Schlosstheater spielt französische Komödie

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Angélique Verdel und Wolfgang Krebs in "Anderthalb Stunden zu spät" im Schloßtheater Turnau. Foto: red Foto: red

Mit der Pünktlichkeit ist das so eine Sache. Die einen sind mindestens eine Viertelstunde vorher da. Die anderen haben das akademische Viertel verinnerlicht und kommen grundsätzlich 15 Minuten zu spät. Immerhin ersparen sie sich so die mögliche Wartezeit. Eine Unhöflichkeit gegenüber den Wartenden und Pünktlichen, keine Frage, der Gipfel schlechten Benehmens. Welche Gründe mag das haben, wenn ein Paar zu einer Verabredung viel zu spät aufbricht?

 
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Diese Situation beschreibt die französische Komödie „Anderthalb Stunden zu spät“, die das Thurnauer Schlosstheater seit kurzem auf dem Spielplan hat. Das zeitgenössische Theaterstück aus der Feder des Schauspielers Jean Dell und des Theaterautoren Gérald Sibleyras, die beide bereits für ihre Zusammenarbeit den höchsten französischen Theaterpreis Prix Molière erhielten, sezieren in „Anderthalb Stunden zu spät“ die Situation eines Ehepaares in den mittleren Jahren.

Reden, jetzt, sofort

Der erfolgreiche Anwalt Pierre (Wolfgang Krebs), bald im Ruhestand, will mit seiner Frau Laurence (Angélique Verdel) zu einem wichtigen beruflichen Abendessen aufbrechen. Doch erst wird sie nicht fertig. Und dann weigert sie sich, überhaupt mitzugehen. Denn sie will reden, jetzt, sofort, nicht irgendetwas, nein, sondern über Grundsätzliches. Kommt Ihnen das vielleicht irgendwie bekannt vor? Statt ihren Mantel zu holen, lässt sie sich im roten Ledersessel nieder und legt die Füße auf den orangen Kunststoffhocker.

Bühne im Retro-Stil

Wolfgang Krebs, zugleich Regisseur der Gesellschaftskomödie, stattete den Bühnenraum im Retro- Stil der sechziger und siebziger Jahre aus, samt Glitzerkugel und Fadenvorhängen. Im Hintergrund tickt laut eine unsichtbare Uhr. Ist hier die Zeit stehen geblieben? Oder sogar längst abgelaufen? Letzteres empfindet wohl Laurence: Das jüngste der drei Kinder ist aus dem Haus, ein Enkelkind ist geboren, der Mann bald ein Rentner – was soll nun noch kommen? „Ich habe nichts mehr zu erwarten“, jammert die 52-Jährige im etwas zu engen Kleid, der auch ihr bequemes Leben plötzlich zu eng erscheint.

Grässliche Gastgeber

Das grässliche, einladende Ehepaar und seine Marotten, die Kinder und ihre Partner, die Gesundheit und das Altern („die Medizin versaut einem alles“), das eingeschlafene Sexualleben, Treue und Betrug. Das Gespräch, das Pierre in fünf Minuten herum zu bringen versucht, wird zur schonungslos ehrlichen Aussprache. Beide hatten die Chance zum Seitensprung und nutzten sie nicht. Beide hatten gute Zeugnisse, nur er machte Karriere. Laurence will sich selbst verwirklichen, Pierre wäre schon damit zufrieden, wenn er essen könnte, was er wollte und nicht wie in einem Museum leben müsste.

Mars und Venus

In dieser unterhaltsamen Gesellschaftskomödie wird die Psychologie einer langjährigen Paarbeziehung ausgelotet. Es geht um die Frage: Was bleibt einem im Alter noch? Theaterleiter Krebs beweist einmal mehr ein gutes Händchen bei der Auswahl seiner Stücke, die sich in der Mehrzahl um die Planeten Mars und Venus dreht. Mit viel Wortwitz gespickte, intelligente Dialoge lassen die dem Titel entsprechenden anderthalb Stunden wie im Nu vergehen. Den Zuschauern dürfte es nicht schwer gefallen sein, sich in diesem Paar wiederzuerkennen. Schließlich wissen wir alle: Manchmal hilft eben nur reden. Viel Applaus für die gelungene Inszenierung.

Info: Weitere Termine: 31. März, 1./7./8.April, 20./21. Mai. Die nächste Premiere ist am 7. Mai. „Lampenfieber – Jetzt mal in echt“ Solostück mit Markus Veith. Kartenreservierung unter 09203/9738680.

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