich das meinem Kind? Roderer findet, dass auch die Kleinen eine Chance brauchen, sich zu verabschieden.

Besonders sensibel muss die 51-Jährige in der Kinderhospizarbeit sein: Kinder im Sterbeprozess spürten die Nähe der Familie und hätten oft noch Wünsche die es, wenn möglich, zu erfüllen gilt. Roderer ist da, wenn gewünscht, gibt Hilfe beim Finden eines Kinderhospizes. Hier gibt es bessere Therapiemöglichkeiten, Eltern und Geschwister können Luft holen. Wenn Kinder sterben, dann ist es wichtig, die Geschwister einzubinden.

Briefe für das verstorbene Geschwisterchen

So werden an das verstorbene Geschwisterchen Briefe geschrieben, Kuscheltiere verschenkt, mit Musik gearbeitet oder der Sarg mitgestaltet, denn Abschiedsrituale helfen bei der Trauerarbeit: Einmal habe sie mit den Angehörigen Kerzen übers Wasser treiben lassen. Gerade für verwaiste Eltern ist es hilfreich, zu reden. Sie müssen ja funktionieren, wenn sie noch weiter Kinder haben.

Was ihr diese Arbeit bringt? „Ich erde mich bei Problemchen im alltäglichen Leben – und denke an die wirklichen Probleme“, sagt Roderer. Einen Wunsch hat sie für die Zukunft: Die Ausbildung zum Klinikclown, „und wenn es nur für einen Moment ist, in dem ich ein Kind zum Lachen bringe.“

Manchmal einfach nur da sein

„Jede Begleitung ist anders“, sagt Anne Schrenker aus Hollfeld; sie ist seit 2012 Hospizbegleiterin in der fränkischen Schweiz. „Ich muss jedes Mal neu schauen, wo ich gebraucht werde. Manches Mal sind Worte schwierig, dann bin ich einfach nur da.“ Sie erweiterte ihr Wissen 2015 in Erlangen zur Kinderhospizbegleitung. Die Begleitung kann einen Tag dauern, oder zwei Jahre.

Der 55-jährigen Arzthelferin war es wichtig, durch die Ausbildung das richtige Handwerkszeug zu erlernen, um mit der eigenen Angst besser umgehen zu können. Sie hat schon das Gefühl, bei der Begleitung etwas zu bewirken. Schrenker erinnert sich an eine Dame, der sie in den letzten Lebenswochen aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupery vorlas. Es seien „wunderbare“ Vorlesestunden gewesen, in denen die sterbenskranke Frau noch einmal träumen und sich erinnern konnte.

Märchenbücher für Abwechslung

Auch Märchenbücher findet Schrenker interessant, um Abwechslung ans Krankenbett zu bringen. Sie sei selbst glücklich, wenn sie ein Lächeln auf das Gesicht eines dem Tod nahestehenden Menschen zaubern kann. Meist sei sie auch für die Angehörigen da, um Ängste aufzufangen. Die Familienangehörigen und Sterbenden sollen das Gefühl haben: Man ist nicht alleine. Sie könne oft erschöpfte pflegende Angehörige beruhigen und Hilfestellung geben.

Den Familien tue es in der Seele weh, loszulassen. „Gut wäre es, zu Lebzeiten zu besprechen, was der letzte Wille des Einzelnen ist. Eine Patientenverfügung entlastet in schwierigen Situationen ungemein“, sagt Schrenker, häufig sei diese aber ein Tabuthema. Bei der Kinderhospizbegleitung ist es ihr wichtig, sich um die Geschwister zu kümmern, damit jene etwas Normalität erfahren. „Wenn ich gebraucht werde, setze ich mich ein und bin da.“ Für Schrenker ist es von Bedeutung, sich die eigene Endlichkeit stets vor Augen zu führen. „Ich kann nicht alles aushalten, irgendwann geht es zu Ende. Im eigene Leben wird man achtsamer“, sagt sie.

Lang gehegter Wunsch für Petra Kraus

Für die Betreuungsassistentin Petra Kraus vom Brigittenheim Pegnitz erfüllte sich ein lang gehegter Wunsch, als sie 2015 die Hospizbegleiterausbildung in Bayreuth absolvierte. „Im täglichen Beruf bringt mir dieses Wissen sehr viel. Der ist für mich Berufung. Früher war ich im Büro tätig, dahin würde ich nicht zurück wollen.“ Ihr Einsatzgebiet ist Pegnitz und Umgebung. „Manchmal ist es wichtig, die Hand zu nehmen und nur zuzuhören. Zurück bekomme ich Wärme und Dankbarkeit“, sagt Kraus. Viele Angehörige sind in dieser Situation hilflos, benötigen Zuspruch und Verständnis.

Von einer Begleitung erzählt die 46-Jährige, hier konnte eine ältere und kranke Dame nicht Abschied nehmen. Sie war aufgewühlt – irgend etwas fehlte ihr noch. Kraus hörte der gläubigen Christin zu, die voller Unruhe war und sagte: „Jetzt sind Sie ins Seniorenheim gezogen. Das nächste Haus, in das sie ziehen, wird das Haus Gottes sein.“

Zeit für die Angehörigen, Luft zu holen

Die Dame sei in den nächsten Tagen ruhig eingeschlafen. Für Kraus ist es wichtig, die verschiedenen Glaubensrichtungen zu respektieren und die Biografie des Einzelnen zu berücksichtigen. Wenn sie bei einer Begleitung sich dem Kranken widmet, haben die Angehörigen Zeit, Luft zu holen oder notwendige Sachen zu erledigen. Kraus habe mal einen Spruch gelesen, der nun sie begleite:

„Als ich geboren wurde, habt Ihr gelacht und ich geweint – Als ich starb habt Ihr geweint und ich gelacht.“

Supervision für die Begleiterinnen

Den ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnnen bietet der Hospizverein mehrmals im Jahr eine Supervision an. Hier kann Kraus das aufarbeiten und besprechen, was in einer Begleitung noch nicht verarbeitet wurde. Sie besucht regelmäßig Vorträge vom Hospizverein, um ihr Wissen zu erweitern. „Man muss sich selber pflegen, um Anderen helfen zu können. Ich versuche gute Gedanken einzufangen und das Positive im Leben zu sehen. Ich würde den Weg immer wieder gehen.“ Für die Zukunft wünscht sich die Betreuungsassistentin, dass noch engere Netzwerke zwischen Ärzten, Altenheimen, Krankenhäusern und Hospizvereinen bestehen, um die Menschen und ihre Angehörigen in der letzten Lebensphase würdig zu begleiten.


Info: Die Beratung und Begleitung ist kostenlos und vertraulich. Kontakt unter www.hospizverein-bayreuth.de oder 0921/1505294 Zur Unterstützung des Vereins findet am Sonntag, 2. Dezember, ein Benefizkonzert mit Basar auf dem Sternenmarkt in Bayreuth St. Georgen statt.

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