Stefan Greiffenberger packt aus

Von Roland Töpfer und
 Foto: red

Die Greiffenberger-Gruppe ist nach schweren wirtschaftlichen Turbulenzen und fast 26 Millionen Euro Verlust im letzten Jahr zerschlagen worden. ABM in Marktredwitz (Antriebstechnik) und der Kanalsanierer BKP (Velten bei Berlin) wurden verkauft. Übrig geblieben ist der Augsburger Präzisionsbandstahl-Hersteller Eberle, an dem die Familie Greiffenberger über die Greiffenberger AG die Mehrheit hält. Stefan Greiffenberger (51), Sohn des Firmengründers Heinz Greiffenberger, war bis Oktober 2015 Alleinvorstand der AG. Dann wurde er krank, die Firmengruppe geriet in Schieflage. Wie konnte es so weit kommen? Welche Verantwortung hat der frühere Vorstand am Niedergang? War die Gruppe zu riskant finanziert? Wir sprachen mit Stefan Greiffenberger in Bayreuth.

 
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Die Greiffenberger-Gruppe gibt es nicht mehr. Ihre aktuelle Gefühlslage?

Stefan Greiffenberger: Ich bin enttäuscht, dass es so gekommen ist. Wir sind in eine Situation gekommen, in der der Verkauf von ABM unvermeidlich war. Wir konzentrieren uns jetzt auf Eberle. Ich bin nicht mehr im operativen Geschäft, sondern Vertreter der Familie im Aufsichtsrat.  

Wie konnte es so weit kommen?

Greiffenberger: Da muss man einige Jahre zurückgehen. Wir hatten nicht einen einzigen Big Bang, wo man sagt, da hat es geknallt. Nach der großen Wirtschaftskrise 2008/2009, die auch uns hohe Verluste beschert hat, haben wir erkannt, dass ABM größere Veränderungen braucht. Von einem Geschäftsführer mussten wir uns trennen. Danach wurden Veränderungen entschlossen umgesetzt.

Waren Sie selbst zu weit weg, werfen Sie sich etwas vor?

Greiffenberger: Nicht nah genug dran – da mache ich mir überhaupt keine Vorwürfe. Ich war sehr regelmäßig in Marktredwitz, schließlich stand ABM für 60 Prozent unseres Umsatzes. Aber ich glaube, wir haben die Widrigkeiten unterschätzt. Wir haben in einzelnen Branchen zwar keine Kunden, aber Umsätze verloren. ABM ist Marktführer bei Antrieben für Pellet- und Hackschnitzelheizungen. Durch die neue Energiepolitik in Deutschland und den extrem niedrigen Ölpreis hat sich diese Branche schwächer als erwartet entwickelt. So sind wir bei ABM bei der Umsatzentwicklung nicht wirklich vom Fleck gekommen.

Wann war Ihnen zum ersten Mal klar, dass es sehr kritisch wird?

Greiffenberger: Dass es sehr kritisch wird, das war mir gar nicht klar. Und zwar nicht, weil ich dumm war. Ich bin Anfang Oktober 2015 krank geworden. Der damalige Stand im Unternehmen war: Wir sind etwas unter Plan im Umsatz und Ergebnis. Ich habe sogar noch für 40 000 Euro im September Greiffenberger-Aktien zum Stückpreis von rund vier Euro gekauft.

Was ist passiert?

Greiffenberger: Wir wollten den Umbau ab 2012 mit den vorhandenen Kreditlinien und dem, was wir selbst verdient haben, hinkriegen. Wir haben sehr genau darauf geschaut, dass wir uns nicht übernehmen. Wenn Sie aber Bankenfinanzierung haben, sind Sie an Kennzahlen gebunden.

Die operativen Zahlen waren gar nicht so schlecht. Aber der Beteiligungswert von ABM wurde im Frühjahr 2016 um 21 Millionen berichtigt. Wie ist das möglich?

Greiffenberger: Da ich ab Anfang Oktober 2015 schwer erkrankt war, kann ich das weitere Geschehen nicht als Beteiligter schildern, sondern nur als Interpret der zahlreichen Veröffentlichungen der Greiffenberger AG bis zum Sommer 2016.

Möchten Sie über Ihre Erkrankung reden?

Greiffenberger: Ich hatte eine schwere Virusinfektion, die auf den Herzmuskel gegangen ist. Die ärztliche Verordnung war: Viel Ruhe, Puls nicht über 110. Es war klar, dass ich nicht so schnell wiederkommen würde.

Bekamen Sie dann noch aktuelle Firmeninformationen?

Greiffenberger: Nein, ich musste mich selber in Watte packen. Ich wollte keinen irreparablen Schaden am Herzen riskieren, das war es nicht wert. Ich war noch ab und zu mit dem neuen Vorstand Marco von Maltzan und dem Aufsichtsrat in Kontakt.

