Staatsanwalt ermittelt: Verdacht der Strafvereitelung im Amt bei Infiltration der Rockergruppe „Bandidos“ V-Mann-Affäre im Landeskriminalamt

Von Manfred Scherer
Ex-V-Mann Mario F. am Fenster einer Bezirksklinik in Bayern (29.10.2015). In seinem Fall wird nun gegen Beamte des Landeskriminalamtes wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt. Foto: Manfred Scherer Foto: red

Mehrere Beamte des Landeskriminalamtes sind im Visier der Staatsanwaltschaft. Es geht um den streng geheimen Einsatz von V-Leuten in der kriminellen Szene. Im vorliegenden Fall geht es um den aus dem Ruder gelaufenen Einsatz eines V-Manns in der Rockergruppe "Bandidos". Um schwere Straftaten, die vom Amt nicht verfolgt wurden – bis hin zu einem mutmaßlichen Tötungsdelikt. Es geht die mögliche Beeinflussung eines Strafprozesses in Würzburg. Und offenbar führte das LKA in dem Fall auch den Landtag an der Nase herum.

 
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Die Ermittlungen gegen das LKA bestätigt Oberstaatsanwältin Anita Traud von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth auf Anfrage. In Nürnberg ermittelt eine Spezialdienststelle der Kripo gegen Kollegen des LKA-Sachgebietes 614, das zuständig ist für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität in Nordbayern. Oberstaatsanwältin Traud erklärte, die Ermittlungen seien noch nicht ganz abgeschlossen. Sie bestätigt auch, dass die Ermittlungen auf Behauptungen zurückgehen, die ein ehemaliger V-Mann des LKA als Angeklagter vor dem Landgericht in Würzburg in einem Prozess gemacht hatte, der an 35 Prozesstagen vom September 2012 bis zum August 2013 verhandelt worden war. Der heute 48-jährige Mario F., damals wegen Drogenhandels angeklagt, hatte ausgesagt, er habe mit Wissen und im Auftrag des LKA gedealt. Mario F. offenbarte, dass er zwischen Januar und Dezember 2011 als V-Mann in die kriminelle Rockergruppierung „Bandidos“ in Regensburg eingeschleust war und dem LKA von einer Reihe schwerer Straftaten durch die „Bandidos“ berichtet habe, ohne dass die Beamten etwas unternommen hätten. Das Würzburger Gericht wollte die Behauptungen überprüfen – die V-Mann-Akte von Mario F. wurde jedoch nicht freigegeben. Mario F. wurde zu sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Der Verteidiger kennt die streng geheimen V-Mann-Akten

Der Verteidiger von Mario F., der Bayreuther Anwalt Alexander Schmidtgall, kennt mittlerweile die ehemals streng geheimen V-Mann-Akten. Das bestätigt Oberstaatsanwältin Traud auf Anfrage: Der Verteidiger von Mario F. habe Einsicht in die Ermittlungsakte gegen die LKA-Beamten bekommen. Schmidtgall: „In der Akte stehen kriminelle Machenschaften des LKA, dass man zum Schluss kommen muss: Die führen sich auf wie ein Staat im Staat.“ Alle alle Behauptungen seines Mandanten aus dem Prozess seien bewiesen: Dass LKA-Beamte im Prozess in Würzburg als Zeugen falsch ausgesagt hatten. Dass die mittlerweile beschlagnahmten V-Mann-Akten manipuliert und nachträglich gefälscht wurden, um „eine eigene Tatbeteiligung und Involvierung in Straftaten zu verdecken und zu verschleiern.“ Schmidtgall sagt, sein Mandant habe aufgrund der LKA-Machenschaften in Würzburg kein rechtsstaatliches Verfahren erhalten: „Für mich war das Verfolgung Unschuldiger und Freiheitsberaubung.“

"Man hat mich als Lügner verunglimpft"

In einem Interview mit unserer Zeitung sagt Mario F.: „Ich habe Angst vor der Rache der Bandidos. Man hat mich als Lügner verunglimpft. Ich will das die Justiz in Würzburg begreift, dass sie vom LKA belogen worden ist.“ 

Anwalt des LKA-Manns: "Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen."

Hauptbeschuldigter im Sachgebiet 614 ist der ehemalige V-Mann-Führer von Mario F., ein 51-jähriger Kriminalhauptkommissar. Laut Ermittlungsakte hat er die Aussage verweigert. Sein Verteidiger Jan Bockemühl erklärte auf Anfrage: „Die Vorwürfe gegen meinen Mandanten sind völlig aus der Luft gegriffen. Ich habe die Einstellung des Verfahrens beantragt.“ Bockemühls Mandant ist laut Anwalt Schmidtgall mit einer unterfränkischen CSU-Politikerin verheiratet. Die wiederum ist Parteifreundin von Innenstaatssekretär Gerhard Eck, dem Bezirksvorsitzenden der CSU Unterfranken. Eck hatte die Sperrerklärung des Innenministeriums gezeichnet, mit der dem Gericht in Würzburg die V-Mann-Akten von Mario F. vorenthalten wurden. Sperrerklärungen dienen dazu, verdeckte Ermittlungstätigkeiten des Staates geheim zu halten, damit staatliche Sicherheitsinteressen nicht gefährdet werden. Vom Kurier befragt, ob er sich wegen der auf möglicherweise falschen Informationen beruhenden Sperrerklärung vom LKA getäuscht fühle, erklärte Eck, er wolle er zu den Ermittlungen keine Stellungnahme abgeben. Eck räumte ein, dass ihm der Name des beschuldigten V-Mann-Führers bekannt sei.

Abgeordneter Schindler: "Das wird sich der Landtag nicht gefallen lassen."

Eck hatte im Februar 2013 auch eine „streng vertrauliche“ Stellungnahme an die Landtagspräsidentin Barbara Stamm abgegeben. Hintergrund war eine Eingabe von Mario F. an den Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz, in der Ex-V-Mann bat, in ein Zeugenschutzprogramm zu kommen. In Ecks Stellungnahme sind laut Anwalt Schmidtgall sämtliche LKA-Manipulationen enthalten, die Mario F. zum „Kollateralschaden“ machen sollten. Franz Schindler (SPD), der Vorsitzende des Ausschusses, erklärte: „Sollte sich herausstellen, dass der Ausschuss tatsächlich belogen wurde, dann ist das ein Skandal . Dann wird der Landtag sich das nicht gefallen lassen“.

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