Schon das Vorsingen war Wahnsinn
Und wie sind Ihre Eindrücke von Bayreuth insgesamt?
Hösl: Schon das Vorsingen letztes Jahr war Wahnsinn. Ich gehöre zu der Sorte Künstler, die erst einmal angespannt ist. Der Ort ist was Besonderes. Wenn jemand sagt, früher sei alles besser gewesen, dann sage ich dennoch: Wenn du ein Angebot bekommst, dann gehst du notfalls zu Fuß hierher. Wenn du dann da bist, vor dem wenn auch leeren Haus stehst, dann hast du trotzdem Ehrfurcht. Du weißt ja, wer hier schon gesungen hat. Das bereitet mir keine Belastungen. Aber man nimmt es wahr. Ich habe tatsächlich zu Thielemann gesagt, das sei ein heiliger Ort.
Mit ganz eigenen Maßstäben. Wie ist das, in einer Produktion mitzusingen, in der es nachher immer heißt: Alle auf den Regisseur?
Hörl: Ich muss sagen, dass ich das mit Gelassenheit sehe. Das Feedback, das ich brauche, gibt mir nachher Frank [Castorf]. Was mir als Darsteller gefällt, ist, dass was passiert. Das Bühnenbild finde ich super. Ich finde auch absolut schlüssig, was meine Rolle angeht. Die beiden bauen ein Haus, Wotan zahlt nicht, ja, und dann kommt eben Moskau Inkasso. So nach dem Motto, dann haue ich dir eben deine Mitarbeiter, dann die Einrichtung, und dann schauen wir mal, ob du nicht doch zahlst. Und das mit dem Erdöl, ja, ich finde, das kann man so machen. Es ist viel Action, es passiert immer was, das finde ich als Sänger-Darsteller gut. Da ich nicht im ganzen „Ring“ dabei bin, habe ich natürlich nicht den Blick aufs Ganze. Doch was ich gesehen habe, ist schlüssig, das ist gut. Freunde von mir fanden die Inszenierung wahnsinnig großartig (lacht). Vor allem die, die nicht so oft in die Oper gehen.
Oleg war ein lieber Kerl
Zwei Künstler, die Sie bereits von anderen Produktionen gut kannten, hätten Sie auch in Bayreuth wiedersehen können: Maria Radner und Oleg Bryjak, die beide an Bord der Germanwings-Maschine saßen.
Hörl: Das mit dem Absturz der Germanwings-Maschine war so eine Geschichte. Am Montag noch hatten wir zusammen gesungen, am Dienstag standen wir noch nebeneinander und warteten auf den Flieger. Meiner ging um 9.15 Uhr nach Stuttgart, der von Oleg Bryjak um 9.35 Uhr nach Düsseldorf. Das war verrückt. Maria Radner war eine entzückende Kollegin, mehr zu tun aber hatte ich noch mit Oleg. Im „Siegfried“ waren wir ja verhältnismäßig früh fertig. Wir haben nur noch auf den Applaus warten müssen. Oleg kam dann in die Garderobe, mit Schinken oder Käse, dazu ein oder zwei Flaschen Wein. Das war so ein lieber Kerl. Das hat mich ganz schön mitgenommen.
Wie geht man mit so einem Schlag um?
Hörl: Jeder Sänger ist ersetzbar, aber das weiß man, das muss auch so sein. Es geht doch immer zuerst ums Stück. The Show must go on. Wenn du krank wirst, muss ein Kollege einspringen. Das ist uns allen schon so gegangen, das ist ganz normal. Im Fall von Oleg hat das lange gedauert, in der ersten Probenwoche vor allem haben wir das sehr stark gespürt. Wir haben auch darüber gesprochen. Der Sänger mag ersetzbar sein, der Mensch ist es nicht. Man checkt das erst richtig, wenn es einen ganz nah betrifft. Wenn ein Flugzeug beispielsweise in Malaysia abstürzt, ist das schrecklich, aber ein paar Minuten später ist die Nachricht schon von den nächsten Nachrichten verdrängt. Da ist das anders. Man denkt sehr lange daran, braucht auch seine Zeit, bis man darüber hinweg ist.
Ein schöner Zufall
Es gibt für 2016 eine große Umbesetzung im „Ring“, vor allem im „Rheingold“ und der „Walküre“ bleibt fast niemand vom alten Ensemble an Bord. Sie singen dann den Fasolt. Machen einem solche Umbesetzungen zu schaffen?
Hörl: Nein, in meinem Fall war es genau umgekehrt. Ich hatte eigentlich für den Ring 2016 vorgesungen, und da war schon klar, dass ich den Fasolt singen sollte. Dann hat aber bereits dieses Jahr der Kollege abgesagt, keine Ahnung, warum. Und so bin ich dieses Jahr schon dran gekommen, aus Zufall. Ja, ein schöner Zufall war das. Ich hatte dafür sogar eine andere Rolle abgesagt. Weil Bayreuth etwas Besonderes ist.
Nächstes Jahr wird Marek Janowski den „Ring“ dirigieren, als Nachfolger von Kirill Petrenko. Janowski ist kein großer Freund des Regietheaters. Kann das klappen, Janowski zusammen mit Frank Castorf?
Hörl: Petrenko und Janowksi sind beide tolle Dirigenten, aber unterschiedliche Typen, das stimmt. Auf den ersten Blick mag man nicht glauben, dass das besonders gut funktionieren kann. Aber Janowski und Castorf sind einfach gute Leute, beide sind ja sehr erfahren. Und witzigerweise haben beide diese Berliner Schnauze. Ich kann mir vorstellen, dass das klappen wird.
Und nach dem „Ring“? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Bayreuth länger verbunden bleiben?
Hörl: Das Schöne ist, wenn man mischt. Wenn man Wagner singt, dann aber auch mal wieder Mozart oder Verdi. Doch wenn man so aussieht wie ich, 1,95 Meter groß ist und blond, besteht ohnehin eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass man im deutschen Fach singt.
ZUR PERSON: Eine prachtvolle Stimme und ein großes Repertoire zeichnen den Bass Andreas Hörl aus. Der Meisterschüler von Kurt Moll debütierte heuer in Bayreuth als Fafner und wird 2016 Fasolt und Hunding singen. Zunächst im Ensemble des Opernhauses Zürich, ist Hörl mittlerweile freischaffend und als Gasten an den großen Häusern zu erleben. Den Fafner sang er auch im „Siegfried“ am Gran Teatre del Liceu in Barcelona.