Die Gebietsreform in Bayern vor 40 Jahren sollte größere und effizientere Verwaltungseinheiten schaffen. Ist dieses Ziel erreicht worden?

Manfred Miosga: Die Gemeindegebietsreform in Bayern war im Vergleich zu anderen Bundesländen eher moderat. In Nordrhein-Westfalen (NRW) wurde eine Mindestgröße der Gemeinden von etwa 5000 Einwohnern zugrunde gelegt. In Bayern haben wir zwar die Zahl der Kommunen von über 7000 auf gut 2050 reduziert. Davon hat gut ein Drittel immer noch unter 2000 Einwohner. Über 900 kleine Kommen haben sich in mehr als 300 Verwaltungsgemeinschaften zusammengeschlossen. Eine Steigerung der Effizienz wurde schon erreicht. Gerade in den dünner besiedelten, ländlich geprägten Regionen Bayerns dominieren jedoch noch kleine Gemeindegrößen.

 

Die SPD wollte damals die Landkreise und Bezirke ganz abschaffen. Was halten Sie davon?

Miosga: Das war damals ein mutiger Wurf der Verwaltungsvereinfachung, der jedoch keine Mehrheit gefunden hat. Die Idee war, Landkreise und kommunale Bezirke zu Verwaltungsregionen zusammenzufassen. Dadurch wären größere Einheiten geschaffen worden, die vor allem auch in der Regional- und Strukturpolitik leistungsfähig gewesen wären. Wenn man sieht, wie sich heute die Aktionsräume der Menschen im Bereich Versorgung, Freizeit und Erholung oder beim Berufspendeln erweitert haben, würden solche Verwaltungsregionen diese Verflechtungsbeziehungen besser abbilden, als die heutige Verwaltungsgliederung. Damals war das aber der Mehrheit im Landtag und wohl auch in der Bevölkerung zu visionär.

 

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Zwangseingemeindungen im Zuge der Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte sorgten für viel Unmut. Im Nachhinein wurde einiges wieder rückgängig gemacht. Wäre es besser gewesen, eine andere Vorgehensweise zu wählen?

Miosga: Eine Gebietsreform ohne Konflikte und Widerstände ist kaum vorstellbar. Die Zentralisierung bedeutet für viele Bürger immer einen Verlust von Nähe zu den Entscheidungsträgern und Verwaltungen. Das ist aber bei Zusammenlegungen unvermeidbar. Bei der Gemeindegebietsreform gab es eine lange Phase, in der sich Gemeinden freiwillig zusammengeschlossen haben. Später wurde etwas mehr Druck ausgeübt, aber noch die Freiwilligkeit bevorzugt. Nur bei etwa vier Prozent aller 5020 von Auflösung durch Zusammenlegung betroffenen Gemeinden wurde Zwang ausgeübt. Das ist ein sehr geringer Anteil. Dennoch wurden Ende der 1970er Jahre noch Korrekturen vorgenommen, um die Lage zu befrieden.

Auf Landkreisebene wurden aus 143 Kreisen 73 und aus 58 kreisfreien Städten 25 gemacht. Da war der Widerstand in einigen Fällen spektakulärer. Bei der Kreisreform war damit verbunden, dass wichtige Einrichtungen wie Krankenhäuser entweder aufgelöst oder an andere Standorte verlegt wurden. Das hat insbesondere zwischen 1972 und 1979 zu zahlreichen Protestaktionen geführt. Heute sieht man an der Beliebtheit der ehemaligen Kfz-Kennzeichen, dass immer noch eine hohe Identifikation mit den alten kleinen Kreisen vorliegt.

 

Müsste es angesichts der Einwohnerentwicklung in Nordostbayern nicht bald erneut zu einer Gebietsreform kommen?

Miosga: In der Vergangenheit gab es in Nordostbayern hohe Bevölkerungsverluste und weitere werden prognostiziert. Das wirft die Frage nach der Effizienz der Verwaltung, aber auch nach der politischen Sichtbarkeit der Gebietskörperschaften auf. Bisher reagieren nur einige Landkreise mit Zusammenschlüssen, wie Hof und Wunsiedel, die sich zur gemeinsamen Regionalmarketingagentur Hochfranken zusammengeschlossen haben. Dies ist der bessere Weg, als auf eine erneute Gebietsreform zu hoffen. Diese ist auch aufgrund der Schwierigkeiten und Proteste, die damit verbunden sein werden, nicht zu erwarten. Da wollen sich kein Politiker und keine Politikerin nochmals die Finger verbrennen.