Rudolf Kurz, der Kini-Kenner

Von Wolfgang Schoberth

Der Marktschorgaster Rudolf Kurz ist einer der besten Kenner Königs Ludwigs II. in Franken. Seit vier Jahrzehnten beschäftigt er sich mit dem Märchenkönig und hat eine einmalige Sammlung von Dokumenten und Raritäten zusammengetragen.

 
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Warum nur hat ER Kulmbach geschnitten? Bayreuth, Hof, Bamberg, Bad Kissingen besuchte Ihre Majestät. In Neuenmarkt und Marktschorgast macht er Station. In Münchberg greift Bürgermeister Georg Stoeckel zu drastischen Mitteln:  Er legt sich mit Frack und Zylinder aufs Gleis, um einen Halt zu erzwingen. Doch Kulmbach? Da rauscht Ludwig II. am 14. November 1866 um 15 Uhr mit seinem „Tristan“ vorbei – einer Stadt, die in ihrer Ehrerbietung gegenüber dem Haus Wittelsbach kaum zu übertreffen war.

Auf dem Bahnsteig hatten sich Bürgermeister Carl Rosenkrantz, der Stadtmagistrat, und zahlreiche Honoratioren eingefunden. Schulklassen standen Spalier, Fahnenabordnungen und Blaskapellen waren angetreten. Dazu Hunderte von Neugierigen, die den König sehen und ihm zujubeln wollen. Doch Majestät blieb im goldprunkenden Salonwagen und ließ sich nicht einmal am Fenster blicken.

Strenges Zeitdiktat

Um die Merkwürdigkeit zu klären, ist man bei Rudolf Kurz am rechten Ort:  kini-fit, liebenswürdig, charmant, begabt mit der Fähigkeit, seinem Fan-Kult eine tüchtige Prise Humor beizumischen. Nachdem er maßgeblich an dem Buch „Ludwigs triumphale Reise durch Franken“ (Husum Verlag) mitgearbeitet hat, kann er mit dem Stoff locker einige Abende füllen. „Der König war einem strengen Zeitdiktat und den Zwängen des Protokolls unterworfen. Er konnte nicht spontan einen Stopp einlegen. Die zu besuchenden Städte wurden im Vorfeld von einer staatlichen Reisekommission ausgewählt“, erläutert er. „Schuld waren oft die Bezirksämter, die die städtischen Behörden schlecht informiert und bei der Bevölkerung falsche Hoffnungen erweckt haben.“

Kurz holt ein gerahmtes Originalfoto aus dem Treppenhaus. Es zeigt den 21-jährigen König in seiner „märchenhaften Schönheit“ zum Zeitpunkt seiner Reise – weiche Gesichtszügen, schwarz onduliertes Haar, eine faszinierende Erscheinung.

Archiv füllt den Keller aus

Das Archiv, das das Kellergeschoss ausfüllt, ist eine Mischung aus Dokumenten-Depot, Studentenbude und Raritätenkabinett.  Die Wände sind mit Bildern, Fahnen und Militaria dekoriert. Am Boden stapeln sich Bücherhäufen, dazwischen stehen Uniform-Puppen. Die Regale und Schränke borden über mit Ordnern, die mit Urkunden, Briefen und Zeitungsausschnitten gefüllt sind. Fragt man Kurz nach dem Umfang seiner Sammlung, muss er lachen: „Ich weiß selbst nicht immer, was ich habe.“ 900 Bände Fachliteratur sind jedenfalls darunter, über ein Dutzend Autografen des Königs, für die man um die 800 Euro hinlegen muss. Das meiste stammt von Kunsthändlern, anderes von Auktionen und aus Nachlässen.

Über vier Jahrzehnte sammelt Kurz schon. Wer hat die Passion erweckt? „Meine Mama war daran schuld.  Sie hat alles über Ludwig verschlungen. Sobald ich lesen konnte, habe ich es ihr nachgetan“, erzählt er. Die wissenschaftliche Beschäftigung, so fährt er fort, habe dann bei der Bundeswehr eingesetzt. 1966 habe sein Bayreuther Kommandeur jemanden gesucht, der das beim Historischen Verein für Oberfranken lagernden Akten über das Königlich Bayerische 7. Infanterie-Regiment Prinz Leopold von Bayern und das 6. Chevaulegers-Regiment archivierte. Er habe sich gemeldet und war dem König endgültig verfallen.

Exquisite Stücke

Der Marktschorgaster ist kein Uniform-Narr. Was er sammelt, sind exquisite Stücke mit besonderer Geschichte.  Das gilt zum Beispiel für die Originaluniform von Oberst Friedrich Freiherr von Krauß vom Bayreuther Chevaulegers-Regiment.  Als Regiments-Kommandeur hat er im deutsch-französischen Krieg 1870/71 eine herausragende Rolle gespielt. Das Paradestück der Sammlung ist ein komplett ausgerüsteter Reiter vom 1. Kürassierregiment: Bayerisch-blauer Waffenrock, Helm, Kartuschkasten mit Bandelier, Pallasch mit Scheide, Stulpenhandschuhe – für Militaria-Liebhaber ein Augenschmaus. Der besondere Clou liegt aber woanders. Der Kürassier hat 1886 mit seinem Regiment die Urne mit dem Herzen Ludwigs II. von München zur Gnadenkapelle von Altötting begleitet.

Eine besondere Uniform hängt stets griffbereit auf dem Garderobenständer: die des Hauptmanns Alfred von Dürckheim.  In sie schlüpft Kurz bei seinen Vorträgen. Der Graf war der letzte Flügeladjutant Ludwigs vor seinem mysteriösen Tod am 13. Juni 1886 im Starnberger See.
Die meisten Schaustücke sind gänzlich unmilitaristisch. Ein Highlight ist das originale Altartuch aus der Königskapelle im Schlosspark Berg am Starnberger See. Ludwig hat sich hier häufig Privatmessen lesen lassen. Vor dem Altar stand sein Betschemel. Das handbestickte Leintuch ist eine Kostbarkeit.

Nächtliche Schlittenpartie

Bezaubernd ist ein selbstgestaltetes Zinnfiguren-Diorama. Es zeigt eine nächtliche Schlittenpartie Ludwigs von Hohenschwangau nach Schloss Linderhof. Der König sitzt mit fellbesetztem Mantel in seinem vergoldeten Puttenschlitten. Das Galion ist mit den königlichen Insignien Schwert, Zepter, Reichsapfel verziert, darüber eine gläserne Krone. Sie taucht die Dunkelheit in gleißendes Licht. Das Modell folgt dem berühmten Gemälde von Richard Wenig, der im Bild eine technische Sensation festhält: das erste elektrisch beleuchtete Fahrzeug der Welt, ausgedacht durch den bayerischen König.

Betritt man das Raritätenkabinett, kann man sehen, wie der „Kini“ verklärt, vermarktet und verkitscht wird: Ludwig als Deko-Figur, als Gips-Büste, als Schwanenritter Lohengrin. Ludwigs-Motive auf Kaffeetassen, Ziertellern, Schnupftabaksdosen, Parfümflakons und Kissenbezügen. Bierkrüge mit Neuschwanstein- und Schloss Linderhof-Motiven. Auch das „Königliche Pfefferminz“, „König Ludwig Seife“ und Echter König Ludwig Feigen Kaffee“ gibt es zu bestaunen.

Wer die Schätze betrachten will, ist herzlich eingeladen. Wie alle Mitglieder des in Schwangau heimischen Vereins „Freunde König Ludwig II.“ stellt auch Kurz sein Archiv für Ausstellungen zur Verfügung.

Bilder