Als Sie krank geworden sind, war Ihnen die schwere Krise des Unternehmens nicht bewusst?

Greiffenberger: Uns war bewusst, dass wir 2015 etwas unter Plan laufen, aber nicht viel. Ich dachte, wenn wir die Krise 2008/2009 überstanden haben, dann überstehen wir diese kleine Delle auch.

Dann kam die große Wertberichtigung.

Greiffenberger: Die kam später. Was ist da passiert? Mein Nachfolger von Maltzan hat im November festgestellt, dass das, was Stand aller Leute im September war – da hat niemand gelogen -, dass wir es mit einer erkennbaren Aufholbewegung hinkriegen, wohl nicht mehr möglich ist. Es gab massiv geringere Abrufe von Bestandskunden, vor allem bei ABM. Das Ergebnis wurde damit auch schlechter.

Das gab Probleme mit den Banken?

Greiffenberger: Die Finanzkennzahlen konnten wir höchstwahrscheinlich nicht einhalten. Der Vorstand musste zu den Banken gehen. Und als börsennotierte AG eine Ad-hoc-Meldung machen. Dann geht die Kette weiter. Die Banken machen sich Sorgen und sagen, das müssen wir uns genauer anschauen. Meine Erkrankung sorgte für zusätzliche Unsicherheit. Da gab es aber mit von Maltzan, der auch schon deutlich größere Unternehmen geleitet hat, sofort Ersatz.

Dann kommen noch die Wirtschaftsprüfer?

Greiffenberger: Ja, dann kommt der Wirtschaftsprüfer. Wir werden von der KPMG geprüft. Deren Richtlinien sind mit die strengsten überhaupt. Die KPMG schaute sich die weitere Finanzierung an und wollte die Planung für die nächsten Jahre sehen. Wenn die Bankenfinanzierung nicht für mindestens zwölf Monate gesichert ist, bestätigen die Prüfer keine Werthaltigkeit. Die Banken hatten sich aber zunächst nur bis zum Oktober 2016 verpflichtet.

Ihre Unternehmensfinanzierung war zu riskant?

Greiffenberger: Nein, wir haben mit Augenmaß versucht, aus einer überschaubaren Eigenkapitalausstattung das Beste zu machen. Wir haben nach 2009 zwei kleine Kapitalerhöhungen gemacht, um die Eigenkapitalquote zu verbessern.  

Warum hatten sie keine bessere Kapitalausstattung?

Greiffenberger: Wir haben als Familie unser Geld im Prinzip in der Firma drin. Wir hätten uns Kapital aus dem normalen Markt beschaffen müssen. Ein massiver Kapitalschnitt wäre auf Kosten aller Aktionäre gegangen. Wir haben versucht, einen vernünftigen Kurs zu fahren. Mit unserer Finanzierung sind wir über viele Jahre, auch in Krisenzeiten, gut gefahren.

Banken, Prüfer, Geschäftsentwicklung – das macht ABM über Nacht um 21 Millionen weniger wert?

Greiffenberger: Sie kommen in eine Kaskade der Dinge. Ich habe auch lange gebraucht, diesen Abwertungsbedarf zu verstehen. Der Wert von ABM stand bei der AG mit X in der Bilanz, wurde immer wieder überprüft. Die neue Situation hatte eine kräftige Abwertung des Zukunftswerts von ABM zur Folge.  Dann kommt eine solche Horrorzahl heraus. Für den Wirtschaftsprüfer ist das Verhalten der Banken sehr relevant. Das kriegt für den dann in seiner Zukunftsperspektive einen irren Drall.

Wie hoch war ABM denn ursprünglich bewertet?

Greiffenberger: Ich hab’s nicht genau im Kopf. Alle drei Beteiligungen der AG standen vor der ABM-Abwertung mit 45 Millionen in der Bilanz. Das ist bei 150 Millionen Umsatz völlig normal.  

Ist die hohe Wertberichtigung von ABM nicht extrem übertrieben?

Greiffenberger: Ist sie. Da bin ich völlig Ihrer Meinung. Das ist der Fluch dieser speziellen Kombination aus IFRS-Bilanzierung und hohen Prüfer-Vorgaben. Ich will hier aber nicht gegen die KPMG sprechen.

Nach der hohen ABM-Abwertung konnte nur noch ein Investor helfen?

Greiffenberger: Durch diese riesigen Abwertungen musste eine außerordentliche Hauptversammlung im Mai einberufen werden, weil mehr als die Hälfte des Grundkapitals vernichtet war. Die Banken haben geschaut, wie geht es mit diesem Firmenverbund jetzt weiter. Die ABM hatte eine entschlossenere Restrukturierung und Personalabbau angekündigt. Das kostet zusätzlich Geld. Da haben Sie dann nicht mehr die Chance, vernünftig Eigenkapital einwerben zu können. Die Banken haben ganz klar gesagt, wir wollen das Engagement reduzieren. Wie können Sie das reduzieren? Nur durch Verkäufe. Da sind Sie dann nicht mehr Herr der Situation.

