Rücktrittswelle Gemeinde Ahorntal ist handlungsunfähig

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Im provisorischen Container-Rathaus in Kirchahorn hat bis auf weiteres niemand das Sagen – jetzt wird das Landratsamt eine Lösung suchen müssen. Foto: Ralf Münch Quelle: Unbekannt

KIRCHAHORN. Ahorntal – eine Gemeinde ohne Führung. Nach dem Rücktritt des Ersten haben nun auch der Zweite und der Dritte Bürgermeister das Handtuch geworfen. Und auch der geschäftsleitende Beamte wird die Kommune verlassen – wenn auch nicht freiwillig. Jetzt muss das Landratsamt entscheiden, wie es weitergeht.

 
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Bürgermeister Gerd Hofmann hatte bekanntlich aus gesundheitlichen Gründen sein Ausscheiden erklärt. Am vergangenen Freitag reichte auch sein Stellvertreter Günther Kaiser die Kündigung ein. Ihm folgte gestern Dritter Bürgermeister Stefan Neubig. Beide haben auch ihren Abschied als Gemeinderat mitgeteilt. Eine große Rolle spielen dabei Debatten, die sich hinter den Kulissen abspielten, Vorgänge, die im nichtöffentlichen Teil der jüngsten Gemeinderatssitzung zur Sprache kamen.

Geschäftsstellenleiter soll gehen

Da hatten die Räte nach Kurier-Informationen mit 9:6 Stimmen beschlossen, die Probezeit für den neuen geschäftsleitenden Beamten Thomas Förster nicht zu verlängern. Wohl einer der Hauptgründe, warum jetzt Kaiser und Neubig einen Schlussstrich zogen. Kaiser gab sich auf Anfrage eher zurückhaltend: „Über Dinge, die nichtöffentlich gelaufen sind, möchte ich mich jetzt nicht groß öffentlich äußern, schon gar nicht über Personalien.“ Fakt sei:  Ohne einen Vertrauensmann in der Verwaltung sehe er sich außerstande, bis zur Wahl des Hofmann-Nachfolgers den Bürgermeisterposten zu übernehmen. Und Thomas Förster sei für ihn als Vertreter von Hofmann dieser Vertrauensmann gewesen.

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Die aktuelle Situation habe ihm so manche mehr oder minder schlaflose Nacht bereitet. Die auch aus ganz persönlicher Enttäuschung herrührt. Darüber, wie in den vergangenen Monaten im Ahorntal Politik betrieben wurde, vor allem im Gemeinderat. Noch deutlicher wird da Stefan Neubig. Nach Kaisers Rückzug hätte er in die Bresche springen müssen – „das scheidet aus mehreren Gründen aus“. Zum einen aus beruflichen, so der 53-Jährige, der bei der Deutschen Rentenversicherung „genug zu tun“ hat.  Aber auch aus gesundheitlichen, „ich habe auch schon eine Herz-OP hinter mir“. Als Solist bis zur Wahl eines neuen Bürgermeisters die Geschicke der Kommune zu leiten, könne er nicht leisten.  Doch da ist noch mehr, da ist eine unüberhörbare Portion Frust. Neubig sieht „das Vertrauen von Teilen des Gemeinderats in meine Person“ nicht mehr gegeben. Von Gemeinderäten – er meint dabei vor allem die der CWU –, die nicht bereit seien, Mehrheitsentscheidungen des Gremiums zu akzeptieren.

Nachtreten ein "Unding"

Die in sozialen Netzwerken wie Facebook „nachtreten, ohne ihre Vorwürfe, vor allem gegen Bürgermeister Gerd Hofmann, auch beweisen zu können“. Hofmann vorzuwerfen, er habe mehrfach und absichtlich seine Amtspflichten verletzt, etwa bei Ladungsfristen für Sitzungen, sei nicht nachvollziehbar, „das sind einfach falsche Behauptungen“. Und Dringlichkeitsanträge an Details wie Tippfehlern im Mitteilungsblatt oder in der Haushaltssatzung festzumachen, sei  schlicht ein Unding, das bringe die Gemeinde nicht voran. Oder sich auf der einen Seite zu beschweren, dass neben dem geschäftsleitenden Beamten ein weiterer Mitarbeiter der Verwaltung in den Sitzungen dabei sei, um Protokoll zu führen, und andererseits ausführlichere Protokolle einzufordern, sei  ebenfalls zum Kopfschütteln.

Was das Fass zum Überlaufen bringt

Das Fass zum Überlaufen gebracht habe für ihn der Mehrheitsbeschluss, Thomas Förster vor die Tür zu setzen – auch das „ohne stichhaltige Begründung“.  Alle drei Bürgermeister hätten mit Förster, dem ehemaligen Kämmerer der Gemeinde Eckersdorf, in den vergangenen sechs Monaten „bestens zusammengearbeitet“, auch in der Verwaltung habe er fast durch die Bank Rückhalt genossen. „Und wir sind da schon näher dran als andere Gemeinderäte, wissen, was Sache ist“, so Neubig. Sein Schritt sei daher unvermeidlich.

Deutliche Resignationhör- und spürbar

Zwischen den gesprochenen Worten ist auch bei Günther Kaiser tiefe Resignation hörbar. Näher äußern will sich der 64-Jährige, der als Postbote nahezu jeden Ahorntaler persönlich kennt, nicht. Aber auch bei ihm habe das Ergebnis der jüngsten Sitzung den Ausschlag gegeben, auch er sieht kein Vertrauensverhältnis mehr zum restlichen Gemeinderat.

"Noch bin ich im Dienst"

Der vom Gemeinderat aufs Abstellgleis gestellte Verwaltungsleiter Thomas Förster will sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter äußern. Nur so viel: „Noch bin ich im Dienst.“ Und: „Es ist einfach unglaublich, was sich da abspielt, das ist unter der Gürtellinie.“

Und noch einer hält sich zurück – der scheidende Bürgermeister Gerd Hofmann: „Ich will dazu im Moment nichts sagen, ich muss jetzt zunächst an mich und meine Gesundheit denken.“

Landratsamt wartet auf Nachricht

Im Landratsamt Bayreuth fehlen noch die harten Fakten: „Uns liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse über etwaige Rücktritte auch des Zweiten und Dritten Bürgermeisters vor“, so Sprecher Herbert Retzer. Und: „Sollte dies zutreffend sein, wäre das Landratsamt gehalten, durch rechtsaufsichtliche Maßnahmen die Handlungsfähigkeit des Gemeinderates und der Gemeinde zu gewährleisten.“

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