Das klassische Geschäft mit Festnetzgeräten schrumpft. Auch zu Hause greifen immer mehr Menschen ausschließlich zum Mobiltelefon. „Wir müssen uns breiter aufstellen und neue Geschäftsfelder erschließen“, folgert Finanzvorstand Stephan Mathys aus dieser Entwicklung. Der Einstieg in den Mobiltelefonmarkt soll dazu beitragen. Rund 20,6 Millionen Euro Umsatz kamen 2017 mit dem Smartphone-Verkauf zusammen, bei einem Gesamtumsatz von knapp 300 Millionen Euro. „Es ist noch ein zartes Pflänzchen“, räumt Mathys ein.
Da weiß man, was man hat
Münsterland statt China - nach Einschätzung von Kai Pastuch vom Marketing-Beratungsunternehmen Roll&Pastuch kann das Konzept aufgehen. Konsumenten seien bereit, für Produkte aus Deutschland mehr Geld auszugeben oder sie bei ähnlichem Preis bevorzugt zu kaufen.
Bei einer Verbraucherbefragung hätten 83 Prozent der Teilnehmer aus Deutschland gesagt, dass sie Produkte „Made in Germany“ Produkten unbekannter Herkunft vorziehen würden. „„Da weiß ich was ich habe“, sagen sich viele“, erläutert der Fachmann für Preisbildung.
Doch „Made in Germany“ sind die Mobiltelefone aus Bocholt nur bedingt. Alle Bauteile stammen aus Asien. Und das wird vorerst wohl weitgehend so bleiben. „Displays aus deutsche Produktion kann man gar nicht kaufen“, sagt Automatisierungschef Wissing. Aber auch so entfielen 60 Prozent der Wertschöpfung auf Deutschland. Technisch möglich sei es, bei steigenden Produktionszahlen die Kunststoffteile künftig in Bocholt zu fertigen. Dann steige der deutsche Wertschöpfungsanteil sogar auf 75 Prozent.
Rund 400.000 Euro hat die U-förmige Montagestation für die Smartphones gekostet - inklusive der Roboter. Das macht es für Gigaset attraktiv, die Geräte im Hochlohnland Deutschland zusammenbauen zu lassen.
Bescheidene Stückzahlen
In Bocholt sei die Fertigung ungefähr so teuer wie in Asien, betont Wissing. Gigaset könne aber erheblich schneller auf Kundenwünsche eingehen und habe Vorteile bei der Logistik. Eine Fertigungslinie für ein weiteres Modell „Made in Bocholt“ ist bereits im Aufbau.
Noch sind es aber bescheidene Stückzahlen, die Luisa Böing, ihre sieben Kolleginnen und Kollegen zusammen mit den Robotern in Bocholt fertigen. 2000 Stück sind es derzeit in der Woche. In der Halle nebenan spucken die Produktionslinien bis zu 40.000 Festnetztelefone aus - am Tag.
Mahr als 23 Millionen Handys sind in Deutschland im vergangenen Jahr verkauft worden. Das Wachstum flacht nach Feststellung des Branchenverbands Bitkom zwar allmählich ab, „aber speziell in der Gruppe der Älteren gibt es weiterhin Potenzial“. Auf diese Kunden zielt Gigaset mit seinem in Bocholt produzierten Android-Modell GS185, das 179 Euro kostet.
Ob das Bocholter Jobsharing von Mensch und Maschine Schule macht und mehr Firmen Elektronikprodukte in Deutschland fertigen lassen, ist offen. Christian Rusche vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft hält das nicht für ausgeschlossen.
Noch ein Einzelfall
Noch sei Gigaset eher ein Einzelfall. „In China werden wegen des wachsenden Wohlstands und des abnehmenden Arbeitskräftepotenzials durch die Ein-Kind-Politik die Lohnkosten weiter steigen“, sagt der Industrieökonom. Zugleich steige durch die zunehmende Automatisierung (Industrie 4.0) die Produktivität in Deutschland. Beide Trends könnten dazu führen, dass andere Hersteller dem Beispiel Gigaset folgen.