Rabiater Riese und nörgelnder Titurel: Der Sänger über seine Erfahrungen im ersten Jahr Bayreuth Andreas Hörl: "Das Bayreuther Festspielhaus ist ein heiliger Ort"

Von Michael Weiser
Für das Haus im Hintergrund haben Fafner und Fasolt ganz sicher keinen Lohn einzutreiben. Wahrscheinlich ist Hüne Andreas Hörl deswegen auf diesem Foto so entspannt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Als Sänger steht man unter Druck. Wie sehr, merkt man bei Andreas Hörl: Der Mann zertrümmert schon auch mal Baseballschläger. Mit dem „Kurier“ sprach Andreas Hörl über rabiate Methoden des Geldeintreibens, unersetzliche Verluste und Typen mit Berliner Schnauze.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Sie lassen’s auf der Bühne ja ganz schön krachen. Ihnen ist kürzlich sogar ein Baseballschläger zu Bruch gegangen. Wie ist denn das passiert?
Andreas Hörl: Ich muss in der Tankstelle randalieren, mit Tellern werfen und ein Schaufenster zerdeppern. Und da ist mit der Schläger entzweigegangen. Das war schon der zweite. Auf der Bühne hat man eben so einen Adrenalinschub, dann will man’s wissen und haut extra drauf. Vielleicht sollte ich mal ein Antiaggressionstraining machen (lacht). Obwohl, das brauchen wir auf der Bühne eh nicht, wir lassen da ja richtig viel Dampf raus.

Lassen Sie mal sehen... Sind das da Reste Ihrer Bühnentätowierung auf dem Arm?
Hörl: Das sind Abziehbilder wie früher beim Duplo. Nur halt profimäßig. Das kriegt man kaum weg.

Und Ihr Bart?
Hörl: Wasserfarbe mit Fixierspray. Richtig Wahnsinn ist der Bart bei der Kinderoper. Da wird aus einem Vierzigjährigen ein Greis. So wie Gandalf. Dafür braucht man eine Glatze, die wird aufgeklebt, vorne kommt noch eine Perücke hin, mit lichten, langen Haaren, dazu dann Augenbrauen und eben ein vierteiliger Bart. Und dann wird man auch noch auf alt geschminkt, im Gesicht und an den Händen. Es dauert eine gute Stunde, bis das fertig ist. Und dann noch mal zwanzig Minuten, bis alles wieder drunten ist. Beim Theater ist es doch richtig schön, wenn sich was verändert. Nur Anzug und Krawatte, das bringt es bei der Kinderoper nicht. Kinder brauchen etwas, was sie wiedererkennen können.

Bei der Kinderoper durften Sie ja auch richtig aus der Rolle fallen, als nörgelnder Titurel.
Hörl: Ja, das war auch toll für den Sänger. Das mit dem „Nein, nein, nein!“, wo ich so aufstampfe und mich aufrege über Amfortas, diese Idee kam von Katharina Wagner.

Ist die Festspielleiterin da tatsächlich richtig dabei? Bei der Kinderoper?
Hörl: Absolut. Sie ist ja letztlich auch verantwortlich dafür und hat auch bei der Kinderoper die Gesamtleitung. Sie hat ja auch mitgeschrieben, und Eva war auch da. Die nehmen das absolut ernst. Klar, das ist der Nachwuchs. Wenn ich die jetzt vergraule, das geht gar nicht. Da muss dann auf der Bühne auch mal was brennen und rauchen. Ich finde es auch gut, dass wir manchmal aus der Rolle heraus getreten sind.

Schon das Vorsingen war Wahnsinn

Und wie sind Ihre Eindrücke von Bayreuth insgesamt?
Hösl: Schon das Vorsingen letztes Jahr war Wahnsinn. Ich gehöre zu der Sorte Künstler, die erst einmal angespannt ist. Der Ort ist was Besonderes. Wenn jemand sagt, früher sei alles besser gewesen, dann sage ich dennoch: Wenn du ein Angebot bekommst, dann gehst du notfalls zu Fuß hierher. Wenn du dann da bist, vor dem wenn auch leeren Haus stehst, dann hast du trotzdem Ehrfurcht. Du weißt ja, wer hier schon gesungen hat. Das bereitet mir keine Belastungen. Aber man nimmt es wahr. Ich habe tatsächlich zu Thielemann gesagt, das sei ein heiliger Ort.

Mit ganz eigenen Maßstäben. Wie ist das, in einer Produktion mitzusingen, in der es nachher immer heißt: Alle auf den Regisseur?
Hörl: Ich muss sagen, dass ich das mit Gelassenheit sehe. Das Feedback, das ich brauche, gibt mir nachher Frank [Castorf]. Was mir als Darsteller gefällt, ist, dass was passiert. Das Bühnenbild finde ich super. Ich finde auch absolut schlüssig, was meine Rolle angeht. Die beiden bauen ein Haus, Wotan zahlt nicht, ja, und dann kommt eben Moskau Inkasso. So nach dem Motto, dann haue ich dir eben deine Mitarbeiter, dann die Einrichtung, und dann schauen wir mal, ob du nicht doch zahlst. Und das mit dem Erdöl, ja, ich finde, das kann man so machen. Es ist viel Action, es passiert immer was, das finde ich als Sänger-Darsteller gut. Da ich nicht im ganzen „Ring“ dabei bin, habe ich natürlich nicht den Blick aufs Ganze. Doch was ich gesehen habe, ist schlüssig, das ist gut. Freunde von mir fanden die Inszenierung wahnsinnig großartig (lacht). Vor allem die, die nicht so oft in die Oper gehen.

