René Kollo wird 80

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René Kollo im Sommer 2015 in der Bayreuther Markgrafen-Buchhandlung. Foto: Andreas Harbach Foto: red

In Bayreuth nimmt seine Karriere Fahrt auf. Die „Winterstürme“ aus der „Walküre“ singt er auch noch mit 80. Im Kurier-Interview spricht René Kollo, der an diesem Montag seinen runden Gebutstag feiert, über den Jahrhundert-„Ring“, seine Abschiedstournee und Johannes Heesters.

 
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Herr Kollo, haben Sie heute schon gesungen?

René Kollo: Nein, wenn ich keine Vorstellung habe, singe ich überhaupt nicht.

Vor sieben Jahren haben sie ja letztmals den kompletten ersten Akt „Walküre“ gesungen – unter der Leitung von Manfred Jung. Würden Sie den Siegmund auch heute noch singen?

Kollo: Das geht jederzeit. Mit 80 werden sie aber von keinem Intendanten mehr angerufen. Soviel Fantasie haben die Intendanten nicht mehr.

Vermutlich wären Sie der erste Sänger, der den Siegmund noch mit 80 singt. Wie geht das?

Kollo: Ich habe sieben Jahre lang bei meiner Lehrerin in Berlin das Singen gelernt. Es ist mir erst später klar geworden, was sie mir beigebracht hat. Das hat mich gerettet vor falschem Singen. Es gibt Leute, die nicht gut unterrichtet worden sind, und die dann falsch gesungen haben. Dadurch waren sie schnell verbraucht. Aber das war bei mir nicht der Fall. Man muss das Singen eben richtig lernen. Das kann man nicht so einfach.

Heißt das, Sie würden nach wie vor als Siegmund auftreten?

Kollo: Wenn der Rahmen stimmt, würde ich das gerne noch machen. „Walküre“ ist für mich keine Schwierigkeit. Selbstverständlich würde ich heute keinen „Tristan“ mehr machen.

Johannes Heesters stand 90 Jahre lang auf der Bühne. Ist er ein Vorbild für Sie?

Kollo: Nein. Überhaupt nicht. Ich bin so lange auf der Bühne, wie es geht und ich es körperlich verantworten kann. Ich möchte nicht mit 90 noch auf der Bühne stehen. Das war eine Einmaligkeit von Heesters und das lassen wir auch so.

Für 2018 planen Sie ja eine Abschiedstournee. Was werden Sie singen?

Kollo: Das fängt im Januar 2018 in Österreich an. Es sind ungefähr 20 Termine und dann sehen wir, ob wir noch Lust haben. Ich werde dabei aus meinem Leben lesen und dazu immer das singen, was zur Thematik dazu gehört. Wenn ich über Bayreuth rede, mache ich „Winterstürme“ aus der „Walküre“. Das geht quer durch alle Musiken, die mit mir, meinem Leben und meiner Familie, also mit Walter und Willi Kollo, zu tun gehabt haben. Es gibt einen Satz von Max Reinhardt, der lautet: „Auf der Bühne kann man alles machen, außer zu langweilen.“ Und das habe ich mir mein Leben lang gemerkt. Ich unterhalte die Leute so, dass sie mitgehen. Da ist die Träne drin, da ist Lachen drin und erstklassige Musik.

1969 gaben Sie Ihr Debüt als Steuermann in Bayreuth. Wie haben Sie das in Erinnerung?

Kollo: Für mich war das toll, weil ich damit einen Riesenerfolg hatte. Dann ging es für mich gleich los mit Solti und Karajan. Und rund um die Welt. Bayreuth war der Auslöser. Und dafür bin ich auch dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe.

Sie waren auch der Siegfried im sogenannten Jahrhundert-„Ring“. Haben Sie später jemals wieder so einen Tumult in einem Opernhaus erlebt, wie nach der Premiere in Bayreuth?

Kollo: Nein. Aber das waren politische Dummheiten. Einige haben ja schon in der Probenzeit losgetönt: Jetzt kommen die Franzosen und machen uns Bayreuth kaputt. Das war alles dummes Zeug. Chéreau war ein glänzender Regisseur, der sehr viel bei Strehler gelernt hat. Das körperliche Theater, das Chéreau gemacht hat, kam erstmal von Strehler. Chéreau hat das toll umgesetzt, es war ein „brillanter“ Ring.

Was kam denn bei Ihnen aus dem Zuschauerraum an, nachdem die Musik in der Premiere verklungen war?

Kollo: Gar nichts. Ich finde dieses Geschrei, ob positiv oder negativ, fürchterlich. Aber das ist ja in Bayreuth oft so gewesen. Ob das sehr positiv ist, weiß ich nicht. Aber als Sänger ist man in dem Moment sehr kaputt von der Vorstellung. Man denkt erstmal überhaupt nichts und lässt die einfach schreien. Im nächsten Jahr hatten ja auch alle begriffen, dass es eine tolle Inszenierung ist.

Besuchen Sie noch Aufführungen in Bayreuth?

Kollo: Nein. Ich war einmal im „Rheingold“ von Castorf. Das war so furchtbar, dass ich danach zwei Stunden gebraucht habe, bis ich wieder auf den Beinen war. Das war für mich das ungeheuerste Nicht-Theater. Zum einen ist in der Musik gestrichen worden. Das fand ich schon mal eine unglaubliche Unverschämtheit, denn Wagner wusste besser, wo dramaturgisch etwas passieren muss. Und dann: eine Tankstelle. Das ist keine Natur. Der ganze Anfang vom „Rheingold“ war für mich eine Katastrophe.

Wenn sie jetzt mit 80 zurückblicken: Würden Sie sagen, Sie haben als Sänger alles erreicht?

Kollo: Natürlich. Ich habe ein unglaubliches Leben gehabt – was mir erst später klar geworden ist. Mit solchen Leuten wie Karajan, Solti, Bernstein und dann Regisseuren wie Strehler, Friedrich oder Chéreau zu arbeiten – das waren ja alles Leute, die noch unglaublich gutes Theater gemacht haben. Da war ich mitten drin. Man denkt darüber erst nach, wenn es vorbei ist.

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