Sie sind wieder gesund? Wie sieht Ihr Tag, Ihre Woche aus?

Greiffenberger: Ich bin wieder gesund, habe mich körperlich wieder erholt. Ich habe im Moment als einziges Amt das des Aufsichtsrats bei der geschrumpften AG und verfolge noch zwei Ideen, die sich außerhalb abspielen.

Verraten Sie uns Ihre zwei Ideen?

Greiffenberger:  Nö.

Die Familie bleibt investiert?

Greiffenberger: Wir halten als Familie unverändert gut die Hälfte der Aktien.

Das soll so bleiben?

Greiffenberger: Ja, das soll so bleiben. Der Verantwortung sollte man sich gerade in dieser Situation stellen. Ich renn‘ jetzt nicht davon.

Aktionärsschützer haben schwere Geschütze aufgefahren. Der Junior habe das Unternehmen an die Wand gefahren. Jetzt wird er Aufsichtsrat.

Greiffenberger: Ja, das trifft einen schon. Aber es hat mich nicht im Herzen getroffen. Ich habe das zur Kenntnis genommen. Ich war zwölf oder 13 Jahre Vorstand. Ich habe das Unternehmen 2003 von meinem Vater übernommen, da ging’s uns richtig lausig. Blühender Laden, dann kommt der Junior, dann geht alles nach unten – so war das ja nicht. Wir sind 2005, 2006, 2007 immer besser geworden.

Bei ABM wird Personal abgebaut. Herr von Maltzan soll als Vorstand einen Tagessatz von 3750 Euro bekommen haben. Das hat für Unmut gesorgt.

Greiffenberger: Zunächst ist das nachvollziehbar. Aber von Maltzan hat sich bereit erklärt, sofort reinzuspringen. Es war zunächst nicht klar, wie lange ich ausfalle. Der Tagessatz ist als Zahl hoch. Aber er ist für das Niveau der Tätigkeit nicht zu hoch. 

Sohn Vorstand, Vater Aufsichtsrat – war das nicht eine schwierige Situation?

Greiffenberger: Wir haben über die ganzen Jahre eine klare Arbeitsteilung praktiziert. Ich habe als Vorstand mit dem gesamten Aufsichtsrat diskutiert.

Wie hat Ihr Vater das alles verkraftet?

Greiffenberger: Mein Vater ist natürlich traurig über die Entwicklung des Unternehmens. Als Person hat er es gut verkraftet.

Ihr Verhältnis zueinander?

Greiffenberger: Das Verhältnis war vorher gut, und die schwierige Situation hat das Verhältnis keinesfalls verschlechtert. In so einer Situation ist man sich eher noch näher. Wir machen uns gegenseitig keine Vorwürfe. Was sich wirtschaftlich abgespielt hat, da ist niemand stolz drauf. Das ist ja klar.

Die AG bleibt bestehen?

Greiffenberger: Ja, wir haben ja noch viele freie Aktionäre.

Die könnten Sie abfinden.

Greiffenberger: Gut, das könnte man machen. Aber das ist nicht angedacht.

Wie geht’s jetzt weiter?

Greiffenberger: Die AG/Eberle hat noch einen ganz ordentlichen Schuldenberg abzutragen. Der ist nicht so hoch, dass das nicht abtragbar ist. Ich finde es schade, dass die Banken auf einen Verkauf von ABM gedrängt haben. Ich hätte mir auch eine Offensive nach vorne vorstellen können. Das Grundkonzept von ABM wurde ja auch durch den jetzigen Käufer bestätigt.

Der Kaufpreis für ABM war einstellig?

Greiffenberger: Ein einstelliger Millionenbetrag, das ist richtig. Dazu kommen erhebliche übernommene Verbindlichkeiten. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Käufer ein Wahnsinns-Schnäppchen gemacht hat. Und ich bin wie er bezüglich ABM guter Dinge.    

 

Zur Person

Stefan Greiffenberger (51) war über zwölf Jahre lang Vorstand der Greiffenberger AG, die nach schweren wirtschaftlichen Turbulenzen zerschlagen wurde. Heute sitzt er im Aufsichtsrat der AG, die statt drei nur noch eine Firma (Eberle) im Portfolio hat. Die Familie Greiffenberger hält gut 50 Prozent der Anteile. Stefan Greiffenberger wohnt mit Familie in Augsburg. Sein Vater und Firmengründer Heinz Greiffenberger (79) wohnt in Thurnau.  töp

 

 

 

 

 

 

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