Oleg war ein lieber Kerl

Zwei Künstler, die Sie bereits von anderen Produktionen gut kannten, hätten Sie auch in Bayreuth wiedersehen können: Maria Radner und Oleg Bryjak, die beide an Bord der Germanwings-Maschine saßen.
Hörl: Das mit dem Absturz der Germanwings-Maschine war so eine Geschichte. Am Montag noch hatten wir zusammen gesungen, am Dienstag standen wir noch nebeneinander und warteten auf den Flieger. Meiner ging um 9.15 Uhr nach Stuttgart, der von Oleg Bryjak um 9.35 Uhr nach Düsseldorf. Das war verrückt. Maria Radner war eine entzückende Kollegin, mehr zu tun aber hatte ich noch mit Oleg. Im „Siegfried“ waren wir ja verhältnismäßig früh fertig. Wir haben nur noch auf den Applaus warten müssen. Oleg kam dann in die Garderobe, mit Schinken oder Käse, dazu ein oder zwei Flaschen Wein. Das war so ein lieber Kerl. Das hat mich ganz schön mitgenommen.

Wie geht man mit so einem Schlag um?
Hörl: Jeder Sänger ist ersetzbar, aber das weiß man, das muss auch so sein. Es geht doch immer zuerst ums Stück. The Show must go on. Wenn du krank wirst, muss ein Kollege einspringen. Das ist uns allen schon so gegangen, das ist ganz normal. Im Fall von Oleg hat das lange gedauert, in der ersten Probenwoche vor allem haben wir das sehr stark gespürt. Wir haben auch darüber gesprochen. Der Sänger mag ersetzbar sein, der Mensch ist es nicht. Man checkt das erst richtig, wenn es einen ganz nah betrifft. Wenn ein Flugzeug beispielsweise in Malaysia abstürzt, ist das schrecklich, aber ein paar Minuten später ist die Nachricht schon von den nächsten Nachrichten verdrängt. Da ist das anders. Man denkt sehr lange daran, braucht auch seine Zeit, bis man darüber hinweg ist.

Ein schöner Zufall

Es gibt für 2016 eine große Umbesetzung im „Ring“, vor allem im „Rheingold“ und der „Walküre“ bleibt fast niemand vom alten Ensemble an Bord. Sie singen dann den Fasolt. Machen einem solche Umbesetzungen zu schaffen?
Hörl: Nein, in meinem Fall war es genau umgekehrt. Ich hatte eigentlich für den Ring 2016 vorgesungen, und da war schon klar, dass ich den Fasolt singen sollte. Dann hat aber bereits dieses Jahr der Kollege abgesagt, keine Ahnung, warum. Und so bin ich dieses Jahr schon dran gekommen, aus Zufall. Ja, ein schöner Zufall war das. Ich hatte dafür sogar eine andere Rolle abgesagt. Weil Bayreuth etwas Besonderes ist.

Nächstes Jahr wird Marek Janowski den „Ring“ dirigieren, als Nachfolger von Kirill Petrenko. Janowski ist kein großer Freund des Regietheaters. Kann das klappen, Janowski zusammen mit Frank Castorf?
Hörl: Petrenko und Janowksi sind beide tolle Dirigenten, aber unterschiedliche Typen, das stimmt. Auf den ersten Blick mag man nicht glauben, dass das besonders gut funktionieren kann. Aber Janowski und Castorf sind einfach gute Leute, beide sind ja sehr erfahren. Und witzigerweise haben beide diese Berliner Schnauze. Ich kann mir vorstellen, dass das klappen wird.

Und nach dem „Ring“? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Bayreuth länger verbunden bleiben?
Hörl: Das Schöne ist, wenn man mischt. Wenn man Wagner singt, dann aber auch mal wieder Mozart oder Verdi. Doch wenn man so aussieht wie ich, 1,95 Meter groß ist und blond, besteht ohnehin eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass man im deutschen Fach singt.

ZUR PERSON: Eine prachtvolle Stimme und ein großes Repertoire zeichnen den Bass Andreas Hörl aus. Der Meisterschüler von Kurt Moll debütierte heuer in Bayreuth als Fafner und wird 2016 Fasolt und Hunding singen. Zunächst im Ensemble des Opernhauses Zürich, ist Hörl mittlerweile freischaffend und als Gasten an den großen Häusern zu erleben. Den Fafner sang er auch im „Siegfried“ am Gran Teatre del Liceu in Barcelona.