"Wir brauchen flexiblere Arbeitszeiten"

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Einst war Steffen Kampeter Politiker, jetzt vertritt er die Arbeitgeber. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände klagt über staatliche Bevormundung der Wirtschaft. Den Gewerkschaften wirft er Schema-Denken vor.

 
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Herr Kampeter, die deutsche Wirtschaft floriert, der Arbeitsmarkt boomt, die Steuereinnahmen sprudeln. Und doch gehen die Arbeitgeberverbände mit der Forderung „Mehr Wirtschaft wagen“ ins Superwahljahr. Passt das zusammen?

Steffen Kampeter: Wir haben ein Champions-League-Problem. Ja, es stimmt, Deutschland geht es gut. Umso größer ist die Gefahr, sich selbstzufrieden zurückzulehnen. Um in der Champions-League zu bleiben, müssen wir uns aber Jahr für Jahr aufs Neue anstrengen. Wir wollen, dass die Politik ihren Fokus nicht mehr in erster Linie auf Umverteilung legt, sondern auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum. Es ist gefährlich, sich auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen.

Wo sehen Sie denn die Politik besonders gefordert?

Kampeter: Die Politik muss vor allem eine weitere Belastung des Faktors Arbeit verhindern. Wichtig ist, dass die Sozialabgaben weiter unter 40 Prozent bleiben. Wenn wir jedoch so weitermachen wie bisher, dann steuern wir – das zeigen langfristige Experten-Prognosen – eher in Richtung 50 Prozent. Eine solch ungebremste Entwicklung würde Wachstum, Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen gefährden. Darüber hinaus brauchen wir mehr Flexibilität in der Arbeitswelt.

Wie soll diese Flexibilität nach Ihren Vorstellungen aussehen?

Kampeter: Die Digitalisierung ist nicht nur ein technologisches Thema, sondern bringt auch erhebliche Veränderungen im Arbeitsalltag mit sich. Wir sollten die vielen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung ergeben, entschlossen nutzen. Wir müssen die Arbeitswelt der Zukunft aktiv gestalten. Deshalb brauchen wir eine Ordnungspolitik der Chancen und mehr Freiheiten im Hinblick auf Arbeitszeit und Arbeitsort. Es gibt viele Arbeitnehmer, die zum Beispiel aus familiären Gründen flexible Arbeitszeiten wollen. Gerade viele aus der jungen Generation empfinden starre Regeln als Gängelung. In der digitalen Welt sind die Bedürfnisse von Unternehmen und Beschäftigten besser als früher in Einklang zu bringen, weil es oft keine Rolle spielt, von wo aus gearbeitet wird.

Das setzt voraus, dass auch die Firmen vernünftig mit dem digitalen Wandel umgehen. Einer Umfrage der IG Metall zufolge spricht sich eine Mehrheit der Beschäftigten in Bayern dafür aus, dass es auch in Zukunft ein Arbeitsgesetz mit dem „Recht auf Abschalten“ gibt.

Kampeter: Zum Handy-Abschalten braucht man doch wirklich kein Gesetz. Statt den Sozialpartnern mehr Entscheidungsspielraum zu geben, regelt der Gesetzgeber in Deutschland immer mehr Bereiche, ohne dass es einen erkennbaren Nutzen für die Unternehmer und für die Arbeitnehmer bringt. Darüber herrscht großer Frust bei den Unternehmen. Es geht uns jedoch nicht um eine schrankenlose Freiheit.

Sondern?

Kampeter: Wir bejahen die Schutzfunktion des Gesetzgebers für die Arbeitnehmer voll und ganz. Die gesetzlich zulässige Wochenarbeitszeit und vertraglich vereinbarte Wochenstunden sollen nicht angetastet werden, aber wir fordern mehr Flexibilität bei der Aufteilung der Arbeitszeit. Wir brauchen neue, moderne Arbeitszeitmodelle, die sich sowohl den Bedürfnissen der Unternehmen als auch der Lebenswirklichkeit der Arbeitnehmer anpassen. Wir können die digitale Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts nicht mit Gesetzen aus der analogen Welt des 20. Jahrhunderts gestalten. Das Schema der Gewerkschaften mit 35-Stunden-Woche, regelmäßigen Lohnerhöhungen und „Recht auf Abschalten“ bringt uns nicht weiter.

Der Hype um SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der mit sozialer Gerechtigkeit punkten will, hat sich schnell wieder gelegt. Sie haben Schulz heftig kritisiert. Schwingt bei Ihnen nun etwas Genugtuung mit? 

Kampeter: Auch wir Arbeitgeber wollen, dass es in unserem Land sozial gerecht zugeht. Wir sind allerdings überzeugt, dass Bildungs- und Chancengerechtigkeit statt Umverteilung im Vordergrund stehen sollten. Das arbeitsmarktpolitische Konzept der Sozialdemokraten ist rückwärtsgewandt und gefährdet die Erfolge der vergangenen Jahre. Die Agenda 2010 hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich Deutschland vom „Kranken Mann Europas“ zum wirtschaftlichen Stabilitätsanker Europas entwickelt hat. Es wäre fatal, die Reformen wieder zurückzudrehen.

Die SPD will eine längere Zahldauer von Arbeitslosengeld I, sofern damit eine Qualifizierung verbunden ist. Was ist so falsch daran?

Kampeter: Soziale Sicherheit zu garantieren, ist wichtig und richtig. Aber es dürfen von der Politik keine Anreize gesetzt werden, dass Menschen länger als nötig arbeitslos sind. Das können wir uns angesichts des Fachkräftemangels nicht leisten. Aus- und Weiterbildung ist eine Kernaufgabe der Unternehmen. Wir glauben nicht, dass eine staatliche Behörde den Qualifizierungsbedarf von Mitarbeitern besser einschätzen kann als die Betriebe vor Ort.

 

Zur Person

Steffen Kampeter, geboren 1963 in Minden (Nordrhein-Westfalen), ist seit Juli vergangenen Jahres Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Kampeter war jüngst Gastredner bei der Mitgliederversammlung des Keramik-Verbands in Selb. Von 1990 bis 2016 gehörte Kampeter dem Bundestag an. Von 2005 bis 2009 war der Diplom-Volkswirt haushaltspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion und von 2009 bis 2015 parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

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