Schroff und geradezu rührend

Von Frank Piontek
Unheimliche Virtuosität: Lia Vielhaber bei Schumanns Cellokonzert. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Mendelsohns 4. Symphonie? Kennt man, klar. Schumanns Cellokonzert? Eigentlich auch. Erstaunlich aber, wie Lia Vielhaber dieses große Konzertstück im Zusammenwirken mit dem Orchesterverein servierte.

 
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Zunächst mal: Jedes Orchesterkonzert, das zur Zeit in Bayreuth über die Bühne geht, ist ein gutes Orchesterkonzert – denn bekanntlich werden in den nächsten Jahren kaum derartige Ereignisse am Ort mehr stattfinden können (es sei denn, man konzertiert in der überakustischen Stadtkirche oder der Oberfrankenhalle). In diesem Sinne müssen auch die Anmerkungen zum Konzert des Orchestervereins gelesen werden: samt aller Beckmessereien.

Dass der Orchesterverein, der mit 45 Mitgliedern im Europasaal des Zentrum konzertierte, kein Philharmonisches Orchester ist, ist klar. Daher auch die Quetschtöne, die zumal im Kopfsatz von Mendelssohns „Italienischer Symphonie“ noch dem Unmusikalischsten immer mal wieder ins Ohr fielen, zum Geschäft gehören: Wo gehobelt wird, fallen eben Späne.

Exzellentes Horntrio

Allein es gab nicht nur etliches Schräges zu hören, was am Mendelssohnschen Klassizismus entlang schrammte. Es gab auch viel Gutes: einen klangschönen langsamen Satz, ein exzellentes Horntrio (der Traum von einer deutschen Waldeinsamkeit im italienischen Süden…), einen sehr bewegten zweiten Satz. Der Leiter des Ensembles, Uwe Reinhardt, nimmt die Tempoangabe „con moto“ ernst. Diese Erzählung vom König von Thule ist tatsächlich eine bewegt erzählte Geschichte. Dass sich der Orchesterverein an die kontrollierten Rasereien des Finalsatzes wagt und den Saltarello ohne Absturzgefahr bringt, nötigt schließlich größten Respekt ab.

Dass die Streicher zumal in den hohen Passagen – wenn’s leiser wird – gefährdet sind - wovon Mascagnis Intermezzo zur „Cavalleria rusticana“ ein wenig Auskunft gab - und der Hörer den Eindruck haben konnte, dass sich das Ensemble während des ersten Satzes des Violoncellokonzerts von Schumann einspielte (was natürlich Unsinn ist): Geschenkt.

Schroff und jugendlich

Denn gerade das Schumann-Konzert wirkte durch den Zusammenklang des eher unauffälligen Orchesterparts mit einer nur 16jährigen Solistin, die wie der Teufel spielte. Lia Vielhaber setzte, bisweilen betont schroffen Tons, starke jugendliche Akzente schon in den ersten, „nicht zu schnellen“ Satz. Sie brachte die empfindsamen Abwärtsgesten der Romanze des zweiten geradezu rührend, und sie offenbarte eine geradezu unheimliche Virtuosität im schnellen Schlusssatz: gegen Schumanns zuweilen teigige Instrumentation, gegen die nur die besten Orchester mit den genauesten Dirigenten anzuspielen vermögen.

Wie man Beifall provoziert

Der Orchesterverein aber hat mit der jungen Frau an der höchst musikalischen Spitze bewiesen, dass auch klanglich nicht ganz ungefährdete Konzertensembles beifallprovozierend spielen können. Und dies nicht nur, weil wir bis Anno Irgendwann nur wenige Orchesterkonzerte in Bayreuth hören werden.