Rendezvous an der Kläranlage

Von Katharina Wojczenko

Mit den Kindern ins Schwimmbad, ins Kino oder doch lieber ein Ausflug zur Kläranlage? Was für Deutsche ungewohnt klingt, ist im kolumbianischen Medellín Alltag.

 
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Carlos Muñoz, der Projektleiter für den Bau der neuen Kläranlage bei den Stadtwerken (EPM). Foto: Katharina Wojczenko

Die Kolumbianer haben ein besonderes Verhältnis zu ihrer Infrastruktur. Die neue Kläranlage in Bello im Medellín-Tal war schon als Baustelle eine Attraktion für die Anwohner, sagt Carlos Muñoz, der Projektleiter bei den Stadtwerken (EPM).

Sie hätten interessiert von ihren Balkonen das Treiben beobachtet. Die Anlage im Aburrá-Tal nördlich von Medellín säubert künftig einen Großteil der Abwässer, die bislang ungeklärt in den Fluss Medellín geleitet wurden. Sie ist die größte Kolumbiens.

Das Prinzip Uva

Was mindestens ebenso wichtig ist: Direkt neben der Kläranlage haben die Stadtwerke eine Uva gebaut. Das steht für „Unidad de vida articulada“ und meint Begegnungszentren, wie sie in Medellín vor allem um die mittlerweile ungenutzten Wasserspeicher an den Hängen der Stadt gebaut wurden: ein Treffpunkt für die Nachbarschaft, mit Sportplatz, Spielplatz, Veranstaltungsräumen und Bibliotheken, das Ganze in moderner Architektur

Auch bei der neuen Kläranlage im Tal geht es nicht nur um Dreck. Sie war noch eine Baustelle, da war das Areal direkt nebenan schon fast fertig. Ein Gebäude samt Spielplatz und Wasserläufen zum Planschen für die Kinder, auf einem langgezogenen Grünstreifen zwischen der Kläranlage und einer vierspurigen Schnellstraße.

Jeden Monat 13.000 Besucher

Die Stadtwerke gehen bei der Uva „Aguas claras“ („klares Wasser“) von 13.000 Besuchern monatlich aus. Das Auditorium bietet für 200 Menschen Platz, es gibt einen Computerraum und fast täglich finden kostenlose Workshops statt.

So schaut die Uva "Aguas Claras" an der Kläranlage aus: Im Werbe-Video kommen auch Nutzer zu Wort.

Die staatlichen Stadtwerke sind Monopolanbieter und verpflichtet, 30 Prozent des Gewinns über ihre Stiftung in Sozialprojekte in Medellín zu investieren. Video: Fundación EPM

Die Mitarbeiter vor Ort, zu erkennen an den Westen mit dem EPM-Logo der Stadtwerke, haben als Schwerpunkt, bei den Nachbarn ein Bewusstsein für die Geschichte des Flusstals zu schaffen, für die Pflanzen und Tiere, die dort leben, damit sie achtsam mit ihrer Umwelt umgehen, und ihnen die Technik zu erklären, die in der Kläranlage nebenan steckt. 

Bloß kein Zaun

Die fertige Kläranlage hinter Zäunen und Sicherheitsabsperrungen zu verstecken, komme gar nicht in Frage, sagt Carlos Muñoz. „Das Gelände wird immer offen sein, wir wollen Führungen anbieten. Wir haben sogar überlegt, ob wir Wägelchen für Menschen anbieten, die nicht so gut gehen können – ähnlich wie auf einem Golfplatz.“

Auf dem Spielplatz, durch den ein nagelneuer Radweg führt, spielen selbst noch Kinder, als der Mond schon über den sechs Faultürmen steht. Da sind die Mieter der Essensbuden am Rand des Platzes noch gar nicht eingezogen.

Mehr zum Thema: Wie Medellín mit Tram und Seilbahn die Drogendealer bekämpfte, lesen Sie hier (mit Fotostrecke).

 

Die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen unterstützte diese Recherche.